
Westen für Krieg und Globaler Süden für Frieden in der Ukraine
Im März und April 2022 gab es aussichtsreiche Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland. Sie fanden in freundlichen Gastgeberländern wie Türkei und Belarus statt und teils unter der hilfreichen Vermittlung des früheren israelischen Premiers Naftali Bennet. Der damalige Premier Boris Johnson der früheren Kolonialmacht Großbritannien reiste dann extra nach Kiew um den Wunsch der USA nach Krieg zu vermitteln, worauf die Verhandlungen abgebrochen wurden. Und der Krieg kam dann erst so richtig in Gang.
Es gibt also einen aufschlussreichen Unterschied zwischen den Friedensvorschlägen für den Russisch-Ukrainischen Krieg, die aus dem Globalen Süden kommen, und den Friedensvorschlägen, die aus dem mit der NATO verbündeten Westen kommen. Zunächst einmal hat der Westen keine Friedensvorschläge unterbreitet, während aus dem Globalen Süden mehrere kamen. Aber wenn der Westen von einer Verhandlungslösung spricht, besteht er darauf, dass Russland den Krieg verliert, zuerst die wesentlichen Zugeständnisse macht und erst dann über die Durchsetzung verhandelt. Der Globale Süden will nur, dass das Töten aufhört: erst den Krieg beenden, dann über die Lösung verhandeln.
Der Westen hat seine Position in jeder Phase klar gemacht: keine Forderung nach einem Waffenstillstand und keine Verhandlungen während des Krieges. Erst Russland besiegen, dann Gespräche führen, um eine Einigung zu erzwingen. Das erinnert ganz stark an das was mit Rest-Yugoslawien insbesondere 1999 passiert ist. Es wurde solange bombardiert, bis das nach 1990 noch übrig gebliebene Staatengebilde zerschlagen und gespalten war, aus dem ursprünglichen Staatenverbund sechs Kleinstaaten geworden sind, die mittlerweile NATO-Mitglieder sind, de facto aber von der NATO besetzt sind. Es wurden Kraftwerke und zivile Ziele wie Brücken mit Kindern darauf bombardiert.
Der Westen weigert sich, während des Krieges zu verhandeln. “Jetzt sehen wir, wie Moskau vorschlägt, dass die Diplomatie aus dem Gewehrlauf heraus stattfindet oder während Moskaus Raketen, Mörser und Artillerie auf das ukrainische Volk zielen. Das ist keine echte Diplomatie”, erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price. “Das sind nicht die Bedingungen für echte Diplomatie”. Man sollte den Krieg nicht durch Friedensverhandlungen beenden, sondern erst den Krieg gewinnen und dann verhandeln. “Wenn es Präsident Putin mit der Diplomatie ernst ist”, so Price, “dann weiß er, was er tun kann. Er sollte die Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung sofort einstellen [und] den Rückzug seiner Streitkräfte aus der Ukraine anordnen.”
Als China einen Zwölf-Punkte-Friedensvorschlag vorlegte, lehnten die Vereinigten Staaten die Punkte zwei bis zwölf ab und bestanden darauf, dass der Vorschlag “bei Punkt eins aufhören” solle. Punkt eins besagte, dass “die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Länder wirksam aufrechterhalten werden muss.” Was allerdings für die USA bei Yugoslawien und vielen anderen Ländern nicht von Interesse war.
Das amerikanische Drehbuch war klar: Erst muss Russland nachgeben und den westlichen Forderungen erfüllen, dann kann man über den Friedensvorschlag diskutieren. “Meine erste Reaktion darauf“, spottete der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, “ist, dass es bei Punkt eins aufhören könnte, nämlich die Souveränität aller Nationen zu respektieren.” Blinken witzelte: “Wenn sie es mit dem ersten Punkt, der Souveränität, ernst meinen, dann könnte dieser Krieg morgen zu Ende sein.”
Es ist eine neue Theorie der Diplomatie, dass man in Kriegszeiten nicht mit Feinden verhandelt. Wann sollte man sonst verhandeln? Mit wem verhandelt man sonst? Ist es Diplomatie, wenn man nur das Ergebnis durchsetzt, das man im Krieg gewonnen hat?
