
Wahl in Wien: wie ein Programm für Umwelt, Klima und Verkehr aussehen sollte
Im Herbst sind Wahlen in Wien. Naturgemäß gibt es für ein Stadt beim Thema Umwelt, Klima und Verkehr spezifische Probleme. So da sind die
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steigende Luftverschmutzung durch Verkehr sowie Industrie und Gewerbe,
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wie man zum Einkaufen, ins Büro und die Kinder in die Schule kommen,
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wie die zunehmende Hitze im Sommer reduziert werden kann sowie
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wie das Klima geschützt und die Erderwärmung reduziert werden kann.
Hier sind die wichtigsten Punkte, die das Wahlprogramm einer Partei enthalten sollte, samt einigen Begründungen.
Mobilität
Die zentralen Punkte bei der Mobilität sind Verkehrsvermeidung, Ausbau des öffentlichen Verkehrs und Elektromobilität.
Stadtplanung
Es braucht eine Stadtplanung, die als Ziel Reduzierung des Verkehrsaufkommens hat. Durch möglichst enge Integration von Wohnen, Schule und Bildung, Arbeiten und Einkaufen, sollen nötige Wege verkürzt werden, sodass sie leicht zu Fuß, per Rad oder zumindest durch Öffis gemacht werden können. Konzentrationen die riesige Betonflächen für Parkplätze erfordern müssen vermieden werden.
Nötig ist eine geänderte Stadtplanung die nicht wie bisher das Wohl der Autos, sondern das der Menschen als zentrales Anliegen hat. Aber dazu nun im Einzelnen.
Öffentliche Verkehrsmittel ausbauen
Öffis zum Nulltarif sind der größte Anreiz zum Umstieg auf menschengerechte, umweltfreundliche und klimagerechte Mobilität. Sie ermöglicht auch den Ausbau von Begegnungszonen außerhalb des Stadtkerns und schafft mehr Platz für Fußgänger und für Radfahrer. Radfahrer und Fußgänger brauchen weniger Platz und belasten Klima und Umwelt am wenigsten.
In den großen Flächenbezirken müssen insbesondere die Querverbindungen innerhalb des Bezirks ausgebaut bzw neu geschaffen werden. Eine Erweiterung der U-Bahnen soll rasch in Angriff genommen werden, wie etwa die U6 in Floridsdorf.
Am Stadtrand und zu Randzeiten sollen Minibusse als schnelle und komfortable Alternative zu Privatautos eingesetzt werden.
Das Bild zeigt, den unterschiedlichen Platzverbrauch von PKW, Fahrrad, Bim und Fußgänger jeweils bei Bewegung und Stillstand.
Verkehrsberuhigte Zonen, Tempobeschränkungen und Vorrang für öffentliche Verkehrsmittel machen diese weiter attraktiver.
Gegen kostenlose Öffis wird eingewandt, das sei zu teuer und überlaste die Verkehrsbetriebe. Das Kosten-Argument könnte man auch gegen Straßen einwenden. Kostenlose Öffis haben einen ziemlichen Sog-Effekt, da sie auch jene ansprechen, die nur einmal fahren oder von außen in die Stadt kommen. Abgesehen davon spart es kostensenkend die gesamte Bezahl-Infrastruktur.
Elektromobilität für Gesundheit und Klima
Eine Studie der Wissenschaftler Hanns Moshammer (MedUni Wien) und Willi Haas (BOKU) zeigt, dass Luftverschmutzung noch mehr Sterblichkeit als das Coronavirus verursacht, nämlich in Wien jährlich 30-60 vorzeitige Todesfälle pro 100.000 EinwohnerInnen.
Am folgenden Bild ist die Luftverschmutzung in Wien zu sehen, die in den roten Bereichen an den Hauptverkehrsrouten und dichtest besiedelten Gebieten kulminiert:
Die Chance eines frühzeitigen Todes ändert sich mit Zunahme der Exposition um 10 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Mittel um 5,5% wie dieses Bild zeigt.
