Streiks in US-Automobilindustrie beginnen

15. September 2023von 4,7 Minuten Lesezeit

Die Gewerkschaftsführung hat die Arbeitsniederlegungen vorerst auf drei Werke beschränkt. Doch der Druck der Basis ist groß.

Die Gewerkschaft „United Auto Workers“ (UAW) mit rund 150.000 Mitgliedern forderte in den Verhandlungen eine Erhöhung der Einkommen um 36 Prozent über vier Jahre verteilt. Die Konzerne waren zu Zuwächsen von bis zu 20 Prozent über eine Laufzeit von viereinhalb Jahren bereit. Für die UAW waren die Angebote angesichts der hohen Inflation und der riesigen Gewinne der Unternehmen unzureichend.

Nach dem Ablauf einer Frist um Mitternacht hat die UAW den Beginn eines Streiks in drei Autowerken in den USA bekannt gegeben. Die Arbeitsniederlegung betrifft die „Big Three“ der US-Automobilindustrie, nämlich General Motors, Stellantis und Ford.

Die Streiks finden im Bronco-Montagewerk von Ford in Wayne im US-Bundesstaat Michigan, im Montagewerk für mittelgroße Pickups von GM in Wentzville im US-Bundesstaat Missouri und im Jeep-Montagewerk von Stellantis in Toledo im US-Bundesstaat Ohio statt. Sie sind entscheidend für die Produktion einiger der rentabelsten Fahrzeuge der Unternehmen.

Bürokratie versus Basis

Laut dem UAW-Vorsitzende Shawn Fain ist es nicht ausgeschlossen, dass die Streiks sich auf weitere Fabriken ausweiten könnten. „Wenn wir aufs Ganze gehen müssen, werden wir das tun“, sagte er unter dem Druck der Basis. Denn dort ist der Unmut über die Begrenzung des Streiks auf nur drei Fabriken groß.

Fain hatte zuvor auch deutlich gemacht, dass der UAW-Apparat versuchen wird, die Arbeiter an unabhängigen Aktionen hindern: „Ihr werdet nur streiken, wenn ihr von der nationalen Führung dazu aufgerufen werdet. Wenn euer Ortsverband nicht zum Streik aufgerufen hat, werdet ihr weiterarbeiten. Das ist extrem wichtig.“

Fain erklärte, die UAW werde Arbeiter selbst ohne einen Tarifvertrag zum Arbeiten zwingen: „Ihr werdet nach dem abgelaufenen Abkommen arbeiten, nicht mit einer Verlängerung. Ich weiß, dass das für uns neu ist. Dieser Plan klappt nur, wenn diejenigen, die nicht zum Streik aufgerufen werden, weiterarbeiten.“

In den Betrieben und in „sozialen Medien“ reagierten viele Arbeiter mit Ärger und Wut auf die Linie der UAW-Bürokratie. Fain musste auf die Empörung der Arbeiter antworten: „„Ich sehe, dass einige sagen, wir sollten sofort offen in den Streik treten. Aber wie schon gesagt, diese Entscheidung fällt man nicht von jetzt auf gleich. Sie wurde von vielen Leuten gefällt, und ich habe alle Optionen geprüft.“

Verrat für die Regierung

Fains Entscheidung gegen einen großangelegten Streik widerspricht dem eindeutigen Willen der Arbeiter, die zu 97 Prozent für den Streik bei allen drei Konzernen gestimmt haben. Und die Entscheidung für den begrenzten Streik fiel in einer Lage, in der die Arbeiter aller Industriebranchen zunehmend Kampfbereitschaft zeigen. In Michigan waren am Mittwoch bei Blue Cross Shield etwa 1.400 Arbeiter und UAW-Mitglieder in den Streik getreten.

Im April hatte die Führung der UAW bereits die Beschäftigten von Caterpillar mit einem miesen Kontrakt verraten. Die Unzufriedenheit an der Basis war schon vor dem heute begonnenen Teilstreik groß, beim Zulieferer Lear in Indiana wurde ein von der UAW ausgehandelter Vertrag von 75 Prozent der Beschäftigten abgelehnt.

Seitens der UAW-Führung gibt es wohl zwei Motive, den jetzigen Streik möglich begrenzt zu halten. Erstens spart sie damit Streikgelder. Zweitens und vor allem steht die UAW-Führung der Demokratischen Partei nahe und will der Regierung von Joe Biden, die eine Regierung der globalistischen Großkonzerne ist, nicht schaden.

