Juristische Analyse der EU-Pläne für Zensur und Überwachung bestätigt Verletzung der Grundrechte

11. Mai 2023von 3,5 Minuten Lesezeit

Vor einiger Zeit hatte die EU mit der Datenschutzvorordnung DSGVO einige Hürden gegen Schnüffelei aufgerichtet. Gleichzeitig wird massiv daran gearbeitet alle Schutzmechanismen für die Privatsphäre der Menschen niederzureißen, die von der bürgerlichen Revolution und Bürgerrechtsaktivisten erkämpft worden waren. Als Vorwand dient in der Regel die angebliche Bekämpfung von Kinderpornografie, Geldwäsche oder ganz allgemein von Kriminalität.

Das geht meist Hand in Hand mit der geplanten Zensur wofür der sogenannte Digital Services Act (DSA) das Mittel zur Durchsetzung sein soll. Aber offenbar herrscht selbst in den juristischen Diensten wenig Freude mit den Plänen der Kommission.

Durchgesickerte Dokumente des Juristischen Dienstes des EU-Rates über die Rechtmäßigkeit eines Vorschlags, der als „Chat-Kontrolle“ bekannt ist (offiziell Child Sexual Abuse Regulation, CSAR), zeigen jedoch, dass es ähnlich wie bei der Vorratsdatenspeicherung von Telefondaten Widerstand gibt.

Wie der Anwalt für digitale Rechte und Mitglied des Europäischen Parlaments (MEP) Patrick Breyer aus Deutschland berichtet, hat der Dienst die Kommission gewarnt, dass ihre Idee wahrscheinlich gegen das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens verstößt – was bedeutet, dass der Europäische Gerichtshof sie wahrscheinlich für nichtig erklären würde.

Zusammengefasst schlägt das „Chat-Kontrollsystem“ vor, Anbieter von Chat-, Messaging-, Telefon- und E-Mail-Diensten zu zwingen, alle privaten Nachrichten auf der Suche nach illegalen Inhalten zu überprüfen und dann die Polizei zu informieren. Wir sehen, dass diese Art des Angriffs auf die Privatsphäre noch viel weiter geht als die Vorratsdatenspeicherung, die der EuGH gekippt hat.

Der juristische Dienst argumentiert auch in die Richtung, dass dies sehr leicht als allgemeine und anlasslose sowie permanente Überwachung interpretiert werden könnte, da der Plan einen „allgemeinen“ Zugriff auf jeden Bürger ermöglicht, einschließlich derjenigen, die laut der Analyse „nicht einmal im Entferntesten mit der sexuellen Ausbeutung von Kindern in Verbindung stehen“.

Und da es sehr wahrscheinlich ist, dass die „Aufspürungsanordnungen“ von CSAR als Verletzung des Grundrechts auf Privatsphäre und Vertraulichkeit der Korrespondenz angesehen werden, ist es auch sehr wahrscheinlich, dass das EU-Gericht die „Chat-Kontrolle“ als anlasslose Überwachung einstuft, warnt der Dienst.

In der Analyse wird auch darauf hingewiesen, dass das Gericht die „Durchsuchung von Kommunikationsmetadaten“ zwar zulässt, wenn sie mit der nationalen Sicherheit begründet wird, dass aber die in der CSAR vorgeschlagenen drastischen Maßnahmen wahrscheinlich nicht als verhältnismäßig zu ihrem erklärten Zweck angesehen würden.

Hinzu kommt, dass die EU-Kommission die zweifelhafte Behauptung aufstellt, das Verfahren sei nicht verallgemeinert, sondern irgendwie „gezielt“ (es zielt auf jeden ab – vielleicht ist das die Spitzfindigkeit, mit der die CSAR-Verantwortlichen vorgehen).

Der Juristische Dienst befürchtet jedoch, dass es sich hierbei um einen „Widerspruch“ zwischen den Aussagen der Kommission und dem Vorschlag selbst handelt.

Der logische Vorschlag des Dienstes besteht darin, die Aufdeckungsanordnungen so zu gestalten, dass sie für Personen gelten, „bei denen hinreichende Gründe für die Annahme bestehen, dass sie in irgendeiner Weise an einer Straftat des sexuellen Missbrauchs von Kindern beteiligt sind, eine solche begehen oder begangen haben“.

Beobachter haben festgestellt, dass die Analyse des CSAR – dessen britisches Gegenstück die Online Safety Bill ist – ernsthafte Kritik an ähnlichen, die Verschlüsselung untergrabenden Vorschlägen auf beiden Seiten des Atlantiks darstellt.

Angriffe auf Verschlüsselung in den Chat-Protokollen gibt es immer wieder, seitdem es diese gibt. Gefordert werden dabei so genannte „Hintertüren“ mit denen Polizei und Geheimdienste Gespräche und Nachrichten mitlesen und mithören können.