Als Punkt drei des chinesischen Positionspapiers die “Einstellung der Feindseligkeiten” vorschlug, lehnten die Vereinigten Staaten dies ab. Der chinesische Vorschlag besagt, dass “Konflikte und Krieg niemandem nützen”, und fordert, dass “alle Parteien Russland und die Ukraine dabei unterstützen sollten, in dieselbe Richtung zu arbeiten und den direkten Dialog so schnell wie möglich wieder aufzunehmen, um die Situation schrittweise zu deeskalieren und schließlich einen umfassenden Waffenstillstand zu erreichen“.
Aber die USA wollten den Dialog nicht “so schnell wie möglich” wieder aufnehmen. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, erklärte, dass ein Waffenstillstand zum jetzigen Zeitpunkt zwar gut klingen mag, aber “unserer Meinung nach nicht den gewünschten Effekt hätte und kein Schritt in Richtung eines gerechten und dauerhaften Friedens wäre.” Er stellte dann klar, dass “wir Aufrufe zu einem Waffenstillstand zum jetzigen Zeitpunkt nicht unterstützen”. Außenminister Antony Blinken nannte den Friedensvorschlag einen “taktischen Schachzug Russlands”, der “von China unterstützt” werde, und warnte, dass “die Welt sich nicht täuschen lassen sollte”.
Der globale Süden sieht die Diplomatie anders. Während der Westen die Kämpfe fortsetzen will, will der Globale Süden die Kämpfe beenden, um Gespräche zu ermöglichen.
Am 16. Mai gab der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa bekannt, dass er mit Putin und Zelensky telefoniert habe, die sich beide bereit erklärten, eine Delegation afrikanischer Staatschefs in ihren Hauptstädten zu empfangen, um einen möglichen Friedensplan zur Beendigung des Krieges zu erörtern. Neben Südafrika werden Senegal, Uganda, Ägypten, die Republik Kongo und Sambia an der Delegation teilnehmen.
Im Gegensatz zu den westlichen Forderungen nach einem Abzug der russischen Truppen vom ukrainischen Territorium als Vorbedingung für die Aufnahme von Gesprächen schlagen die afrikanischen Staatsoberhäupter vor, “dass die Ukraine die Aufnahme von Friedensgesprächen mit Russland akzeptiert, auch wenn russische Truppen auf ihrem Boden verbleiben”. Der Sprecher der südafrikanischen Ratspräsidentschaft, Vincent Magwenya, kehrte die Reihenfolge der westlichen Agenda um: “An erster Stelle steht die Beendigung der Feindseligkeiten. An zweiter Stelle steht ein Rahmen für einen dauerhaften Frieden”.
Brasilien hat ebenfalls “auf einen Waffenstillstand gedrängt“. Und am 3. Juni bot Indonesien einen Friedensplan an, der wie die Vorschläge Chinas, Afrikas und Brasiliens den Waffenstillstand an die erste Stelle der Tagesordnung setzte, um die anschließenden Gespräche zu ermöglichen. Der indonesische Vorschlag sieht zunächst einen Waffenstillstand vor, dann die Einrichtung einer entmilitarisierten Pufferzone, gefolgt von Volksabstimmungen, die es der Bevölkerung der “umstrittenen Gebiete” ermöglichen würden, die Nachkriegsgrenzen demokratisch zu bestimmen.
Der Globale Süden will ein dauerhaftes Ende dessen, was sie als europäischen Krieg und die dadurch verursachten globalen Schwierigkeiten ansehen. Sie versuchen nicht, Russland zu bestrafen und die Demokratie zu verteidigen, auch weil sie nicht glauben, dass dies ein Krieg für den Triumph der Demokratie über die Autokratie oder ein Krieg zwischen Gut und Böse ist. Es handelt sich einfach um einen verheerenden Krieg, der beendet werden muss.
