Die Lage der Bauern meines Dorfes im Überblick – Teil 2 der Mikro-Perspektive

2. April 2024von 10,7 Minuten Lesezeit

Wo stehen die Bauer in meinem Dorf? Dieser Artikel geht auf ein paar generelle Aspekte wie Förderungen, Bio vs. Konventionell, sowie die Qualitätsstandards in der Produktion ein, die in fast allen Gesprächen thematisiert wurden.  Allein mit dem Thema Förderungen könnte man ein Buch füllen.

Die Dieselförderung, deren angekündigter Wegfall in Deutschland zum „Bauernaufstand“ geführt hat, ist lt. meinen Gesprächspartnern in Österreich völlig vernachlässigbar. „Die ist eine Frechheit, die sie sich sonst wo hinstecken können, bei mir reicht der jährliche Förderbetrag gerade mal für eine halbe Tankfüllung“, so ein etwas erbosterer Kommentar dazu.

Es ist für alle nachvollziehbar, dass man im Rahmen der Straßennutzung über Steuern für deren Reparatur mitbezahlt. Allerdings fahren die meisten meiner Gesprächspartner fast ausschließlich auf eigenem Grund, da ihre Felder mehrheitlich rund um Haus und Stallungen liegen und Straßen bzw. Güterwege maximal überquert werden.

Die finanzielle Förderung der Landwirte sollte die Nachteile der österreichischen Bauern durch den EU-Beitritt ausgleichen. Soviel zur Theorie. Was aus Sicht meiner Gesprächspartner damit erreicht wird, ist, dass die Preise für österreichische Konsumenten nicht explodieren. „Nicht die Bauern werden gefördert, die Konsumenten und der Handel profitieren“ – das hörte ich von einigen der Fördergeldempfänger.

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Ausgleichszahlungen gibt es von Land, Bund und der EU. Einer der Befragten war froh, das Formularunwesen an seinen Sohn und seine juristisch ausgebildete Tochter ausgelagert zu haben. Jungen Menschen mit Büro-Job fällt der Formularkram, der auch fehleranfällig ist, doch um einiges leichter. Denn bei Fehlern kann es schnell zur Streichung von Förderungen kommen.

Die Förderungen, mit denen man seit 1995 die massiven Einkommensverluste der Bauern aufgrund des EU-Beitritts abfedern wollte, sind bei einem Bauern von damals bis heute um 35% gesunken, bei einem anderen um 40%. Eine Bäuerin berichtete, dass die Förderung allein von 2022 auf 2023 um 3.000 Euro weniger wurde.

Ein Bauer meinte, dass es alle 5 bis 7 Jahre neue Programme gibt, die aufwendiger sind, mehr Auflagen haben, aber dafür weniger Geld ausgeschüttet wird. „Wir wollen keine Förderungen. Wir wollen ehrliches Geld für unsere Arbeit. Gefördert wird doch letztlich nur der Preis für den Konsumenten.

Die Förderung für Bauern ist für mich nach den Gesprächen nicht durchschaubar, auch das Volumen, das sich in zahlreichen Budgets verbirgt, erschließt sich mir nicht. Eine Recherche würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Bei der Landwirtschaftskammer Österreich finde ich zum Thema Förderung u. a.: „Die Basiszahlung wird ab 2023 auf Grundlage der bewirtschafteten und beantragten Fläche gewährt. Insgesamt stehen für die Basiszahlung der Heimgutflächen etwa 483 Mio. Euro pro Jahr zur Verfügung. Davon werden etwa 71 Mio. Euro gezielt für kleinere und mittlere Betriebe verwendet.“ D. h. nur ein gutes Siebtel wird an die – in meinen Augen – wirklichen Bauern ausgeschüttet.

Bei der EU-Förderung sieht es nicht viel besser aus: Der „Standard“  schreibt dazu im Dezember 2022: „EU-Agrarförderung landet zu 80 Prozent bei Großbetrieben – In Österreich kassieren die obersten zehn Prozent mehr als die Hälfte der Subventionen. Die reformierte Förderpolitik soll das ändern – sie bringt aber auch neue Schlupflöcher.“

Lohnt sich Bio?

