Mit Exoten Landwirtschaft betreiben – Teil 7 der Mikro-Perspektive

7. April 2024von 9,5 Minuten Lesezeit

Wenn Milch, Getreide, Rinder- oder Schweinzucht sich nicht sinnvoll oder wirtschaftlich betreiben lassen, suchen Bauern nach Alternativen. Drei Alternativen gibt es bei uns im Dorf.

Nicht wirklich alternativ sind Schafe, wobei sie im Dorf noch selten zu sehen sind. Auch bei unserem Geflügelbauern bekommt man lokal vertrautes Geflügel. Ungewöhnlich sind die Alpakas, die ich bis mein Nachbar damit anfing, nur aus Bolivien und Chile kannte. Aber eins nach dem anderen.

Schafe als Alternative zu Rindern

Nicht sehr exotisch, aber bei mir im Dorf eben nur wenig vertreten, sind Schafe. Von dem von mir befragten Schafbauern erfuhr ich, dass die Futterkosten so dramatisch gestiegen sind, dass er 2023 mehrere tausend Euro Verlust gemacht hat. Dabei sind Abschreibungen und Investitionen in Stall oder Maschinenpark noch nicht einberechnet – von der Arbeit ganz zu schweigen.

Dabei sah die Entwicklung bei der Hofübergabe zunächst recht positiv aus. Es blieb immer ausreichend über, auch wenn der Hof schon seit Jahren im Nebenerwerb betrieben wurde. Die Mutter des jetzigen Bauern war Betriebsführerin, alle „halfen z’samm“ und „schupften“ die kleine Landwirtschaft, bei der es Mutterkuh-Haltung und Milch gab, gemeinsam. Aufgrund der zu geringen Milchmenge wurde der Hof seitens der Molkerei dann aber nicht mehr angefahren. Man hätte den Milch-Container mehrere hundert Meter zum Nachbarn bringen müssen – ein Aufwand, der in keinem Verhältnis zum Ertrag stand. Darum stellten Vater und Sohn noch gemeinsam auf Schafzucht um, was – im Gegensatz zu Hirschgehegen – von der Landwirtschaftskammer empfohlen wurde. Es hieß, dass Schafe auch für ältere Menschen handhabbar wären, eine Aussage, die sich aus Sicht des heutigen Altbauers so nicht bestätigen lässt. Auch Schafe sorgen für harte Arbeit.

Der Absatz ist aufgrund der Nachfrage nach Lammfleisch gut, insbesondere der Zuzug von Muslimen hat diesen in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Die Preise seien – nicht zuletzt aufgrund des billigen Neuseeland-Lammes – zwar o.k., aber immer noch zu niedrig. Der Verkauf erfolgt hauptsächlich an den Schlachthof, der entsprechend auf den Preis drückt. Kleinere Mengen Fleisch, aber auch Wurst und Speck, werden ab Hof verkauft. Durch die Zusatzkosten für Schlachtung, Beschau, Zerlegen und Wurstherstellung bleibt allerdings auch nicht signifikant mehr im Geldbeutel.

Die Felle bleiben gleich in der Schlachterei, der Verkauf von Lammfellen ist inzwischen völlig unrentabel geworden. Bei Preisen zwischen 30 und 50 Euro im Online-Handel wären nicht mal die Kosten von 70 bis 80 Euro für das Gerben finanziert, von Hinbringen und Abholen der einzelnen Felle mal ganz abgesehen. Und es sind wie eingangs erwähnt die Kosten, die dem kleinen Betrieb zu schaffen machen.

Obwohl man teilweise eigenes Futter hat, haben sich auch die Kosten für dessen Produktion mehr als verdoppelt. Während früher die Herstellung eines Silage-Balls mit rund 12 Euro zu Buche schlug, sind es jetzt 25 Euro. Das Pressen, die Folie und natürlich auch der Diesel sind entsprechend teuer geworden. Wenigstens Stroh muss man keines kaufen, da man mit einem Getreidebauern ein entsprechendes Abkommen hat.

