Massentest mit Antigen-Schnelltest – bis zu 160.000 falsch-positive Ergebnisse zu erwarten

26. November 2020von 3,6 Minuten Lesezeit

Nach dem Vorbild der Slowakei will der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz 8 Millionen Menschen in Österreich am Ende des Lockdown testen lassen. Einem Leak zufolge wurde dafür der Antigen Schnelltest der Firma Roche um etwa 31 Millionen Euro gekauft. Ein Desaster scheint vorprogrammiert.

Wiens Gesundheitsstadtrat Hacker zeigt sich skeptisch über die Möglichkeiten der Durchführung. Und man kann seine Skepsis durchaus nachvollziehen. Auf der Webseite des deutschen Robert Koch Instituts RKI gibt es eine Veröffentlichung unter dem Titel Corona-Schnelltest-Ergebnisse verstehen.

Das RKI beschreibt hier zwei Szenarien, nämlich mit 5 oder 1.000 Infizierten von jeweils 10.0000 Getesteten. Die Sensitivität (Genauigkeit der Erkennung von Infektion) wird mit 80% angenommen, die Spezifität, also wie genau nicht infizierte als solche erkannt werden, mit 98%. Demnach wären bei 5 pro 10.000 nur 1,9% der positiv Getesteten tatsächlich infiziert, aber 98,1% hätten ein falsch-positives Ergebnis und müssten entweder direkt in Quarantäne oder nachgetestet werden.

Die Wahrscheinlichkeit eines positiven Ergebnisses liegt bei 2,04%, das wären 163.200 Menschen bei 8 Millionen Getesteten, was die Regierung als Ziel in Österreich angegeben hat. Diese müssten also per PCR-Test nochmal überprüft werden. In Österreich dürften derzeit 30.000 Tests pro Tag durchgeführt werden, es würde also länger als 5 Tage dauern alle durchzutesten um herauszufiltern, wer tatsächlich infiziert ist. In diesem Szenario wären es etwa 3.100 von den 163.200, während 160.100 falsch-positiv sind.

In einem zweiten Szenario wollen wir uns ansehen, wie das Ergebnis wäre, wenn doppelt so viele, also 1 pro 1.000 oder insgesamt 8.000 Personen tatsächlich infiziert wären. An der Wahrscheinlichkeit eines positiven Ergebnisses ändert sich wenig, die Wahrscheinlichkeit steigt auf 2,07%, das wären also dann 163.760 positive. Davon sind noch immer 96,15% falsch-positiv, das sind 157.455, bei denen per PCR-Test eine Quarantäne zu vermeiden wäre. Wieder ist der Testaufwand enorm und sicher nicht in der gebotenen kurzen Zeit zu bewältigen.

Die Spezifikationen von Roche

Bisher ist die Rechnung mit den Annahmen des RKI durchgeführt worden. Auf der Webseite von Roche finden sich als Angaben für die Sensitivtät des Tests 96,52% und eine Spezifität von recht hohen 99,68%. Das sind unter optimalen Bedingungen von bestens ausgebildeten Fachleuten erzielte Werte. Bei einem Massentest, wo Angelernte unter Zeitdruck und über längere Zeit zu arbeiten haben, sind diese Werte nicht erzielbar und Fehler und Ungenauigkeiten unvermeidbar, die Annahmen des RKI daher wahrscheinlich etwas realistischer. Aber lasst uns trotzdem die Ergebnis wieder für beide Prävalenzen betrachten.

Bei 5 unter 10.000 erhalten wir nur mehr 0,4% positive Ergebnisse, das wären also etwa 32.000 Personen von denen 87,8% ein falsches Ergebnis erhalten haben, also noch immer ein extrem hoher Anteil von 28.096 Personen. Bei 1 unter 1.000 bekommen wir 0,44% positive Ergebnisse oder 35.200, mit 78,3% falsch-positiven oder 27.561 Personen.

Szenario mit 1% Infektionen

Noch ein letztes Szenario: 1 von 100 Personen mit nachweisbaren Viren oder Fragmenten davon. Dann bekommen wir mit der Roche-Genauigkeit 104.000 positive Ergebnisse, von denen 26% oder 27.040 falsch-positiv sind. Mit den Annahmen des RKI für die Genauigkeit von 80% Sensitivität und 98% Spezifität haben wir 2,8% oder 224.000 positive Ergebnisse zu erwarten, von denen wieder 71,2% oder 159.488 falsch-positiv sind.

Fassen wir zusammen: Es sind je nach Anteil der Infizierten in der Bevölkerung zwischen 5 von 10.000 und 1 von 100 und je nach Genauigkeit des Tests zwischen 32.000 und 224.000 positive Ergebnissen zu erwarten, die alle nachgetestet werden müssen. Davon sind zwischen 26 und 98 Prozent falsch-positive Ergebnisse zu finden und zwar im schlechtesten Fall 160.100 Fälle.

Anteile der falsch-negativen

Mit den RKI Genauigkeiten können bei dem hohen Anteil von 1 unter 100 immerhin 16.000 Infizierte übersehen und als falsch-negativ getestet werden. Mit der hohen Genauigkeit, die die Firma Roche angibt, waren es noch immer 2800, die man übersehen hat.

Allerdings handelt es sich dabei mit einiger Sicherheit um Personen ohne Symptome. Nach einer sehr ausführlichen in Nature veröffentlichten Studie bei 10 Millionen Menschen in Wuhan wurde aber keine Ansteckung durch Personen ohne Symptome beobachtet. So gesehen ist allerdings der komplette Massentests völlig sinnlos und es wäre besser sich auf Menschen mit Symptome und die Risikogruppen zu konzentrieren.

Ein Gewinner steht jedenfalls bereits jetzt fest: die Firma Roche.

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