
Kontakt-Verfolgung sinnlos und nicht mehr machbar?
Contact Tracing, also ein Nachspüren von Kontakten Infizierter, wurde von Beginn der Corona Epidemie an von allen Behörden als Mittel zur Eindämmung von Infektionen angewendet. Insbesondere in Ländern wie Südkorea, China oder Singapur schreibt man die rasch erlangte Kontrolle dem erfolgreichen Contact Tracing zu. Aber zur Nützlichkeit. gibt es keinesfalls einheitliche Ansichten.
Jay Battacharya, Medizin Professor der Universität Stanford und Mikko Packalen, Associate Professor of Economics at the University of Waterloo, erklären in einem kritischen Artikel, dass im Gegensatz zu den herkömmlichen Weisheiten über die Ermittlung von Kontaktpersonen zur Eindämmung der Epidemie, die Bemühungen letztlich vergeblich sind. Sie kann nützlich sein, wenn die Zahl der Fälle in einer Epidemie sehr gering ist und nur dann, wenn sie aggressiv und ohne Rücksicht auf das Recht auf Privatsphäre angewandt wird. In Fällen, auf die diese Beschreibung nicht zutrifft, kann die Ermittlung von Kontaktpersonen einen Ausbruch sogar verschlimmern.
Tatsächlich scheint gerade in Europa die Kontaktverfolgung an ihre Grenzen zu stoßen und Länder wie Slowenien stellen sie ein.
Die klassische Form der Kontaktverfolgung
Die Idee wäre ja einfach. Man findet die Personen mit denen Kontakt bestand und isoliert sie. Die können dann niemand mehr anstecken. Die klassische Form ist, nach rückwärts zu arbeiten um die Quellen der Ansteckung aufzuspüren, sie zu behandeln oder in Quarantäne zu stecken.
Diese Form der Kontaktverfolgung wird routinemäßig zur Kontrolle von Geschlechtskrankheiten eingesetzt. Sie ist am effektivsten, wenn sich die Infektion nicht innerhalb eines Zeitraums auf natürliche Weise ausheilen würde, der kürzer ist als die Zeit, die für die Rückverfolgung bis zum Patienten Null benötigt wird.
Die Kontaktverfolgung bei Covid-19
Bei Covid-19 ist die Kontaktverfolgung aber vorwärts gerichtet und ein Infizierter oder Erkrankter wird um seine Kontakte in jüngster Zeit befragt. Diese werden kontaktiert und für 14 Tage in Quarantäne geschickt, sofern ihnen nicht die Möglichkeit gegeben wird, sich freizutesten. Und die Kontaktpersonen dieser Personen müssen dann wieder gefunden werden und so weiter und so fort.
Die Methode erinnert allerdings an den berühmten Schweizer Ruedi, der seine Schlüssel unter der Laterne sucht, weil er dort was sieht, aber nicht dort, wo er sie verloren hat. Es gibt 20 bis 50 mal so viele Infizierte, wie bestätigte Fälle. Das kommt auch daher, dass die Sterblichkeit bei unter 70-jährigen zwischen 0,03 und 0,05 Prozent liegt und je nach Altersgruppe zwischen 50 und 85 Prozent nicht einmal merken, dass sie infiziert sind.
Warum es nicht mehr funktioniert
Die Autoren argumentieren erstens, dass die Epidemie für die Ermittlung von Kontaktpersonen zu weit verbreitet ist, um die Ausbreitung der Krankheit zu begrenzen; zweitens, dass Fehler in PCR-Tests die menschlichen Kosten der Ermittlung von Kontaktpersonen erheblich erhöhen und diese weniger wirksam machen; und schließlich, dass die Ermittlung von Kontaktpersonen in der Öffentlichkeit starke Anreize schafft, die Gesundheitsbehörden in die Irre zu führen und Tests zu vermeiden.
Der PCR Test ist ziemlich genau. Es dauert aber mindestens einen Tag und oft noch erheblich länger bis ein Resultat bekannt wird. Damit haben frühere Kontakte bereits die Möglichkeit der Weiterverbreitung erhalten. Und natürlich ist der Test auch fehlerhaft. Infektionen werden nicht erkannt, wenn der Test in einer zu frühen Phase der Infektion stattfindet, der Abstrich wird nicht sorgfältig genug genommen oder es gibt andere Fehler.
Umgekehrt gibt es vor allem bei niedriger Prävalenz (geringer Anteil von Infizierten) einen sehr hohen Anteil von falschen Ergebnissen bei den positiven. Und dann werden Personen in Quarantäne geschickt und damit geschädigt, die nie mit einem Infizierten Kontakt hatten.
Das größte Problem ist aber, dass infizierte Personen, die von Kontaktverfolgern befragt werden, gegen ihre eigenen Interessen handeln müssten. Obwohl die Fragen der Contact Tracer einen guten Zweck verfolgen mögen, verlangen sie doch sensible oder private Informationen preiszugeben. Während es für einen Befragten leicht sein mag, dem Interviewer über den Besuch eines Supermarktes zu berichten, kann es viel schwieriger sein die Teilnahme an einer privaten Dinnerparty samt allen Anwesenden offen zu legen. Ein Eingeständnis eines privaten Rendezvous käme noch weniger in Frage. Auch weniger peinliche Mitteilungen können Freunde eines Befragten in den Mittelpunkt einer unerwünschten Untersuchung stellen. Und da es keine wirksame Behandlung oder Heilung für COVID-19 gibt, gibt es keinen ausgleichenden persönlichen Nutzen, der dem Freund aus der unerwünschten Namensnennung erwächst – nur die Gefahr einer ungeplanten mehrtägigen Quarantäne.
Fragliche Effektivität und negative Folgen
Und mit all diesen Problemen wird die Effektivität jeglicher Kontaktverfolgung in Frage gestellt. Die Ermittlung von Kontaktpersonen verursacht zusätzliche Kosten, da Freunde und Kollegen bei einem positiven PCR-Test der Quarantäne ausgesetzt werden müssen. Während die Identifizierung und Isolierung positiver Fälle einen klaren öffentlichen Nutzen hat, haben einzelne Patienten wenig oder keinen privaten Nutzen. Die Ermittlung von Kontaktpersonen schreckt daher Personen, die glauben möglicherweise SARS-CoV-2-positiv zu sein, davon ab, sich überhaupt testen zu lassen.
Ist die Ermittlung von Kontaktpersonen für die COVID-19-Epidemie in den meisten Teilen der Welt inzwischen aussichtslos? Wahrscheinlich ja meinen die beiden Experten. Die Infektion ist bereits zu weit verbreitet, als dass eine Ausrottung der Krankheit an den meisten Orten möglich wäre. Sie könnte nützlich sein, um die Ausbreitung der Epidemie in Gebieten zu verlangsamen, in denen die Gefahr einer Überlastung der Krankenhausressourcen besteht.
Dieser Nutzen wird jedoch mit erheblichen Kosten für die Privatsphäre und die bürgerlichen Freiheiten der verfolgten Personen verbunden sein, die aufgrund von Testfehlern oft keinen Nutzen für die öffentliche Gesundheit haben. Einige mögen argumentieren, dass es sich lohnt, diese Kosten vorübergehend zu tragen, wenn die Ermittlung von Kontaktpersonen wirklich dazu beitragen kann, die Ausbreitung der Epidemie zu verlangsamen. Die Ermittlung von Kontaktpersonen schafft jedoch Anreize, Tests zu vermeiden, und kann die Epidemie verschlimmern.
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