Zur Reduktion der gesundheitsschädlichen Emissionen von Feinstaub und Stickoxiden ist neben dem Schwerpunkt auf Öffis, Radfahrer und Fußgänger, auch dringend eine massive Förderung von Elektromobilität nötig.
Bei Neuanschaffungen von Öffis und für den gemeindeeigenen Fuhrpark dürfen nur mehr batterie-elektrische Fahrzeuge angekauft werden.
LKW und Lieferfahrzeuge müssen sowohl durch Förderungen für E-LKW als auch durch Abgaben auf Verbrenner zur möglichst raschen Umstieg bewegt werden.
Private E-Mobilität soll attraktiver gemacht werden durch eine öffentliche Lade-Infrastruktur, Vorschriften zum Einbau von Ladestationen in Neubauten sowie Förderungen bei der Nachrüstung in Altbauten.
Elektromobilität hat eine doppelte Wirkung. Zuerst, und für die Bewohner der Stadt am wichtigsten, ist es eine schnelle Methode die Luftqualität zu verbessern. Das wirkt sich insbesondere in den Bereichen aus, wo sozial Benachteiligte wohnen, wie auch die Studie von Moshammer und Haas feststellt.
Der Umstiegszyklus bei PKW ist kürzer als die Vorlaufzeiten für geänderte Stadtplanung oder Ausbau von U-Bahn- und Straßenbahnlinien. Elektromobilität bringt auch viel fürs Klima. Ein durchschnittlicher batterie-elektrischer PKW verbraucht 13 kWh auf 100 Kilometer, was etwa 1,3 Liter Diesel oder 1,5 Liter Benzin entspricht. Selbst wenn der benötigte Strom noch zur Gänze in einem Öl- oder Gaskraftwerk produziert wird, reduziert sich der Verbrauch an fossilen Brennstoffen und damit auch die CO2 Erzeugung auf die Hälfte, ist also günstiger für das Klima. Wobei in Österreich der Vorteil dank des hohen Anteils an Wasserkraft das Verhältnis ohnehin weit besser ausfällt.
Bodenversiegelung und Begrünung
Österreich liegt bei Bodenversiegelung in Europa weit vorne und Wien macht keine Ausnahme. Versiegelte Böden führen zu stärkerer Erhitzung der Stadt in den immer heißer werdenden Sommern. Im Jahr 2003 gab es allein in der EU 70.000 Hitzetote, besonders in den Städten.
Der Bodenversiegelung insbesondere durch übergroße Parkplätze, leerstehende alte Fabriks- Gewerbe- oder Wohnanlagen, sowie unnötige Betonflächen muss Einhalt geboten bzw wo möglich Rückbauten und Begrünungen durchgeführt werden.
Bei Wohnbauten, Gewerbe- und Industrieanlagen ist die Möglichkeit sowohl von Dach- als auch Fassadenbegrünung zu prüfen und zu fördern.
Für die Reduzierung der Hitze insbesondere in den Nächten, soll neben den Maßnahmen zur Begrünung auch Zugschneisen geschaffen werden um kühle Luft aus dem Wienerwald durch die Stadt zu leiten. Das heißt, bei der Stadtplanung ist darauf zu achten, dass diese Schneisen nicht verbaut bzw wieder geöffnet werden. Das ist besonders wichtig, da die Zahl der tropischen Nächte in den vergangenen zwanzig Jahren stark zugenommen hat.
Klima schützen, CO2 reduzieren
Der Klimaschutz ist eines der Schlüsselvorhaben um unseren Planeten lebenswert zu erhalten. Der Anstieg des CO2 Anteils in der Luft geht trotz der weltweiten massiven Einschränkungen von Verkehr und Wirtschaft durch die Corona-Krise ungebremst weiter, wie in der Grafik zu sehen. Durch die Vegetation auf den Landmassen der Nordhalbkugel unterliegt die CO2 Konzentration jahreszeitlichen Schwankungen, da die Vegetation ab Juni CO2 aus der Luft nimmt und im Herbst wieder abgibt.
