Schwindender US-Einfluss im Nahen Osten ermöglicht Frieden

3. Mai 2023von 5,7 Minuten Lesezeit

Der Nahe Osten nimmt erstmals seit Jahrzehnten Fahrt auf in Richtung Frieden. In der Region kämpfen seit Jahrzehnten aus mehreren Gründen verschiedene Mächte um Einfluss. An vorderster Stelle steht wohl die Begierde auf die Ölquellen Einfluss nehmen zu können. Die früheren Kolonialmächte England und Frankreich, sowie die gegenwärtige Hegemonialmacht USA haben sich durch Israel und die zumindest teilweise Besetzung arabischer Länder Einfluss verschafft.

Die Auswirkungen der Kämpfe und Kriege sind zumindest in Europa stark zu spüren, nicht nur wegen der Erdölpreise, sondern auch durch Flüchtlingswellen, zuletzt aus Syrien.

Doch China und auch Russland gelingt es durch Diplomatie Streitigkeiten beizulegen und Frieden zu stiften. Parallel dazu und als Bedingung für den Frieden geht der Einfluss der USA zurück. Sichtbar wurde das etwa beim Treffen arabischer Außenminister in Amman, bei dem der Abzug fremder Truppen aus Syrien gefordert wurde.

Sichtbar wird es auch an den Beitrittsabsichten von Ländern aus der Region zur BRICS-Gruppe. Zu den wichtigsten Beitrittskandidaten gehören Saudi Arabien, Iran, Vereinigte Arabische Emirate, Algerien, Ägypten, Bahrain – alles wichtige Länder der islamischen und arabischen Welt.

Eine interessante Analyse der Entwicklungen stammt von Robert Inlakesh, einem politischen Analysten, Journalist und Dokumentarfilmer, der derzeit in London lebt. Er hat aus den palästinensischen Gebieten berichtet und dort gelebt und arbeitet derzeit für Quds News.

Hier einige Auszüge aus seinem Artikel mit dem Titel „The US grip on the Middle East slips, and peace breaks out“:

In dem Maße, wie Washingtons Einfluss im Nahen Osten schwindet, wenden sich die Länder in der gesamten Region dem Kompromiss, der Annäherung und den Friedensgesprächen zu und versetzen damit dem US-Narrativ, das die Rolle der USA als Stabilisator und Verfechter der Demokratie darstellt, einen Schlag.

Unter der Führung von US-Präsident Joe Biden hat sich der Status des Westens bei verschiedenen langjährigen Verbündeten im Nahen Osten merklich verschlechtert. ….

Der erste große Schlag gegen Washingtons Einfluss kam in Form einer von China vermittelten Vereinbarung zur Beendigung einer jahrzehntelangen Fehde zwischen den großen regionalen Akteuren Iran und Saudi-Arabien, die 2016 zum Abbruch der Beziehungen führte. Dies hat eine Reihe von Auswirkungen auf die Macht der USA in der Region.

Erstens ist damit eine von den USA entwickelte Strategie zusammengebrochen, die darauf abzielte, Saudi-Arabien mit Ländern wie Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Jordanien, Bahrain und Israel gegen den Iran und seine Verbündeten in der Region zu vereinen; es wurde spekuliert, dass das Bündnis als “Nahost-NATO” fungieren würde.

Zweitens scheint die Annäherung zwischen Iran und Saudi-Arabien Riad dazu veranlasst zu haben, seine Pläne zur Normalisierung der Beziehungen zu Israel zu diesem Zeitpunkt aufzugeben, was die Regierung Biden eindeutig als außenpolitische Errungenschaft wertet. Hinzu kommt, dass diese Vereinbarung von Peking ausgehandelt wurde, ohne Rücksicht darauf, wie sie auf das Weiße Haus wirken würde.

Unmittelbar nach der Normalisierung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran nahm Riad ernsthafte Verhandlungen mit der jemenitischen Ansarallah (den Houthis) auf, um den Krieg zu beenden, der seit 2015 zwischen den beiden Seiten wütet und rund 400.000 Menschenleben in dem Land gefordert hat. Zu allem Überfluss reiste der saudi-arabische Außenminister kürzlich nach Damaskus, um sich mit dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu treffen. Zusätzlich zu den Schritten Riads und der Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen Tunesien und Syrien scheint auch Ankara kurz vor einer Annäherung an Damaskus zu stehen, und es gibt Bestrebungen, Syrien wieder in die Arabische Liga einzugliedern, was eindeutig der US-Agenda zuwiderläuft.