Aktuelle Zahlen zum Preis der Biomilch in Österreich habe ich mangels Login-Daten nicht erhalten. Bei „agrarheute“  konnte man im September 2023 lesen: „Die Biomilchpreise fallen von Monat zu Monat. Das hat verschiedene Gründe. Zu viel Biomilch und fallende Preise im Einzelhandel. Im Schnitt ging es seit Jahresbeginn jeden Monat um 1 bis 1,5 Cent nach unten. Kostendeckend sind die Preise – damals in Höhe von 54 Cent pro Liter schon lange nicht mehr.

Die Situation scheint sich auch nicht grundlegend zu bessern: „Knapp 56 Cent haben die Biobauern im Dezember für ihre Milch bekommen. Damit sind die Biomilchpreise seit Monaten relativ stabil und bewegen sich im Bundesmittel zwischen 54,5 und 56,6 Cent.

Der Mehraufwand, was Tierhaltung, Futter und Bearbeitung angeht, ist jedoch erheblich. Manche Bauern sind gerne bereit diesen zu leisten, wollen sich aber die komplizierte Formularbearbeitung und die teilweisen schikanösen Kontrollen nicht antun.

Die Preisgestaltung bei Bio – sofern man an den Handel liefert – ist aber genauso vom Käufer abhängig wie im konventionellen Anbau. Den Bauern wird beispielsweise vorgeschrieben, wieviel Mais sie abliefern dürfen, die Anbaufläche wird kontingentiert. Die Bauern erfahren aber nicht mal dann im Voraus, welchen Ertrag dieser Anbau am Jahresende einbringen wird. Dass der Erzeugerpreis für Bio-Mais durch die Anbauorganisation von 554 Euro in 2022 auf 320 Euro in 2023 die Tonne per Mitteilung runtergefahren wurde, macht deutlich, dass Bio-Landwirtschaft keine signifikante Verbesserung für die Bauern darstellt. Im Gegenteil.

Kritisiert werden die teilweise völlig sinnlosen Richtlinien, die laut Aussagen meiner Bio-Gesprächspartner auf die Anforderungen der Verbände und deren Einkommen, nicht aber auf das Wohl der Bauern oder der Tiere zugeschnitten sind. Als Beispiel wurde mir u. a. genannt, dass die Bio-Organisationen als Organisation Bio-Soja aus Brasilien beschaffen, der einzelne Bauer aber nicht aus Deutschland zukaufen dürfe, sonst würde er bestraft. Österreichische Bauern, die ihr Bio-Soja dann verkaufen wollten, fänden – bei Lagern, die mit brasilianischem Soja gefüllt sind – keinen Abnehmer.

Auch lebensverlängernde Tierhaltung in der Geflügelzucht führt zu Ärger und höherem administrativen Aufwand, weil diese nur mit Sondergenehmigungen möglich ist.

Das hat Konsequenzen, zwar noch nicht bei uns im Dorf, aber in der Bio-Bauernschaft allgemein. Wie mir ebenfalls erzählt wurde, seien allein 2023 im Raum Salzburg 200 Bio-Bauern aus dem Verband ausgetreten. Die Zahl selbst konnte ich nicht verifizieren, es wird jedoch berichtet, dass die Anzahl der Salzburger Betriebe, die zum Jahreswechsel „BIO“ verlassen haben, nicht weit von 10% entfernt ist.

Die meisten, die aufgrund der überbordenden Richtlinien Bio wieder verlassen, werden aber weiter bio arbeiten, weil es ihnen ein persönliches Anliegen ist. Sie verzichten nur auf das „Bio-Siegel“, das teilweise mit Vorgaben versehen sei, die weder dem Tierwohl noch der Lebensmittelqualität dienen, sondern von „Sesself…ern gestaltet worden wären, die noch nie einen Hof von innen gesehen haben“.

EU-Vorgaben, Qualitätsstandards und Wettbewerbsfähigkeit

Ob Tierwohl oder Lebensmittelqualität: Auch wenn offensichtlich nicht immer sinnvoll, erwecken die Standards in Österreich den Eindruck, hoch zu sein. Sie gelten aber vielfach nur für unsere Bauern und selbst dort nur bedingt.

Kritisiert wird von meinen Gesprächspartnern u.a. die sich in regelmäßigen Abständen ändernden Regeln seitens der EU. Auch wenn man nicht selbst betroffen ist, nennt man mir das Beispiel der Schweineställe. Während Spaltenböden vor 8 Jahren noch gefördert worden seien, gäbe es jetzt ein Verbot, das in wenigen Jahren zum Tragen kommt. Und das noch bevor der Kredit abbezahlt werden konnte, geschweige denn die Investition in diese Stallform sich bei vielen Bauern überhaupt rentiert hat.

