So kommen wir raus aus der Coronakrise

10. April 2020von 3,5 Minuten Lesezeit

Österreich ist bei den Daten zur Coronakrise noch immer im Blindflug unterwegs. Das Wissenschaftsministerium hat zwar gerade eine Studie veröffentlicht, die auf einer  Testung von 1544 zufällig ausgewählten Österreichern beruht. Infiziert waren 0,32%. Umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung unter Einbeziehung der Schwankungsbreite  wären es zwischen 10.200 und 67.400. Die Aussagekraft ist also gelinde gesagt begrenzt und die Zahlen können heute schon wieder völlig anders sein. Und über Herdenimmunität wissen wir damit gar nichts.

Wesentlich sinnvoller ist das, was der Virologe Hendrik Streeck in Gangelt, einer Gemeinde im Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen gemacht hat. Erste Zwischenergebnisse einer repräsentativen Studie zeigen, dass wahrscheinlich 15 Prozent der dortigen Bevölkerung eine Infektion mit dem Virus bereits durchgemacht haben und nun immun sind. Anhand der bereits verfügbaren Tests war dieser Wert für die Herdenimmunität bisher nur auf fünf Prozent geschätzt worden. Und dass macht einen riesigen Unterschied für die weitere Vorgangsweise.

Regionale Untersuchungen nötig

Die Ergebnisse von Gangelt sind nicht auf ganz Nordrhein-Westfalen oder gar Deutschland übertragbar, da in Gangelt sich sehr viele Menschen bei einem Faschingsumzug angesteckt hatten.

In Österreich wäre eine ähnliche Untersuchung in Ischgl und im Bezirk Landeck sinnvoller als die jetzt vorliegende Studie. Statt einheitlicher Regeln für ganz Österreich ist es sinnvoll nach Regionen, je nach Auftreten von Erkrankungen, unterschiedlich vorzugehen. Das meint auch der Public Health Experte Martin Sprenger, der genug hat von der intransparenten Vorgangsweise im Expertenstab und deshalb zurückgetreten ist.

Es muss auch nach Risikogruppen differenziert werden, Kinder und Jugendliche können rasch Immunität erlangen, ohne Symptome zu zeigen. Jede Erhöhung der Herdenimmunität ist nämlich sehr wünschenswert.

Wie gefährlich ist COVID-19?

Das zweite wichtige Ergebnis der Studie ist, dass nur 0,37% der Menschen in Gangelt, bei denen das Virus nachgewiesen wurde, starben. Damit liegt die Sterblichkeitsrate dort fünfmal niedriger als im Rest Deutschlands und auch erheblich niedriger als es in bisherigen Schätzungen.

Das sollten wir allerdings bereits aus anderen internationalen Studien wissen. Laut den Daten der am besten untersuchten Länder wie Südkorea und Island sowie dem Kreuzfahrtschiff Diamond Princess liegt die Letalität von Covid19 insgesamt im Promillebereich (Artikel von John PA Ioannidis) und damit im Bereich einer starken Influenza (Grippe) Epidemie.

Eine französische Studie kam zum Ergebnis, dass sich die Letalität von Covid19 nicht wesentlich von bekannten Coronaviren in einem Krankenhaus unterscheidet. Eine Nature Medicine Studie kommt selbst für die chinesische Stadt Wuhan zu einem ähnlichen Ergebnis.

50% bis 80% der testpositiven Personen bleiben symptomlos, über 90% der testpositiven Personen zeigen höchstens milde oder moderate Symptome. Von einer grundsätzlich „fehlenden Immunität“ in der Bevölkerung kann daher nicht gesprochen werden.

Was sind die Risikofaktoren?

Das Medianalter der Verstorbenen liegt in den meisten Ländern (inklusive Italien) bei über 80 Jahren und nur circa 1% der Verstorbenen hatten keine ernsthaften Vorerkrankungen. Das Sterbeprofil entspricht damit im Wesentlichen der normalen Sterblichkeit.

Grundsätzlich gilt: Gefährdet ist, wer chronisch krank ist und damit sein Immunsystem dauernd beschäftigt oder gar überlastet. Das zeigen alle bisherigen Studien aus Italien oder China. Selbst Übergewicht und Adipositas sind bereits wegen der dadurch hervorgerufenen chronischen entzündlichen Prozesse im Körper eine Gefahr. Das zeigt eine chinesische Studie mit 112 COVID-19 Patienten, die im März publiziert wurde. Von den 17 Toten waren 15 (88%) übergewichtig mit erhöhtem BMI. Zum Vergleich, nur 18 (19%) der 95 Überlebenden hatten einen erhöhten BMI.

Begrenzung der Kollateralschäden

Es ist also Zeit wenn auch vorsichtig wieder zur Normalität zurückzukehren und vor allem die Kollateralschäden zu begrenzen. Patientenanwältin Sigrid Pilz berichtete bei einer Diskussion in Servus TV, dass Patienten wichtige und notwendige Behandlungen oder Untersuchungen nicht erhalten. Und auch die wirtschaftlichen Schäden müssen dringend eingegrenzt werden, denn auch geht es über kurz oder lang um gesundheitliche Schäden.


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