Afrika erinnert sich an den westlichen Kolonialismus und die von ihm geförderten Staatsstreiche. Und der indonesische Verteidigungsminister Prabowo Subianto erinnerte den Westen bei der Vorstellung des indonesischen Friedensvorschlags daran: “Wir in Asien haben unseren Anteil an Konflikten und Kriegen, die vielleicht noch verheerender und blutiger sind als das, was wir in der Ukraine erlebt haben… Fragen Sie Vietnam, fragen Sie Kambodscha, fragen Sie die Indonesier, wie oft wir überfallen worden sind.” Er hätte hinzufügen können, dass man Indonesien nach der halben bis einer Million Indonesier fragen sollte, die mit der Komplizenschaft der Vereinigten Staaten abgeschlachtet wurden.
Auch Österreich und die Schweiz könnten als Neutrale eine Rolle spielen, aber die Politik in diesen beiden Ländern hat sich zum Vertreter der US-Interessen machen lassen. Einzelne Politiker aus Österreich finden es sogar nötig nach Kiew zu reisen und damit die österreichische Verfassung zu verletzen, wenn sie sich klar an die Seite einer der Kriegsparteien stellen. Für die EU könnte es sogar nützlich sein, wenn ein neutrales Österreich die Beziehungen zum globalen Süden weiter pflegen, die der EU-Außenbeauftragte Josep Borell mit seinen unüberlegten und rassistischen Äußerungen zerstört hat. Anregungen dazu finden sich in Beiträgen des Politologen Prof. Dr. Heinz Gärtner und General i.R. Mag. Günther Greindl in einer Sonderausgabe des Magazins International.
Josef Ebnöther, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
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China und Serbien erinnern an “barbarische Verbrechen” in Jugoslawien von USA und NATO
Europas „Diplomatie“ ein Aprilscherz oder am Weg in den Krieg?
Waffenstillstand und Verhandlungen sind immer richtig!
Vielen Dank, Herr Mayer, für diese beeindruckende und pointierte Zusammenschau!
Es sind Stimmen des Lebens und der Zuversicht, geboren aus leidvollen Erfahrungen der Vergangenheit. Bei uns dominieren Stimmen des Todes und der Ignoranz, enstanden aus der Arroganz vermeintlicher Stärke, die einen Konflikt nur mehr alternativlos aus einer einzigen Perspektive betrachten können.
Länder des Südens setzen sich für unsere eigentlichen Interessen ein. Sie wollen nicht, dass sich Europa durch blinden Gehorsam selbst zerstört.
Die Friedensvorschläge sind moderne Neutralitätspolitik, die uns eine grausame Lektion ersparen wollen. Gerade ein mehrheitlich neutrales Österreich müsste diese Stimmen hören, ernst nehmen und darauf reagieren. Und würde so nebenbei selbstmörderische Tendenzen therapieren.
Hallo,
USA will, dass Russland in Vorleistung geht.
Dazu müsste USA aber Russland zwingen können – und danach sieht es nicht aus.
Die Russen wollen, dass USA in Vorleistung geht..
Nach dem Veräppeln bei den Minsker Vereinbarungen sagt die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Sacharowa:
“Wozu sollten wir uns mit ihnen wieder im Kreis drehen, wenn es die historische Tatsache gibt?”
“Diplomatie” ist ein gutes Stichwort, aber da müssten sich die USA-Oligarchen eingestehen, dass sie nicht allmächtig sind, dass sie nicht jedem (anderen Staat) diktieren können, was er zu tun habe.
Der Witz ist nur; am Ende müssen sie es sowieso.
Bei dem Begriff “Globaler Süden” rollen sich mir die Fussnägel hoch!
Das ist doch ein Begriff der woken Wi*er und meint die Dritte Welt.
Auch “Westen” sehe ich kritisch, gemeint ist doch die USA & Vasallen bzw ihr Angriffsbündniss NATO.
