
Oxford Studie: niedrige Schwelle für Herdenimmunität wegen vorhandener Abwehr gegen Coronaviren
Eine von einem Team der Universität Oxford erstellte Studie ergab, dass einige Teile des Vereinigten Königreichs möglicherweise bereits eine Herdenimmunität gegen Coronavirus erreicht haben. Laut der in der vergangenen Woche veröffentlichten Studie weist ein erheblicher Teil der Bevölkerung möglicherweise eine „angeborene Resistenz oder einen Kreuzschutz vor Exposition gegenüber saisonalen Coronaviren“ auf, wodurch der Anteil, der für eine Coronavirus-Infektion anfällig ist, viel geringer ist als bisher angenommen.
Das Oxford-Team wird von Sunetra Gupta geleitet, einer Professorin für theoretische Epidemiologie. In den letzten Monaten hat sie argumentiert, dass die Kosten für den Lockdown für die Ärmsten in der Gesellschaft zu hoch sein werden. In einem Interview stellt sie auch die Sprache und Qualität der Debatte über die Auswirkungen der Pandemie in Frage gestellt.
Das Prinzip des Schutzes gegen Infektion
Das Prinzip des Schutzes vor der Exposition gegenüber verwandten Viren und jeder Art von Krankheitserreger ist seit langem bekannt. Der allererste Impfstoff, den es gab, nämlich Pocken, basierte darauf, dass Kuhpocken vor Pocken schützen.
Gupta schließt aus dem derzeitigen Infektionsgeschehen, dass einige die Reaktionen auf frühere Exposition gegenüber saisonalen Coronaviren uns tatsächlich vor Infektionen schützen könnten. Es geht nicht nur darum, dass man sich anzustecken kann und dann nicht krank wird. Die neuen Studien zeigen, dass die Menschen tatsächlich Infektionen verhindern können.
Auf einer noch grundlegenderen Ebene scheinen die bereits vorhandenen Antikörper oder T-Zell-Reaktionen gegen Coronaviren vor Infektionen zu schützen, nicht nur vor dem Ergebnis einer Infektion.
Kritik an Studien
Gupta kritisiert, dass die Ergebnisse der Studien homogenisiert würden, dabei sind die Daten und somit die Infektionen sehr unterschiedlich. Sie sind insgesamt, abgesehen von Hotsports wie Bergamo, Ischgl oder den Slums von Buenos Aires, eher niedrig. London kommt auf 20%, anderee Teile des UK auf 5 oder 6 Prozent.
Diese beiden Informationen sind gegeben. Das dritte Stück, das fehlende Puzzleteil ist, dass manche Menschen vollständig resistent gegen Infektionen sind, weil sie eine wirklich gute Abwehr haben. Das könnte ein Teil unseres angeborenen immunologischen Systems sein. Einige der Leute, die die Infektion abgewehrt haben, haben früher auf andere Coronaviren reagiert.
Der andere Teil des Puzzles ist laut Gupta, dass einige Leute infiziert werden und Antikörperreaktionen entwickeln, die aber sehr schnell verschwinden.
Gupta schließt daraus:
„Sie können zwei Dinge sehen. Sie können sehen, warum das Seroprävalenzniveau möglicherweise niedrig ist, und Sie können auch schließen, dass das Niveau der Herdenimmunität, das erforderlich ist, um zu verhindern, dass das Ding wieder explodiert, tatsächlich viel niedriger ist, als die Zahlen vermuten lassen, die derzeit recht unachtsam herumgeworfen werden.“
Als fünftes Puzzleteil nennt Gupta die Saisonalität. Sie erwartet, dass es wieder zu einer Ausbreitung von Infektionen kommen wird, die sich aber vermutlich nur auf Regionen beschränken wird, die einen wirksamen Lockdown hatten und wo Antikörper sich nr bei einem geringen Prozentsatz der Bevölkerung bilden konnten.
Was wir in Zukunft erwarten können
In Regionen mit höherem Anteil von Personen mit Antikörpern, ist sie vorsichtig optimistisch, dass die Infektion nicht mit der ursprünglichen Vehemenz wieder auftritt.
In der veröffentlichten Studie wird angenommen, dass die Schwelle für die Herdenimmunität bei etwa 25 Prozent liegt. Damit sind genug Menschen immunisiert, sodass die Epidemie langsam zum Erliegen kommt. Typischerweise wird diese Schwelle aber in einer Epidemie überschritten. Daher bedeutet ein Anteil der Bevölkerung von 42 Prozent mit Antikörpern wie in Ischgl nicht, dass die Schwelle nicht erheblich tiefer liegt.
Gupta geht auch auf den Unterschied des Umgangs mit infektiösen Krankheiten in westlichen und östlichen Kulturen ein:
„Ich bin erstaunt über zwei Dinge. Eine ist die kriegerische Sprache, die in Bezug auf das Virus verwendet wird, was auf diesen Wunsch nach Vernichtung hinweist, der mir seltsam erscheint. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass es aus einer östlichen Tradition stammt, aber ich würde es gerne für seltsam halten, weil wir mit Infektionskrankheiten leben. Wir nehmen Infektionskrankheiten wirklich in unseren Gesellschaftsvertrag auf. Wir wissen, dass dies eine Bedrohung ist, mit der wir umgehen müssen.
Das andere interessante Problem, das mir bei dieser besonderen Bedrohung plötzlich aufgefallen ist, ist, dass die Menschen es wie eine externe Katastrophe behandeln, wie einen Hurrikan oder einen Tsunami, als ob Sie die Luken schließen können und es irgendwann weg sein wird. Das ist einfach nicht richtig. Die Epidemie ist eine ökologische Beziehung, die wir zwischen uns und dem Virus bewältigen müssen. Stattdessen betrachten die Leute es als eine völlig äußere Sache.“
Das gesamte Interview kann hier nachgelesen werden.
Hier noch ein Interview von Professor Gupta mit den Hindustani News:
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Foto: Unversität Oxford