Deshalb werden die UAW-Spitze und die Regierung gemeinsam versuchen, den Streik möglichst schwach zu halten und bald wieder abzudrehen. Dazu werden sie zu diversen rechtlichen und bürokratischen Mittel bereit sein. Fain ist immerhin ein UAW-Präsident, der durch massive Unterdrückung der Wahlbeteiligung und mit den Stimmen von nur drei Prozent der Mitglieder gewählt wurde. Die meisten Arbeiter haben letztes Jahr nie einen Wahlzettel erhalten.

Klassenkampftradition

Frage ist allerdings, ob die UAW-Bürokratie am Gängelband der Biden-Administration dem Verrat des Streiks und der Arbeiterinteressen insgesamt so einfach durchkommt. Der Unmut in der US-Arbeiterklasse ist groß, die US-Gesellschaft extrem polarisiert. Die USA haben zwar nie eine institutionalisierte Arbeiterbewegung hervorgebracht (wie Europa mit den Sozialdemokratien), verfügen aber seit dem 19. Jahrhundert über eine Tradition von Klassenkämpfen, die oftmals sehr hart ausgetragen wurden.

Die USA sind eben nicht nur die Führungsmacht des globalistischen Imperiums, sondern auch eine Klassengesellschaft mit inneren Widersprüchen. Eine kämpferische Arbeiterbewegung in den USA ist ein wichtiger Verbündeter für Befreiungsbewegungen in der ganzen Welt – weil sie das Imperium von innen heraus angreift.

Unter dem Corona-Regimes waren Grundrechte und Klassenkampfaktivitäten weitgehend eingeschränkt. Darüber hinaus wollten die Gewerkschaftsführungen einer Regierung der Demokratischen Partei nicht übermäßig schaden. Aber ab 2022 wieder nahmen die Streiks wieder zu. Besonders Brennpunkte waren dabei Konzerne, die die globalistische Agenda besonders betreiben und besonders von ihr profitieren.

Im Frühjahr 2022 konnte Beschäftigte am ersten Amazon-Standort, Lager JFK8 in Staten Island, die Etablierung einer Gewerkschaft durchsetzen – gegen massiven Druck, Einschüchterungen und rechtliche Kampagnen der Konzernleitung. Ähnliche Kämpfe mit Arbeitsniederlegungen fanden bei Starbucks und Apple statt. Im selben Jahr hatte die Biden-Regierung einen Streik der Eisenbahner per Dekret unterdrückt.

Im Sommer 2023 folgte schließlich eine Streikwelle. Im Juni gab es wieder einmal Bummelstreiks an der Westküste, die sowohl Häfen in den USA als auch in Kanada umfassten. Beim Paketzusteller UPS setzte die Gewerkschaft für 340.000 Beschäftigte eine gewisse Erhöhung der Stundenlöhne und eine Abschaffung der Kameras in den Fahrerkabinen durch. Der Abschluss blieb allerdings deutlich unter den Erwartungen und viele Beschäftigte misstrauen den bekannt gegeben Ergebnissen der Urabstimmungen.

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3 Kommentare

  1. Mia Wu Ast 15. September 2023 at 14:22Antworten

    Die Lohnsteuer ist die Strafe für regionale Wertschöpfung – dort müssen wir ansetzen. Den Arbeitgebern mehr abzupressen bringt nicht viel – das zahlen wir über die Produktpreise ohnehin wieder selbst.
    Erst wenn dort gemolken wird wo das Geld auf den Bäumen wächst – in London, Frankfurt, der Wallstreet usw. wird ein neues Wirtschafts-/Gesellscahftssystem möglich sein.
    Die Lohnsteuer muß weg!
    Welceh Partei wäre dabei??

  2. Stunning Greenhorn 15. September 2023 at 11:32Antworten

    Möge es den Arbeitern gelingen! In jedem Fall werden wir am Ausgang des Streiks und an der Reaktion von oben sehen, ob wir diesen oder einen anderen Weg einschlagen müssen.

  3. Jurgen 15. September 2023 at 11:04Antworten

    Die herrschende Inflation, durch die FED eskaliert, lässt nichts anderes zu außer Streik, um der offensichtlichen Enteignung der Wertschöpfer zu begegnen…

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