Auch wenn meine Gesprächspartner durchweg akzeptieren, dass das Tierwohl heute eine höhere Rolle spielt als sie es noch von ihren Eltern oder Großeltern gelernt haben: Es bleibt unerklärlich, warum Spaltenböden noch überall verkauft und Fleisch aus Ländern importiert wird, in denen Tierwohl keinerlei Rolle spielt. Die Haltung von Schweinen in China, ein Land, aus dem auch Österreich Nahrungsmittel importiert, kann nur als Tier-Albtraum bezeichnet werden. Wie man einem Beitrag der Tagesschau von November 2023  entnehmen kann, leben dort die Schweine im Kastenstand von Zuchthochhäusern. Alle vier Monate dürfen sich die Sauen für etwa eine Stunde im fensterlosen Raum frei bewegen. Ansonsten sind sie im Kastenstand, haben gerade eben genug Platz zum Liegen.

Auch bei Rindfleisch gibt es weltweit die unterschiedlichsten Arbeitsweisen, Auflagen und Bestimmungen. Gentechnisch verändertes Futter ist bei uns – noch – nicht erlaubt, führe aber zu deutlich anderen Erträgen als bei uns.

Was der Verbraucher letztlich konsumiert, ob es sich um Fleisch oder Gemüse aus Österreich oder dem Ausland handelt, lässt sich anhand eines Labels wie „Hergestellt in Österreich“ nicht sicher erkennen, es komme auf die Wertschöpfungskette an wie man mir erzählt. Das wird seitens der Branche auch offen zugegeben.

Bei „Land schafft Leben“ erfährt man: „Hergestellt in Österreich“ ist eine freiwillige Angabe, die wie jegliche Form der Lebensmittelkennzeichnung laut Gesetz nicht irreführend sein darf. „Hergestellt in Österreich“ bedeutet, dass die Verarbeitung des Lebensmittels in Österreich erfolgt, die Rohstoffe müssen aber nicht aus Österreich sein.

Seit April 2020 gibt es strengere Vorschriften, nach denen zusätzlich auch das Ursprungsland oder der Herkunftsort der primären Zutat angegeben werden muss, wenn dieses oder dieser nicht mit dem angegebenen Ort des Lebensmittels identisch ist. … Es reicht hier zum Beispiel anzugeben „Erdbeeren aus EU und nicht-EU“ und das Produkt zusätzlich mit dem AMA-Gütesiegel zu kennzeichnen, wenn die verwendete Milch von österreichischen Kühen stammt. Das konkrete Ursprungsland muss nicht angegeben werden.

Als weiteres Beispiel wird mir die Käfighaltung genannt, die seit 2020 endgültig in Österreich verboten ist, was grundsätzlich von meinen Gesprächspartnern ebenfalls nicht kritisiert wird. Was diese jedoch massiv anprangern, ist der Import von Käfigeiern, die in Nudeln, Mayonnaise, Keksen und zahlreichen anderen Fertigprodukten verarbeitet werden. So sollen Lastwägen mit verarbeiteter Eimasse selbst noch aus der Ukraine und Rumänien in Österreich ankommen. Eine kurze Recherche bestätigt zwar nicht die Herkunftsländer, aber den Sachverhalt.

So schreibt „Vier Pfoten : Die meisten noch verwendeten Käfigeier werden von der Lebensmittelindustrie und dem Hotel- und Gaststättengewerbe verarbeitet. Meist sind es Käfigeier, denn sie sind billiger, und bei verarbeiteten Produkten müssen Hersteller nicht angeben, aus welcher Haltung die Eier stammen. Es fehlt auf Gesetzesebene eine verbindliche Kennzeichnung der verwendeten Eibestandteile. Im Gegensatz zu frischen Eiern können Verbraucher die Herkunft hier also nicht prüfen.

Nicht wirklich begeistert ist mancher meiner Gesprächspartner auch von Bio-Futter und Bio-Getreide aus der Ukraine, die – überraschenderweise – seit einiger Zeit den österreichischen Markt überschwemmen. Diese werden zu Preisen verkauft, zu denen österreichische Bauern nicht einmal produzieren können. Es ist für mich nachvollziehbar, dass einhellig vermutet wird, dass die dortige Qualität in der Produktion vermutlich „nicht ganz“ den österreichischen bzw. europäischen Standards für Bio entspricht, was zu einer weiteren Wettbewerbsverzerrung führt.