Obwohl die gesamte Familie mitarbeitet – selbst der Nachwuchs ist mit knapp neun Jahren auf eigenen Wunsch schon sehr aktiv mit dabei: Diese Kosten lassen sich nicht kompensieren. Es macht keinen Spaß, auf Urlaub und Freizeit zu verzichten und letztlich Tag für Tag für nichts zu arbeiten.

Der jetzige Bauer will sich das noch ein Jahr anschauen. Ändert sich nichts, wird er ein paar Schafe der freilaufenden, alten Rasse für den Eigenverbrauch behalten und das eigene Grünfutter weiterverkaufen. Mit den Einnahmen aus dem Grünfutter sind Sozialversicherung und Grundkosten des Hauses gedeckt. Er muss nicht mehr sonn- und feiertags arbeiten, hat mehr Zeit für die Familie und damit mehr Lebensqualität. Bei allem Idealismus – Bauern sind keine Idioten.

Freilaufende Gänse sind nicht zu überhören

Nicht nur Gänse, auch Puten und Enten werden bei uns seit 10 Jahren freilaufend gezüchtet. Diese sind fast in Bio-Qualität, da keine Spritzmittel oder Kunstdünger verwendet werden und die Tiere viel Gras fressen. Aber das Zukauffutter ist nicht bio und der Bauer, der den Hof auch als Beschäftigung in der Pension erworben hat, möchte sich nicht mit den komplizierten Formularen auseinandersetzen. Aber zumindest haben die Tiere ein schönes Leben bis zur Schlachtung, was sie an den beiden kleinen Teichen, die man auf dem Gelände sieht, sichtbar genießen. Nebenbei füttert er noch ein paar Schafe, die er vom bereits erwähnten Schafbauern übernimmt.

Wie wichtig die bei uns im Dorf immer noch vorherrschende gute Qualität der Böden ist, weiß er durch den Vergleich mit dem Eferdinger Becken, wo viel Salat angebaut, aber auch viel gespritzt wird. Im Gegensatz zu seinen Nachbarn dort sind in seinem Garten ständig Spatzen zu finden, die sich über seine wenigen Salatpflanzen hermachen. Vögel wissen, was gut ist.

Sein Bruder, mit dem er zusammenarbeitet, hat einen großen Geflügelzucht- und EU-zertifizierten Schlachtbetrieb. Zu hoch sind die Auflagen, um alles am eigenen Hof erledigen zu können. Ein EU-zertifizierter Schlachtraum, Maschinen für die Rupfung, Personal – all das ist für einen Kleinbetrieb nicht umsetzbar.

Die Freilandhaltung birgt aber auch Nachteile für den Bauern – und das aus ganz natürlichen Gründen. Allein im vergangenen Jahr haben Marder und Habichte 50 Enten und Gänse geschlagen. Im Gegensatz zu mir, der ein Habicht letztes Jahr auch eine Henne genommen hat, kann er aufgrund der Größe der Fläche keine Netze spannen. Eine Vogelscheuche und eine blinkende Baustellenleuchte sollen hier jetzt Abhilfe schaffen, um weitere Verluste zu vermeiden.

Die wirtschaftliche Situation hat sich für den Bauern, der das Ganze als Pensionist nebenbei beitreibt, insbesondere 2023 deutlich verschlechtert. Die Kosten für die Küken sind massiv gestiegen, das Futter – Maisbruch, Hafer und Weizen – hat sich um 50% verteuert. Der Elektro-Zaun benötigt Strom, der Traktor Diesel – deren Entwicklung kennt jeder Verbraucher.

Die Preise wurden erhöht, sie decken aber immer noch nicht den Kostenanstieg ab. Er beobachtet, dass viele Wirte jetzt – wohl notgedrungen – mehr auf Billigware aus dem Ausland setzen, wo deutlich billiger, aber auch deutlich weniger tierwohl-orientiert gearbeitet wird.

