Bedingungsloses Grundeinkommen – Gegenentwurf zur Umverteilung von Arm zu Reich durch FPÖVP?

16. Januar 2018von 5,6 Minuten Lesezeit

Die neue türkischblaue Regierung arbeitet an einer massiven Umverteilung von Einkommen und Vermögen von den Armen zu den Konzernen und dem reichsten Teil der Bevölkerung. Den Konzernen werden Milliarden an Steuergeschenken gemacht, Arbeitslosen, Empfängern von Sozialhilfe oder Mindestsicherung werden die Beiträge gekürzt, Zugänge erschwert und noch vorhandene Reste an Vermögen eingezogen.

Seit Beginn des Wahlkampfs ist es der ÖVP gelungen für ihre Umverteilungsabsichten einige Unterstützung in der Bevölkerung zu finden. Sogar der FPÖ Sozialministerin gingen die Pläne insbesondere beim Arbeitsgeld zu sehr gegen die Menschen, sie wurde aber von der ÖVP zurückgepfiffen und auf eine Linie drakonischer Kürzungen festgelegt.

Fortschreitende Entsolidarisierung

Die Frage ist, warum sich dagegen nicht ein stärkerer Sturm der Entrüstung erhebt. In den vergangenen Jahrzehnten haben Globalisierung und die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU enorme Migrationsströme freigesetzt. Alleine im UK leben fast 4 Millionen Menschen, die aus der EU zugewandert sind. Sie machen den Einheimischen Konkurrenz und sind damit ein wesentlicher Faktor des Pro-Brexit Votums. Auf der anderen Seite fehlen sie in ihren Heimatländern, da meist gut ausgebildet und verursachen dort Probleme. Gut zu sehen an den 800.000 Menschen, die aus Polen in das UK übersiedelt sind.

Auch in Österreich hat diese inner-europäische Migration enorme Ausmaße angenommen. Für jeden sichtbar ist sie in Branchen wie etwa im Tourismus, Handel oder Baugewerbe, aber mittlerweile genauso stark in der Industrie und bei Wissensarbeitern zu beobachten.

Es handelt sich aber um unfreiwillige Wirtschaftsmigration, die innerhalb der Europäischen Union die bittere Ernte der Sparpolitik ist. Die große Mehrheit der Menschen aus Griechenland, Bulgarien, Spanien, Rumänien, Ungarn, Slowakei oder Polen tut dies, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt. Was sollten sie auch tun, ohne Perspektive bei sich zu Hause und angesichts der großen und immer weiter klaffenden Einkommensunterschiede zwischen den europäischen Ländern?

All das hat zur Entsolidarisierung beigetragen. Leistung soll sich lohnen und „Durchschummler“ müssen bestraft werden – solche ÖVP-Slogans werden von zu vielen Menschen geglaubt. Die Verarmung immer breiterer Schichten bremst allerdings das Wirtschaftswachstum und schadet damit allen, außer den Superreichen.

Fehlerhafte Gegenmodelle

Abstrakte Appelle an die Solidarität der Menschen scheitern bei einem immer größeren Teil. Oft auch deshalb, da sich die eigenen Lebensumstände in den vergangenen 20 Jahren deutlich verändert haben: Mac-Jobs sind immer mehr zur Normalität geworden und Ein-Personen-Unternehmen oft der Ausweg nach einer Kündigung oder über 50. Nach Angaben der Wirtschaftskammer gab es per Ende 2016 bereits über 305.000 EPUs.

Sozialleistungen werden in der Regel aus dem Steuertopf bezahlt, somit zu einem wachsenden Anteil aus den Steuern der Arbeitnehmer, EPUs und kleinsten Unternehmen. In einer Situation, wo es bereits zu Entsolidarisierung durch geänderte Arbeitsverhältnisse gekommen ist, fügt dies ein neues Element der Spaltung hinzu und  bereitet den Weg für die asozialen Programme der türkischblauen Regierung.

Grundeinkommen als Dividende von Unternehmen

Ein anderes Modell, das diese Probleme vermeidet wird von der DiEM25 Bewegung propagiert. Kurz gesagt geht es darum, dass ein ‚Bedingungsloses Grundeinkommen‘ in Form einer universalen Dividende von den Unternehmen bezahlt wird. Das ist auch insofern ein faires Modell, als immer größere Teile der Wertschöpfung sich von bezahlter Arbeit hin zu unbezahlter und freiwilliger verlegen. Wenn wir in Facebook posten, eine Abfrage bei Google oder Microsoft tätigen, so schaffen wir Wert, Umsatz und Gewinn für diese Konzerne.