Ich habe stark den Eindruck, dass Menschen in den USA und in Europa von sich selbst auf die Russen schließen. Wenn sie die Macht haben bzw. hätten, wollen sie andere (Länder) beherrschen, also muss es bei den Russen auch so sein. Oder aber sie unterstellen es den Russen einfach aus irgendwelchen Gründen und „das Volk“ glaubt es, weil dies wiederum Menschen sind, die sich nicht vorstellen können, dass Russen nicht Länder erobern wollen. War das Angebot für ein friedliches Europa + Russland so unglaubwürdig? Das glaube ich nicht, es war nur für die USA so erschreckend .. ..
Außenminister Antony Blinken warnte, dass “die Welt sich nicht täuschen lassen sollte”.
Dem kann ich nur vollinhaltlich zustimmen. Die Welt hat sich lange genug täuschen lassen, wenn auch in einem anderen Sinn als Blinken meint. Wobei das Wort Verdummung oder Versklavung den Kern der Sache vermutlich besser trifft als Täuschung. Denn kann man sich wirklich so lange täuschen lassen?
Man sieht wohin die Multikulti führt. Was nicht zusammenpasst sollte man nicht versuchen es anzupassen. Vieles ist einfach nicht kompatibel. Da geht der Schuss nach hinten los.
Multikulti hat bisher in der Ukraine wunderbar funktioniert. Ebenso wie mehrere Religionen friedlich miteinander leben konnten. Die rassistischen Gesetze der US Marionettenregierung gegen die russische Ethnie und der Raketenbeschuss von Zivilisten hatte ja nur den Zweck, Russland in einen Krieg zu ziehen. Dieser Krieg war geplant und bewusst provoziert. Die geheime (natürlich nicht für Russland geheime) Stationierung von NATO Truppen sowie die Ankündigung, Atomwaffen in der Ukraine zu stationieren, hat dann das Fass zu überlaufen gebracht.
Das soll natürlich keine Rechtfertigung für Gewalt sein. Aber vielleicht hätte die UNO ja mal zwischendurch einschreiten können? Aber was soll man von einer US dominierten Einrichtung schon erwarten? Und so gilt für Russland der durch Frau von der Leyen geprägt Begriff: Vorwärtsverteidigung.
Dies alles kann man aber nur verstehen, wenn man nicht nur den Spiegel oder andere westl. dekontextuierende Medien liest. Sondern auch mal ein Buch oder alternative Medien um damit die (absichtlichen!) Lücken zu füllen.
Für die Brandstifter ist die Sache einfach:
“NATO Secretary-General Jens Stoltenberg met with President Biden in Washington on Tuesday and said Russia must lose in Ukraine to send a message to China as the Western alliance increasingly has its eyes on the Asia Pacific. “President Putin must not win this war, because that will not only be a tragedy for Ukrainians, but also make the world more dangerous,” Stoltenberg said at the White House before a meeting with Biden. “It will send a message to authoritarian leaders all over the world, also in China, that when they use military force, they get what they want, and we will then become more vulnerable. So it’s our security interest to support Ukraine,” he added” (‘Antiwar.com’, June 13, 2023)
Für die westlichen Schurkenstaaten (“liberale Demokratien”) geht es schlicht und einfach um die Aufrechterhaltung der imperialistischen Vorherrschaft über die anderen Länder der Welt (die “illiberalen Demokratien” und “Autokratien”). Die österreichischen Machthaber und Medien haben sich (nun schon traditionell) positioniert als NATO-Kollaborateure, die sich einen Dreck um die Glaubwürdigkeit der Neutralität Österreichs scheren. Für die österreichische Bevölkerung bedeutet die Neutralität aber, nie mehr hineingezogen zu werden in fremde Großmachtinteressen und Kriege, als Lehre aus den Ereignissen 1938. Deswegen will sie sich nicht von ihr lösen, auch wenn ihr die NATO-Quislinge des Landes das einreden wollen. Die Neutralität steht zugleich für gute, offene und ehrliche, vor allem friedliche Beziehungen zu allen Ländern und Völkern der Welt. Ein wirklich neutrales Österreich müßte die aus aller Welt kommenden Friedensvorschläge zum “unprovozierten Angriffskrieg” unterstützen …