Dieses Fleisch ist so billig, dass es vielen zunehmend schwerer fällt, nicht zuzugreifen, um sich das traditionelle Martini-Ganserl oder die Weihnachtsgans noch leisten zu können. Darum kann der Direktverkauf die Preise nicht so weit hochfahren, dass sie kostendeckend sind. Ich gestehe, auch ich habe letztes Jahr leicht gezuckt, als er mir den Preis für meine jährliche Gans nannte, die dieses Jahr auch noch ungewöhnlich groß ausfiel.

Er moniert mehrfach die Laxheit der Kontrollen im Ausland und die „Wertschöpfungskette“ im Bereich Geflügel. Internationale Eierproduzenten, die alle Tipps und Tricks in Richtung Subventionierung beherrschen, machen aus einjährigen Hühnern Suppenhühner, die nach Afrika verschifft werden und die lokalen Hühnerbauern dort noch tiefer in den Ruin stürzen.

Die international produzierten Eier entsprächen auch häufig nicht den Qualitätsstandards, die bei uns dank intensiver Kontrollen herrschten, aber das ließe sich bei importiertem Eiweiß und Eigelb und den daraus erzeugten Nahrungsmitteln kaum feststellen.

Mit den amtstierärztlichen Kontrollen hat er wenig Probleme, da alle Tiere freilaufend gehalten werden und keine Stallungen zu bemängeln sind. Nur bei Geflügelpest oder ähnlichen Krankheiten, bei denen Stallhaltung zwangsweise vorgeschrieben wird, hätte er ein großes Problem, da käme es vermutlich zu Notschlachtungen.

Der „Gewinn“ fällt allerdings eher mager aus. Rechnet er Arbeitszeit und Maschinen dazu, ist es eigentlich nur noch ein Hobby, das von einem Idealisten ausgeübt, aber von seiner Ehefrau geteilt wird. Was er vermeiden möchte ist, dass er noch aus seiner Pension zuzahlen muss. Bei all den Schwierigkeiten: Selbst mit 71 Jahren ist er noch begeisterter Bauer, der sich freut, dass seine Familie, Freunde und Nachbarn wie ich von der Qualität begeistert sind und unsere lokalen Wirtshäuser ebenso gerne auf seine Produkte zurückgreifen, weil sie deren Qualität zu schätzen wissen.

Österreichs Alpakabauern werden mehr

Einer meiner „direkten“ Nachbarn betreibt seit einigen Jahren Alpaka-Zucht im Nebenerwerb. Er hat den relativ kleinen Grund, der jahrelang verpachtet war, und auch etwas Wald von den Eltern übernommen und sich damit einen längst vergessenen Jugendtraum erfüllt.

Früher hatten die Großeltern noch ein paar Kühe und der Opa zusätzlich noch einen Nebenjob. Als die Pachtverträge ausliefen, hat er nach etwas Sinnvollem gesucht, das man auf der kleinen Fläche nebenbei – ohne große Investitionen und Aufwand – betreiben kann, um den Grund nicht verkommen zu lassen.

Alpakas bedeuten zwar im Ankauf auch eine vergleichsweise hohe Anfangsinvestition, aber wenn man wie mein Nachbar mit wenigen Tieren und etwas Geduld anfängt, kann nach einigen Jahren eine stattliche Herde zusammenkommen. Die derzeit 30 Tiere – 8 Hengste, 22 Stuten – werden oft von Wanderern bestaunt.

Alpakas sind bei uns noch eine Rarität, die Produkte lassen sich daher auf unseren Regionalmärkten gut vermarkten. Aber auch die Tiere selbst lassen sich vergleichsweise leicht an Interessierte weiterverkaufen, wie ich zu meinem Erstaunen erfuhr. Mein Nachbar erzählt, dass er einen Alpaka-Züchter kennt, der im Vollerwerb wohl gut davon leben kann.