Aber noch mehr als das. Nehmen wir ein Smartphone, sei es ein iPhone, Samsung, Sony, was auch immer. Die meisten Technologien wurden durch öffentliche Mittel bereitgestellt, erforscht und entwickelt. Das Kapital, mit dem diese neuen Produkte entstehen, wird also sozial produziert.

In den vergangenen zwei bis drei Jahren ist durch technologische Innovation und künstliche Intelligenz noch eine Entwicklung sichtbar geworden, die zu einer ernsthaften Herausforderung  wird. Wenn Roboter, und allgemein durch künstliche Intelligenz ermächtigte Maschinen den so genannten Turing-Test(1) bestehen,dann kann man sich vorstellen, welche Auswirkungen das auf die Beschäftigung innerhalb des Kapitalismus haben wird. Das heißt wir erreichen eine Phase, in der man den Telefonhörer abnimmt, wenn man seine Bank anruft, oder ein Restaurant, um eine Bestellung aufzugeben, und nicht unterscheiden kann, ob es sich beim Gesprächspartner um eine Maschine oder einen Menschen handelt, weil sie ähnlich klingen und auf ähnliche Art mit einem kommunizieren.

In den 1970er und 1980er Jahren, fand eine Verlagerung der Beschäftigung von der Industrie in den Dienstleistungssektor statt – zu Banken, Supermärkten, Restaurants – sobald Maschinen den Turing-Test (schamtisches Bild oben) bestehen, werden zum ersten Mal in der Geschichte des Kapitalismus weitaus mehr Arbeitsplätze durch Technologie zerstört als geschaffen. Es wird also eine massive Reduktion der Gesamtnachfrage geben.

Es ist eindeutig, dass die durch Maschinen generierten Einnahmen, verteilt werden müssen. Wir brauchen also ein universelles Grundeinkommen, aber nicht eines, das durch Steuern finanziert wird. Wir müssen die Renditen aus Kapital und Automatisierung effektiv nutzen und in der Gesellschaft verteilen.

Die Kapitalisten, die Eigentümer dieser Gesellschaften sind, haben nicht mehr das Recht, die Kapitalrenditen zu beanspruchen, weil sie dieses Kapital nicht produziert haben; es wurde durch den Staat produziert, es wurde durch die Öffentlichkeit produziert, es wurde „(ge-)crowd-sourced“. Also müssen wir die Kapitalrenditen sozialisieren, und das ist keine Besteuerung.

Effektiv heißt es, dass ein Teil der Eigentumsrechte an den Kapitalrenditen oder die Eigentumsrechte eines Segments der Kapitalrenditen in einen Sozialfonds, einen Sozialhilfefonds oder einen Vermögensfonds fließen müssen, von dem jedem eine Dividende ausgezahlt wird, als seien wir Teilhaber – denn wir sind Teilhaber von künstlicher Intelligenz, oder sollten es sein.

Das ist die grundlegende Unterscheidung: eine universelle Grunddividende zu finanzieren – aber nicht aus Steuern, sondern aus der Kapitalrendite – und das ist die Position von DiEM25.

(1) Turing-Test: Mit dem später sogenannten Turing-Test formulierte Alan Turing 1950 eine Idee, wie man feststellen könnte, ob ein Computer, also eine Maschine, ein dem Menschen gleichwertiges Denkvermögen hätte. Dieser Test war zunächst nur eine theoretische Skizze, die erst später, nachdem die Künstliche Intelligenz als Teilbereich der Informatik zu einem eigenständigen akademischen Fachgebiet geworden war, genauer und konkreter ausformuliert wurde.
Im Zuge dieses Tests führt ein menschlicher Fragesteller über eine Tastatur und einen Bildschirm ohne Sicht- und Hörkontakt mit zwei ihm unbekannten Gesprächspartnern eine Unterhaltung. Der eine Gesprächspartner ist ein Mensch, der andere eine Maschine. Beide versuchen, den Fragesteller davon zu überzeugen, dass sie denkende Menschen sind. Wenn der Fragesteller nach der intensiven Befragung nicht klar sagen kann, welcher von beiden die Maschine ist, hat die Maschine den Turing-Test bestanden, und es wird der Maschine ein dem Menschen ebenbürtiges Denkvermögen unterstellt.

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