Hinzu kommt, dass Katar angekündigt hat, die Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain wiederherzustellen, was zwar nicht so bedeutsam ist wie die oben genannten Schritte, sich aber in die Liste der friedensstiftenden Entscheidungen einreiht, die ohne Amerika getroffen wurden. Auf der optischen Ebene scheint es so, als ob der gemeinsame Nenner die Abwesenheit der USA ist.

Andererseits schürt Washingtons Ausbau der Beziehungen zum Königreich Marokko die Spannungen mit dem benachbarten Algerien. Die Regierung Biden gießt nicht nur Öl ins Feuer der diplomatischen Fehde zwischen beiden Seiten, sondern trägt auch zur Verschärfung der militärischen Spannungen in einem Wettrüsten zwischen Rabat und Algerien bei. Anfang April dieses Jahres genehmigten die USA einen möglichen Verkauf von HIMARS im Wert von 524,2 Millionen Dollar an Marokko.

Darüber hinaus wurde der wichtigste Nahost-Partner der USA, Israel, durch eine anhaltende innenpolitische Krise im Zusammenhang mit einer von der israelischen Regierung vorgeschlagenen Reform des Justizwesens stark geschwächt. Auch Israels Haltung in Fragen wie der Aufrechterhaltung des Status quo an der Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem, einer heiligen Stätte, die vom benachbarten Jordanien verwaltet wird, ist problematisch und hat in den letzten Monaten zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Amman und Tel Aviv geführt. Dies stellt ein weiteres Hindernis für die USA dar, die gezwungen sind, zwischen beiden Seiten zu vermitteln, um Ruhe zu bewahren. Eine weitere Ebene ist die Fehde zwischen Biden und Netanjahu, die zum ersten Mal seit den 1950er Jahren die besonderen Beziehungen zwischen Israel und den USA in Frage stellt.

Die Strategie der USA im Nahen Osten bestand darin, ihre Vorherrschaft vor allem auf militärischem Gebiet durchzusetzen. Ihre Verkaufsargumente waren Sicherheit, Waffenverkäufe, Drohungen mit Militäraktionen gegen Feinde und die Schaffung eines sunnitisch-schiitischen kalten Krieges, der den Iran und Saudi-Arabien gegeneinander ausspielte.

Aufgrund der Stärke der iranischen Waffenprogramme und der regionalen Allianzen sind die USA nicht mehr in der Lage, einen militärischen Vorsprung zu halten, der die Macht der Opposition deutlich übersteigt. Die amerikanische Überforderung in der Region hat dazu geführt, dass die USA auf peinliche Weise aus Afghanistan vertrieben wurden und nicht in der Lage sind, ihre Verbündeten vor den Schäden eines möglichen Raketenangriffs durch den Iran und seine Verbündeten zu schützen. Washington baut aktiv Beziehungen auf, die auf Strategien beruhen, die seine eigenen Partner in die Schusslinie bringen, bei denen aber die von ihm verkauften Luftabwehrsysteme nicht genügend Schutz bieten.

Selbst im palästinensisch-israelischen Konflikt, der den USA seit 1967 am Herzen liegt, lässt die Führungsrolle der USA nach. Anfang dieser Woche schlug Chinas Außenminister Qin Gang seinen Amtskollegen der Palästinensischen Autonomiebehörde und Israels vor, dass Peking den Dialog zwischen den beiden Seiten erleichtern solle. Auch wenn der Konflikt nicht von heute auf morgen gelöst werden kann, wird die bloße Tatsache, dass sich eine weitere Weltmacht einmischt, sicherlich eine Botschaft an die amerikanischen Entscheidungsträger aussenden.

….

Fulvio314, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

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10 Kommentare

  1. lbrecht torz 4. Mai 2023 at 13:26Antworten

    Die einzigen Hoffnungsschimmer dieser Zeit – und der ganzen letzten 30 Jahre – kommen aus dem Osten.

    Der “Wertewesten” hat gänzlich versagt – weil er nie das war, was er vorgegeben hat zu sein: angeblicher Demokratie- und Friedensbringer. Statt dessen wurde durch “uns” Streit und Krieg verbreitet und korrupte Strukturen gepäppelt.

    Wann wird endlich die Mehrheit im Westen das Offensichtliche erkennen – im Rest der Welt ist die Tatsache längst allbekannt. Weil alle dort darunter leiden.