Die Alpaka-Wolle ist hochwertig wie Kaschmir- oder Merino-Wolle. Er selbst lässt Decken und Filzeinlagen aus ihrer Rohwolle fertigen, die er teilweise auch direkt verkauft. Die Herstellung von Strickwolle rechnet sich nicht, da diese ca. doppelt so teuer ist wie vergleichbare Fairtrade-Produkte aus Peru.

Der Verkauf von Zuchttieren lief interessanterweise während der Corona-Zeit hervorragend, hat jetzt aber wieder etwas nachgelassen. Die hochpreisigen und ausgesprochen freundlichen Tiere sind, vergleichbar wie Pferde, ein Luxusprodukt. Sie werden u. a. zum Spazierengehen und als Rasenmäher gekauft, für manch einen sind es auch einfach „Streicheltiere“.

Die Kostensituation ist in seinen Augen eher unkritisch. Neben der Sozialversicherung für Bauern, die er trotz Hauptberuf zahlen muss, kommen nur gelegentliche Tierarztbesuche, die jährliche Schur und einige Mineralstoffe dazu. Das Futter stammt bei ihnen fast komplett aus eigenem Anbau, nur in schweren Engerling-Jahren, wenn Wiesen kahlgefressen werden, muss er zukaufen. Die Tiere leben von Heu und Weidehaltung und sind, wenn sie wollen, rund ums Jahr draußen.

In puncto Tierwohl kann sich bei Alpakas wohl kaum eine Tierschutzorganisation echauffieren. Die sehr robusten Tiere stehen ganzjährig auf der Weide und kriegen ein Baby pro Jahr. Die klimatischen Bedingungen bei uns sind für die Tiere geeignet, ihr einziges „Leid“ ist der zehnminütige Stress der jährlichen Schur. Geschlachtet werden die Tiere nicht. Sie sterben alle eines natürlichen Todes, vermutlich weil Alpakas keine in der EU zertifizierten Schlachttiere sind.

Auch im Nebenerwerb bleibt bei der Alpaka-Zucht etwas übrig, reich wird man damit aber nicht. Insbesondere wenn man die laufenden Investitionen in Gebäude und Maschinenpark dazurechnet, aber das sind in der Landwirtschaft typische „Eh-da“-Kosten. Mein Nachbar macht es auch nicht, um reich zu werden, aber aus seiner Sicht bietet diese Tierart eine überlegenswerte Alternative zur Milchwirtschaft.

Holzwirtschaft ist dagegen keine Alternative. Aber dazu morgen mehr im letzten Artikel dieser Serie!

Bildquelle


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3 Kommentare

  1. Daisy 7. April 2024 at 9:35Antworten

    Bei uns draußen haben auch welche mit der Alpakazucht begonnen. Die Wolle ist sehr begehrt. Im Voralpenland hats immer auch Schafbauern gegeben. Mein Vater hat jedes Jahr ein oder zwei Lampln vom Bauer geholt, portioniert und in die TK-Truhe. Das war dann immer ein langes Palavern in der Bauernstum mit Most, Schafkäs und echtem Bauernbrot…ich liebe Lammfleisch! Heuer ist alles früh dran. Werde zum Praskac fahren. Die haben gute Fleischparadeiser usw..

  2. Michael 7. April 2024 at 9:07Antworten

    schon mal vorab vielen Dank für die Serie und die aufschlussreichen Berichte mit guten Einblicken

  3. Gabriele 7. April 2024 at 8:14Antworten

    Es gibt auch Bauern, die sehr erfolgreich Heilpflanzen anbauen…. müssen es unbedingt exotische Tiere sein? Muss man alles um jeden Preis „züchten“?
    Es gibt eine Menge Pflanzen, die für die Parfümerie- und Medizinindustrie sehr gefragt sind, aber darum will sich ja kaum jemand kümmern.

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