Der lange Marsch zur Multipolarität

15. März 2023von 3,8 Minuten Lesezeit

Für einen der wichtigsten ökonomischen Berater Wladimir Putins ist die multipolare Weltordnung keineswegs ausgemacht. Der Weg wird stattdessen schwierig und steinig. Die aktuelle Ordnung fällt mit dem Dollar. 

Es ist die größere Bedeutung des Ukraine-Krieges: der Kampf um die Multipolarität. Nach fast 35 Jahren in denen die USA im Alleingang und quasi autonom die Weltpolitik und Ökonomie bestimmen konnten, wird, angeführt von China und Russland, an dieser Ordnung gerüttelt.

Ökonomie, Dollar und Macht

Die Zeichen dieser möglichen neuen Ordnung sind inzwischen deutlich zu sehen: die steigenden Spannungen zwischen den USA und China; chinesische Diplomatie, etwa im Nahen Osten; das neue Selbstbewusstsein afrikanischer Politiker. Doch der Weg zu dieser neuen Ordnung hat gerade erst begonnen, und es ist keineswegs ausgemacht, dass diese tatsächlich kommt. Sergey Glazyev ist einer der wichtigsten Ökonomen Russlands und gilt als enger Berater Putins. In einem Gespräch mit Pepe Escobar sieht er den Weg zur Multipolarität als „lang und steinig“ an.

Im Gebäude der „Eurasischen Wirtschaftskommission“ (EWG) habe Glazyev den anti-imperialistischen Journalisten Escobar empfangen. Symbolisch: Die EWG sei eine der „wichtigsten Knotenpunkte der entstehenden multipolaren Welt“, schreibt Escobar. Die Organisation wird von Russland, Belarus, Kasachstan, Kirgisistan und Armenien gebildet und versucht aktuell eine Reihe von Freihandelsabkommen mit asiatischen Staaten abzuschließen.

Das Gespräch, so Escobar, sei „ungekünstelt, frei und direkt auf Punkt gebracht“, die Aussagen zur Multipolarität seien jedoch „ernüchternd – und in der Tat realpolitisch begründet“ gewesen.

China profitiere auf vielen Ebenen vom Krieg in der Ukraine. Peking könne günstig russisches Öl und Gas kaufen und sei deshalb auch (zumindest noch) nicht von den USA, der EU sanktioniert. Die geplante Pipeline Power of Siberia II mit der Russland die Energiegeschäfte mit der EU ausgleichen will, wird noch Jahre dauern.

Glazyev, der in der Ukraine geboren wurde, sagte, dass es politischen Willen Russlands brauche, um den Dollar weiter unter Druck zu setzen. Dies dürfte der einzige Weg sein. Da sei auch die EWG gefordert. Und auch innerhalb der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit würden solche Pläne entwickelt werden, „doch die Hindernisse könnten nicht größer sein“. Es bräuchte gemeinsame Anstrengungen von Russland, China, Indien und dem Iran, der bald Vollmitglied in der Organisation werden dürfte. Bis dahin werde der bilaterale Handel in eigenen Währungen zunehmen. Das sei realistisch.

Russland käme beim Aufbau eines neuen globalen Finanzsystems keine führende Rolle zu – auch aufgrund der Sanktionen. Diese Rolle käme China zu, weshalb auch eine Teilung der Welt „unvermeidlich“ erscheint: Eine Dollar-Zone, die auch die Eurozone einverleibt behält und auf der anderen Seite China und der globale Süden, die auf eine neue Handelswährung setzen. Wird sie digitales Zentralbankgeld sein? Escobar gibt sich bei diesem Thema unkritisch.

Escobar abschließend:

„Deshalb ist Xis Besuch in Moskau nächste Woche so wichtig. Die Führungen Moskaus und Pekings scheinen sich des von Washington geführten hybriden Zweifrontenkriegs bewusst zu sein.

Das bedeutet, dass die strategische Partnerschaft der beiden Konkurrenten – das ultimative Anathema für das von den USA geführte Imperium – nur dann gedeihen kann, wenn sie gemeinsam ein ganzes Bündel von Maßnahmen ergreifen: vom Einsatz von Soft Power bis hin zur Vertiefung von Handel und Gewerbe in ihren eigenen Währungen, einem Währungskorb und einer neuen Reservewährung, die keine Geisel des Bretton-Woods-Systems ist, das den westlichen Finanzkapitalismus legitimiert.“

Der russischen Zentralbank käme eine entscheidende Rolle zu, die Russland bisher zu wenig verstanden hätte, wiederholte Glazyev seine Kritik. Die Motive der Zentralbank würde „ernsthafte Fragen“ aufwerfen, auch Putin habe keine Reform unternommen. In diesem Zusammenhang stünden auch die weiter mächtigen Oligarchen, die „vom Kreml nicht aus dem Weg geräumt wurden“. Sie verfolgen traditionell eine „amerikanische Logik“.

Solange es keine solche Reform gebe, würde eine neue Leitwährung auf unüberwindbare Hürden stoßen. Und auch für China, dessen Wirtschaft noch stärker mit dem globalen Finanzsystem verflochten ist, sei der Schritt steinig und schwierig. Doch die Chinesen „könnten auf neue Ideen kommen“. Der nächste große Termin sei der Besuch von Xi Jinping am 21. März in Moskau. Das werde zu einem „neuen Impuls“ führen, denn Putin werde ausführlich mit Xi sprechen.

