Neuer Brexit-Deal: EU und UK wieder vereint

1. März 2023von 3,1 Minuten Lesezeit

Jahrelang schien ein Deal unmöglich, doch jetzt nicht mehr. Die EU und Großbritannien haben einen neuen Handelsdeal, das “Windsor-Abkommen” steht. Was mit dem Brexit begann, ist nun wieder ein trautes Bündnis. Denn Brüssel dürfte seine Prinzipien plötzlich aufgegeben haben. 

Überfliegt man die insgesamt umfangreichen Dokumente des neuen Abkommens, dann wird neuerlich vollkommen klar, welcher Wahnsinn das Nordirland-Protokoll eigentlich ist bzw. war. Die Frage stellt sich im Nachhinein noch einmal: Wie konnte es dazu eigentlich kommen?

EU eingeknickt?

  1. Michel Barnier im Auftrag der EU-Kommission verhandelte ganz offenbar unter dem Imperativ, der Absicht: Wir werden das UK für den Austritt bestrafen!
  2. Die britische Seite und Johnson persönlich hatten ganz offenbar nicht im Sinn, den Vertrag einzuhalten. Im Übrigen konnte man Nordirland im schlimmsten Fall auch opfern – daran lag nicht viel.

Die britische Seite betont in ihrer Präsentation: Wir haben die meisten störenden Punkte weg­verhandelt. Nur mehr 3 % der EU-Regelungen gelten weiter. Das ist natürlich ein billiger Trick. In solchen „3 %“ verbergen sich gewöhnlich die entscheidenden Punkte, die fundamen­talen Unterschiede und Interessens-Gegensätze. Aber es gibt vielleicht zwei Ergebnisse, die wesentlich sind: Die Rechtssprechung des EuGH verschwindet im Wesentlichen – wenn’s denn stimmt. Dieser Punkt ist unklar. Da ist in einem der vielen Teilpapiere die Rede von Schiedsgerichten oder dem EuGH: Das wäre ein fundamentaler Unterschied. Und mit der Stormont-Brake erhalten die Unionisten ein Veto-Recht gegen weitere Übergriffe seitens der EU und ihrer imperialen und imperialistischen Ansprüche auf Nordirland. Das wäre tatsächlich fundamental.

Es wird nun die Praxis zeigen, ob dies eine Rauchwolke ist, oder ob die EU wirklich eine Wende vollzogen hat.

Warum sollte sie eigentlich? Warum geht jetzt plötzlich das, was die EU bisher als in Stein gemeißelt verkauft hat?

EU und UK: Seite an Seite

Die Antwort dürfte im EU-Krieg in der Ukraine liegen. Die EU und speziell die Kommission will nicht riskieren, im gegen Russland und den Rest der Welt so geeinten Westen einen Dauer-Zwiespalt aufzureißen. „I remember our first discussions, when we saw eye-to-eye onhow to support our Ukrainian friends. And I was encouraged by our trustful and strong cooperation on this crucial geostrategic issue.” Das war von der Leyen in ihrer Präsentation des Vertrags.

Großbritannien ist einer der Hauptfalken des Westens im Ukraine-Krieg. Dahinter stehen mehr ideologische Gründe als reale materielle Interessen. Unter solchen Umständen ist eine Wende nicht ausgeschlossen. Der Flinten-Uschi aber ist dieser Krieg überragend wichtig. Was kümmert sie Nordirland oder speziell auch der katholische Bevölkerungsteil? Den Hass auf das ausgetretene UK dürfte sie wesentlich weniger intensiv kultivieren als der Ex-Kommissär und gescheiterte französische Präsidentschafts-Kandidat. Mit dem globalistischen Sunak kann sie zu einem Verständnis kommen. Man muss ihn sogar gegen die britischen Nationalisten schützen.

Darüber hinaus könnte von der Leyen auch persönlich motiviert sein. Ein Großteil ihrer Amtszeit ist vorbei. Dieses Abkommen ist ihr erster politischer Erfolg als Kommissions-Präsidentin – wenn er denn in Großbritannien akzeptiert wird. Sie will sich aber vermutlich verlängern lassen, doch hat sie bisher nichts vorzuweisen.

Wir können mit einer gewaltigen Portion an Zynismus sagen: Der Ukraine-Krieg hat offenbar auch positive Auswirkungen.

Bild Christoph ScholzWegweiser mit Brexit (33442062658)CC BY-SA 2.0

Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten spiegeln nicht unbedingt die Ansichten der fixen Autoren von TKP wieder.

Albert F. Reiterer wurde 1948 in Kärnten geboren, ist Gesellschaftswissenschaftler und lehrte Politik, Soziologie und Anthropologie in Wien, Innsbruck und Graz und ist seit mehreren Jahren in Pension.


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11 Kommentare

  1. niklant 3. März 2023 at 9:31

    Das passt doch perfekt, da kann man dann über UK wieder Chninesiche Einkäufe tätigen! Wofür sonst ist eine UK noch gut? Das Land ist pleite, nur die Politik und deren Lobby ist bestens versorgt! Korruption in der EU ist nun mal das Hauptgeschäft!

  2. Andre 2. März 2023 at 7:51

    Da legen sich zwei Kranke zusammen ins Bett und glauben dann Gesund zu sein…

  3. Jurgen 1. März 2023 at 21:46

    Vielleicht hat die EU ja kapiert, dass die Kriege alle von Britannien inszeniert wurden und werden und will sie diesmal nicht außen vor lassen? Aber die von der Leiden ist dafür eigentlich viel zu dumm…

  4. I.B. 1. März 2023 at 19:33

    “Sie will sich aber vermutlich verlängern lassen, doch hat sie bisher nichts vorzuweisen….”

    Sie hatte auch vorher nichts vorzuweisen gehabt und wurde doch zur Kommissions-Präsidentin erkoren.

  5. Fritz Madersbacher 1. März 2023 at 19:07

    “Die Antwort dürfte im EU-Krieg in der Ukraine liegen”
    Ganz sicher sogar, man kann ruhig den Konjunktiv gegen den Indikativ austauschen. Der Nordirland-Konflikt wird trotzdem nicht für immer verschwinden …

  6. Karsten Mitka 1. März 2023 at 18:41

    Wieder vereint? Komme ich jetzt wieder mit dem normalen Personalausweis nach London? Nein? Dann ist nix vereint!

    • Maximillian 2. März 2023 at 4:41

      Das gleiche gilt für wohnen und arbeiten in UK als EU-Bürger. Das war schon sehr cool zuvor einfach in den Flieger setzen und Immigration einfach Pass zeigen durchgehen. Pfund wechseln musste man noch, aber das war erträglich, weil nette Scheine. London allerdings unmöglich teuer die Mieten, sonst hätte ich dort sicher was aufgemacht.

  7. Alex 1. März 2023 at 16:14

    City of London > EU ganz einfach, das Schmierentheater dazwischen dient nur die Massen zu beschäftigen.

    • quantumonly 1. März 2023 at 17:47

      Wer bestimmt was die EU bestimmt?

      • Dr. No 1. März 2023 at 22:05

        USA

      • Maximilian 2. März 2023 at 4:43

        Pfizer und Lockheed Martin

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