Gewerbe & Industrie
Gewerbebetriebe sind eine wichtige innerstädtische Infrastruktur. Sie müssen hinsichtlich Umwelt- und Klimafreundlichkeit unterstützt werden durch finanzielle Förderung der Umrüstung auf abgasfreie, klimaschonende Energie und Produktionsweisen. Gleichzeitig entstehen zusätzliche Arbeitsplätze durch die Umwelt- und Klimamaßnahmen im städtischen Bereich und im Wohnbau.
Größere Industriebetriebe sollen durch steuerliche Anreize zur Umrüstung angeregt werden.
Kommunale Beteiligungen an fossilen Unternehmen sollen aufgelöst und durch solche an umwelt- und klimaneutralen Unternehmen ersetzt werden. Gemeindeeigene Betriebe müssen CO2-frei und ohne umwelt- und gesundheitsschädliche Abgase, Abfälle oder Müll produzieren.
Wohnbau
Wohnen ist neben Verkehr und Produktion der dritte große CO2-Produzent. Die beste Energie ist die, die man nicht verbraucht. Deshalb ist der größte Klimaeffekt durch Wärmedämmung der Außenhüllen zu erzielen. Die Stadt muss einen Pan zur thermischen Sanierung der Altbestände entwickeln, wobei die Kosten nicht zu Lasten der Mieter gehen dürfen.
Neubauten müssen verpflichtend mit Photovoltaik ausgestattet sein und mit einer gewissen Batteriekapazität vorzugsweise mit den umweltfreundlichen Salzwasserbatterien, die zumindest in der nicht allzu kalten Jahreszeit den Bedarf in der Nacht deckt. Altbauten sollen schrittweise nachgerüstet werden, wobei wieder die Mietkosten nicht erhöht werden dürfen. Wärme, Warmwasser und Kühlung ist zunehmend mit Wärmepumpen zu produzieren.
Als Baumaterial sollte Beton vermieden bzw. steuerlich belastet werden. Bei der Erzeugung von Zement aus Kalkstein (chemisch CaCO3) wird massiv CO2 freigesetzt.
Energieproduktion
Die Eigenproduktion von Wien Energie muss auf nachhaltige Quellen umgestellt werden, wobei die dezentrale Photovoltaik ein wichtiger Anteil sein wird.
Überschüssige Energie aus erneuerbaren Quellen soll durch Elektrolyse in Wasserstoff zur Speicherung umgewandelt und zur Stromproduktion in sonnenarmen Zeiten genutzt werden. Die Umwandlung in Methangas aus dem mit Überschussstrom erzeugten Wasserstoff soll angepeilt werden. Damit kann CO2-neutrales Gas für den Verbrauch in der Stadt das Erdgas ersetzen. Überschüsse können leicht gespeichert werden. In Österreich gibt es riesige unterirdische Speicher für Gas, das 87 Prozent des jährlichen Gasverbrauches aufnehmen kann.
Programme der Parteien vergleichen
Die Parteien werden rechtzeitig vor der Wahl ihre Programme präsentieren, wobei Umwelt, Klima und Verkehr sicher eine wichtige Rolle spielen werden. Auf Vergleichsportalen wie neuwal.com kann man sich einen raschen Überblick verschaffen, welche Partei den eigenen Vorstellungen am nächsten kommt.
Im Bereich Umwelt, Klima und Verkehr sind die innovativsten Vorschläge wahrscheinlich von den Grünen zu erwarten, die ja bereits die zuständige Vizebürgermeisterin und Stadträtin stellen. Gemeldet wurde jetzt übrigens erstmals wieder nach 3 Tagen und auch die Pressekonferenzen der Gesundheitsbehörden finden nur mehr zweimal die Woche statt.
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