Das grundlegende Problem dabei ist, dass diese Hintertüren praktisch umgehend in Verbrecherkreisen bekannt werden und für kriminelle Zwecke genutzt werden. Darüber hinaus gibt es Kommunikation mit Personengruppen, die grundsätzlich gegen jeden Angriff geschützt wie gegenüber Ärzten, Rechtsanwälten, Journalisten oder Priestern. Gibt es eine „Hintertür“, dann ist der Schutz nicht mehr vorhanden.

Wie bei so vielen anderen Themen spielt auch hier die EU-Kommission eine Rolle, die sich gegen die Bürger richtet und Demokratie und Grundrechte zerstört.

Blue Coat Photos, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

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8 Kommentare

  1. P. H. 12. Mai 2023 at 9:54Antworten

    Bei der Bekämpfung von wichtigen Dingen wird weiterhin täglich versagt. Ja, ja, diese Hintertüren. Da weißt man wohin sie führen.
    Heuchler die von Demokratie und Grundrechte reden, die/der zerstört Demokratie und Grundrechte.
    Es wird gern über unmöglich gesprochen, geglaubt. Doch es ist alles möglich etwas zu stoppen. Es kommt nur auf das „Wollen“ an. Von „un“möhlich geht immer zu „mö“glich. Hindernisse sind dazu da um sie beiseite zu räumen.

  2. Gabriele 12. Mai 2023 at 8:51Antworten

    Schon auf einer Fortbildung vor 5 Jahren hat man Juristen erzählt, dass die Digitalisierung in einem Tempo fortschreitet, das unmöglich mehr zu stoppen ist. Die Verrücktheit der Menschen nach all ihren geliebten „Tools“ werde sei jetzt schon ein Wahnsinn (das, während der halbe Zuhörersaal fleißig am Handy wischte und tippte). Kein Mensch, der alle Tassen im Schrank hat, würde sich Alexa und Co ins Zimmer stellen, so ein Professor der TU – fragende Blicke…und 5 G brauche man ja für die selbstfahrenden Autos und die „smarte“ Heizung. Juristen müssten eben „Regeln“ schaffen, wie man mit all dem umgeht. Nette Aussichten…die Herrschaften wünschen, wir spielen – die Juristen sollen das Wunder vollbringen, dieses Irrenhaus und seine Insassen in Zaum zu halten…

    • Hollie 12. Mai 2023 at 11:23Antworten

      „(das, während der halbe Zuhörersaal fleißig am Handy wischte und tippte).“ Wie lustig, wenn es nicht so traurig wäre.
      Ich las mal sinngemäss folgenden Satz: Du weisst, dass du in einem dunklen Zeitalter lebst, wenn das einzige Leuchten der Gesichter von den Bildschirmen davor stammt.

      Zum Artikel noch:
      „Wie bei so vielen anderen Themen spielt auch hier die EU-Kommission eine Rolle die sich gegen die Bürger richtet und Demokratie und Grundrechte zerstört“
      Da im Artikel dankenswerterweise auch die Kommunkation mit Priestern genannt wird, möchte ich noch Ergänzen,dass die EU-Kommission durchaus auch das Seelenheil gefährdet.

      Der (übrigens atheistische bis antitheistische) hpd hat übrigens schon länger lesenswerte Artikel zum Vorwand des angeblichen Kampfs gegen Kindesmissbrauchs verfasst:
      hpddotde/artikel/chatkontrolle-20371
      hpddotde/artikel/koennen-wir-es-aussehen-lassen-wuerden-wir-etwas-tun-19436

  3. Vietato Fumare 11. Mai 2023 at 21:30Antworten

    Alles hat sich auf den Kopf gestellt. In einer Zeit, in der sogar die Universitäten zu Zwingburgen der Lüge geworden sind, sollte man wissen, was es geschlagen hat.

  4. wr 11. Mai 2023 at 21:17Antworten

    Haltet den Dieb ! … ruft der Dieb … Haltet die Kinderficker ! … rufen die Kinderficker … Haltet die Geldbetrüger ! … rufen die Geldbetrüger … Haltet die Geldwäscher ! … rufen die Geldwäscher … … Haltet die Freiheitsberauber ! … rufen die Freiheitsberauber … … Haltet die Lügner ! … rufen die Lügner …

    • Gabriele 12. Mai 2023 at 13:52Antworten

      …und wir werden das schon juristisch lösen, rufen am lautesten die vom System gekauften Juristen.

  5. hb 11. Mai 2023 at 19:16Antworten

    Ja, das ist das Ziel: Lückenlose Überwachung sämtlicher Aktivitäten im Internet. Inzwischen weiß man gar nicht, von wem man eigentlich überwacht wird, so viele Überwacher gibt es. Und alle zusammen werden von Angst geschüttelt, die Bevölkerung könnte gegen ihre menschenfeindlichen „Maßnahmen“ aufmucken.

  6. Die hören nicht auf... 11. Mai 2023 at 18:05Antworten

    Zensur, Überwachung, Lauschangriff
    wird demnächst an der Tagesordnung sein

    Die Nato erklärt Russland den Krieg:
    Der niederländische Nato-Admiral Rob Bauer hat gemeint, die Nato sei für eine Konfrontation mit Russland bereit

    Anti-Spiegel, 11.5.23

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