    • asisi1 5. Mai 2023 at 9:22Antworten

      An dem Tag, als Merkel zugegeben hat, das sie die Verträge 2014 mit Putin nicht einhalten wollte, hätte sie verhaftet werden müssen. Es war Betrug und die Folgen sind nicht abzusehen. Wer solche Schweinereien macht und dann noch irgendwelche Orden von Speichlleckern bekommt, muss weg!

  2. Jan 4. Mai 2023 at 1:59Antworten

    Die USA haben die Ressourcenländer gezwungen, ihr Öl auf ‘freien Märkten’ zu verkaufen. Das hat viel Geld gekostet, aber den Vorteil der Weltwährung Dollar gebracht. Für Österreich hieß das, ohne Militärmacht Öl kaufen zu können. Dass die Regierung Nehammer meint, durch Nichtkaufen in einem Verkäufermarkt ein Imperium in den Zusammenbruch zu stürzen, ist ein Spezifikum, für das die Wähler noch die Konsequenzen tragen werden: aus Solar kein Stahl und kein Dünger. Aber das ist den suizidalen Wählern gerade recht!

    Die USA haben über Jahre durch Fracking einen großen Anteil der Ölförderung getragen, dieser geht jetzt geologisch zu Ende. Damit auch die Fähigkeit, große Kriege zu führen.

    Die BRICSS werden der politischen Annäherung einen Binnenmarkt folgen lassen und sich vom Crash des Finanzkapitalismus abkoppeln.

    Die suizidalen Europäer werden ihen Willen bekommen und sich gesundschrumpfen dürfen. Vielleicht geht ja was mit manueller Biolandwirtschaft?

    Das Unangenehme ist, dass uns die BRICSS den Käse dann jederzeit wegnehmen können, sie haben Öl für Panzer und wir mangels Stahl nicht einmal Solartraktoren. Aber die Wähler werden jubeln! Die wollen das genau so!

    Die Amis werden sich früher oder später auf ihren Kontinent zurück ziehen und die europäischen Selbstmörder ihrem Schicksal überlassen. Es sei denn, Nehammer destabilisiert durch Nichtkauf Russland derart, dass sich Aserbajdschan mit seinen Förderrechten im Kaspischen Meer der EU anschließt – das träumt man in Washington und Brüssel!

  3. […] Schwindender US-Einfluss im Nahen Osten ermöglicht Frieden […]

  4. Jurgen 3. Mai 2023 at 16:34Antworten

    Ist “Frieden” hier als “kein Krieg” definiert? Oder ist die Versorgung der Menschen auch bereits wieder gegeben und die Häuser schon wieder aufgebaut?
    Das ist alles ein wenig vor eilig mit den Worten und nach eilig mit den Taten! Man muss nur in Ahr tal schaen, was von Worten zu halten ist – nur an ihren Taten kann man sie messen!

  5. Fritz Madersbacher 3. Mai 2023 at 14:28Antworten

    “In dem Maße, wie Washingtons Einfluss im Nahen Osten schwindet, wenden sich die Länder in der gesamten Region dem Kompromiss, der Annäherung und den Friedensgesprächen zu”
    Das ist bereits zu einer unwiderstehlichen historischen Strömung geworden. Sie ist gleichbedeutend mit dem Niedergang des Einflusses des westlichen Imperialismus, der Kriege, Ausplünderung, Vertreibung und Tod unzähliger Menschen in diese Weltregion gebracht hat. Eine veränderte Welt ist im Entstehen …

  6. OMS 3. Mai 2023 at 13:47Antworten

    US-Israel wird schon noch eine große Ferkelei einfallen. Da bin ich mir zu 1000% sicher. Die westlichen Medien werden dann ein Trommelfeuer an Propaganda und Kriegsgeheul vom Stapel treten, wie es die Welt noch nie gesehen hat.

  7. Wilke 3. Mai 2023 at 12:55Antworten

    Was für eine schöne Überschrift: Schwindender US-Einfluss im Nahen Osten ermöglicht Frieden.
    Wir alle wünschen, sehnen diesen Frieden herbei, der doch so viel bedeutender ist als die Gier. Möge die Fahrt auf in Richtung Frieden stabil bleiben. Weg mit viel zu viel US Einmischung, weg von Abhängigkeit und endlich aufzuwachen.

  8. G. Kanten 3. Mai 2023 at 11:55Antworten

    Diese ständige Gier nach Macht und Haben Wollen zwingt allen in die Knien. Es führt nur zum verderben. Ich mag mich nicht mehr damit auseinandersetzen.
    Möge am Ende der Frieden mehr Einfluss einnehmen.

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