Bild Bablu Miah, Painting “The New World Order is the Enemy of Humanity”CC BY 2.0

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11 Kommentare

  1. Jurgen 16. März 2023 at 10:14

    “Der lange Marsch”? Das halte ich für ein Gerücht! Das kommt schneller, als einem lieb sein kann. Die Änderungen am Völkerrecht sind jedenfalls schon durch… wer immer noch die Haftung zur juristischen Person mit seinem Namen für Steuern und Zwangsbeiträge übernimmt, ist wohl selbst schuld. Die Obrigkeit in der Bundesrepublik muss erst einmal beweisen, dass es so noch weiterhin gilt. Alle vor 2012 abgeschlossenen Verträge (Ausweis) könnten schon längst hinfällig sein.

  2. Mammalina 16. März 2023 at 8:02

    Auch Putin will das digitale Zentralbankgeld einführen, ob aus der Überzeugung heraus, dass kein Weg daran vorbeiführt, oder auf Druck der russischen Oligarchen – wer weiß? Letztlich läuft es überall in der Welt darauf hinaus, dass die Menschheit immer mehr versklavt werden wird.

  3. therMOnukular 16. März 2023 at 1:07

    So kann man es natürlich sehen, ist sicher ein Teil des Ganzen. Man kann es aber auch von anderer Position aus betrachten:

    Die Katze ist kein “Quantenphänomen” mehr, die Kiste steht offen und man sieht eindeutig, die Katze ist tot.
    Die USA und mit ihr der Westen haben ihre “Masche” zu oft angewandt, der Rest der Welt kennt nun die hohlen Löcher hinter den wohlklingenden Phrasen von Freiheit und Demokratie. Es haben sich bessere Alternativen aufgetan, G7 wurden bereits von BRICS an Wirtschaftsleistung überholt, und so werden sich mehr und mehr Länder umorientieren.

    Die USA und der Westen werden das mit ihren taktischen Gemeinheiten sicherlich hinauszögern können – sie verfestigen aber damit lediglich das Bild, das diese Entwicklung erst ausgelöst hat. Zu offensichtlich, dass es keinem der Länder hinterher besser geht, nachdem wir ihnen die “Demokratie” brachten. Die westlich-moralische Missionierung der Welt ist längst an ihrer Amoral gescheitert.

    Daher lehne ich mich mal aus dem Fenster und sage voraus, dass ich es noch erleben werde, wie US-Militärbasen rund um die Welt gestürmt/verwüstet werden. Gibt ja genug davon. Für Pearl Harbor bräuchte China heutzutage nicht einmal mehr ein einziges Schiff in Bewegung setzen…..

  4. Wilfried 15. März 2023 at 22:56

    Eurasien (China -Indien – Indonesien – Russland etc) hat:

    Ca. 4 Milliarden (!) Menschen
    der „Westen“ (USA/EU/Kanada/) hat nur 0,5 Milliarden Bewohner

    Eurasien besitzt 70 Prozent der fossilen Rohstoffe – der Westen nur ein Viertel davon

    Eurasien hat riesiges Wirtschaftswachstum vor sich

    Der Westen ist ein „Altersheim“ samt kulturellen Zerfallserscheinungen und „moralischem Alzheimer“

    In Eurasien kehrt absolute Spitzentechnologie ein und junge
    Universitätsabsolventen wollen im hohen Ausmaß unbedingt „ ihr Land nach oben bzw. nach vorne. bringen“……

    DAS WICHTIGSTE aber ist:
    In Eurasien war das gesamt-BIP
    im Jahr 1990 bei ca. 34 Prozent der gesamten Weltwirtschsftsleistung

    Im Jahr 2020 hatte Eurasien
    schon über 70 (!!) Prozent am gesamten weltweiten Wirtschaftsanteil – also fast Verdopplung in 30 Jahren !

    Noch Fragen – wer die neue Nr. 1 der Welt ist ?!!

    Das der Westen die Nr.1 in der Welt (in erster Linie mit seinen ca. 800 US-Militärbasen plus Dollar-Weltwährung in der gesamten Welt) nicht und nicht hergeben will

    vergrößert massiv die Weltkriegsgefahr und die inszenierten Dauerkrisen-und
    künstliche – hirnrissige Angstmacherei bei uns…

    Da müssen wir „durch“…
    Ob es uns passt oder nicht…

    „Ziehen wir uns warm an“ – fassen Mut und setzen wir uns friedlich für unser Heimatland ein !

  5. Heiko 15. März 2023 at 20:24

    Im Gegensatz zum Autor dieses Textes haben sowohl Putin als auch Xi den Marxismus-Leninismus studiert und offensichtlich verstanden. Der Weg zur Multipolarität ist nur ein Synonym für den endgültigen Niedergang des Kapitalismus, was man aber so nicht sagen kann, da es im Westen niemand versteht.

  6. borisondrasik 15. März 2023 at 18:49

    Wenn China und Russland auch mit Indien und Südamerika gemeinsam gegen USA Hegemonie agieren, wird es auf der Welt besser.

  7. federkiel 15. März 2023 at 16:54

    Bretton Woods ist schon längst durch Fiat Money ersetzt.

  8. G. Kanten 15. März 2023 at 16:16

    Die halbe Welt ist bereits verseucht. Für den Rest wird bereits seit drei Jahren weiter gesorgt. Der Mensch ist bedauerlich nicht genügsam und erstickt an seine Gier.

  9. Horst Kellner 15. März 2023 at 16:12

    Liest hier eigentlich jemand Korrektur? So viele Fehler machen das Lesen wirklich mühsam…

    • Thomas Oysmüller 15. März 2023 at 19:22

      Verzeihung, wurde jetzt erledigt.

      • therMOnukular 15. März 2023 at 23:22

        Hm, wirklich? Wie sah das bloß vorher aus?…..;))

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