Die in der Ukraine – zunehmend von ausländischen Agrarkonzernen – bewirtschafteten Flächen unterscheiden sich auch „geringfügig“ von der Betriebsgröße in Österreich. Laut Aussage eines Bauern ist die in der Ukraine bewirtschaftete Fläche 40-mal größer als jene in Österreich, der Boden dank der auch Laien bekannten Schwarzerde aber um ein Vielfaches fruchtbarer. Schwarzerde-Böden gehören zu den besten Ackerböden der Welt, da sie locker, schön krümelig, humusreich, kalkhaltig und oft sehr tiefgründig sind. Niemand wundert sich daher, dass gerade die polnischen Bauern Sturm laufen.

Auch beim tierischen Mist gibt es offensichtlich erhebliche Unterschiede. So erfuhr ich, dass in Ländern wie Kanada, Russland oder der Ukraine die Gülle jederzeit in die Erde ausgebracht werden darf, während der österreichische Bauer diese bis zu acht Monate lagern muss, da die Zeit, diese auszubringen, streng reglementiert ist.

Was die Kontrolle der Einhaltung dieser und anderer Regeln und Auflagen angeht, sieht man erhebliche Unterschiede. Von fast täglichen KI-gestützten Kontrollen mit Drohnen wie in Deutschland, über regelmäßige Überflüge mit kleinen Flugzeugen, die das Gelände fotografieren, wie bei uns im Dorf, bis hin zum Verzicht auf Kontrolle mangels Mitarbeitern bzw. Kontrollinteresse, was im Osten Europas vermutet wird, ist die Bandbreite enorm. Böse gesagt: Österreichische Tierärzte lassen sich sicher nicht so leicht überzeugen ein Auge zuzudrücken, wie das in ärmeren Ländern Europas vermutlich möglich ist.

Und es gibt für alles eine Regel bzw. eine Vorgabe. So muss der Acker 30 Tage nach der Ernte wieder bestellt sein, nur 10% der Fläche können etwas länger warten. Die Termine, wann der Mist ausgebracht werden darf, werden genauso vorgegeben wie die Menge an Kunstdünger oder der Spritzmitteleinsatz – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Die Eigenständigkeit der Bauern wird zunehmend durch EU-Vorschriften ausgehöhlt, auch wenn manche gute landwirtschaftliche Praxis darstellen.

Manche Vorschriften lassen sich allerdings auch bei uns umgehen, wie ich erfahre. Wenn man als Bauer eine Selbstanzeige macht, weil man bestimmte Vorgaben nicht erfüllen kann, führt das unter Umständen zu keinerlei Konsequenzen seitens der Behörden. Ob unzureichende Liegeflächen oder fehlende bauliche Maßnahmen – solange man es selbst meldet, kann man einer Strafe entgehen. Diese kann drastisch ausfallen, wenn der gleiche Sachverhalt im Rahmen einer amtstierärztlichen Maßnahme aufgekommen wäre. Es gibt also nichts, was es nicht gibt.

Wer meint, dies alles sei absurd, der darf sich auf die Artikel der nächsten Tage freuen. Da werden die Absurditäten konkreter.

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4 Kommentare

  1. bruce pascal 3. April 2024 at 0:43Antworten

    Es sind EURE Politiker!
    Es sind EURE landwirtschaftliche Vereinigungen!
    Und es ist EURE EU !

    Aber nein!!! Gell? Ihr habt keinen Anteil daran… und ihr habt diese Leute auch nie gewählt, gell?

  2. Frühling 2. April 2024 at 20:44Antworten

    Guter Artikel. Die absurdesten Vorschriften für Bauern werden jedes Jahr noch „verfeinert“. Was dürfen sie eigentlich noch selbst bestimmen? Es wimmelt doch geradezu von Vorschriften und Verboten. Für freie und kreative Ideen bleibt null Platz. Das soll gut sein? Glaub ich nicht.

  3. JoeO 2. April 2024 at 17:30Antworten

    👍

  4. therMOnukular 2. April 2024 at 10:30Antworten

    „Und es gibt für alles eine Regel bzw. eine Vorgabe.“

    Das meinte ich….;))

    Danke für die Aufbereitung dieser Absurditäten. Das ist die allgemeine „Linie“, wie Staaten ihre Bevölkerung in die Abhängigkeit und Kontrolle treiben – und schließlich in den Ruin und Enteignung zu Gunsten der Konzerne. Das hat leider Methode.

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