T-Zellen garantieren anhaltende Immunität – Antikörper möglicherweise schädlich

17. Dezember 2020von 6,2 Minuten Lesezeit

Das landläufige Wissen über Immunität beschränkt sich auf Antikörper. Klingt gut wegen des „Anti“. Die Gefahr dabei: Antikörper können auch eine Infektion verstärken statt bremsen. Und sie verschwinden relativ rasch. T-Zellen bleiben dagegen über Jahrzehnte aktiv und sie steuern das Immunsystem. Sie sind daher das Schlüsselelement beim Schutz gegen Infektionen.

In einem in mehreren medizinischen Fachmagazinen publizierten Beitrag geht Marc Hellerstein (University of California, Berkley) auf die Rolle von T-Zellen und Antikörpern in der Immunabwehr ein. Er äußert immunologische Bedenken gegen die Verwendung der Antikörperantwort als alleinige Messgröße für die schützende Immunität bei Coronavirus-Infektionen.

Die Antikörperreaktion ist kein guter Marker für eine Coronavirus-Infektion. T-Zell-Antworten waren bessere Marker als Antikörper-Antworten nach einer natürlichen Coronavirus-Infektion. Bei SARS hatten nur 50 % der Überlebenden nach 3 Jahren nachweisbare Antikörper und keiner hatte nach 6 Jahren Antikörper oder B-Zell-Antworten auf SARS-CoV-1, während virusspezifische T-Zellen noch nach 17 Jahren vorhanden waren.

Starke Antikörper-Anwort bei schwerer Erkrankung

Die Antikörperreaktion beim Middle East Respiratory Syndrome (MERS) war gering oder bei leichter Erkrankung gar nicht vorhanden. Eine experimentelle Infektion mit einem Erkältungs-Coronavirus beim Menschen führte zu Antikörpern, die innerhalb eines Jahres abklangen. Frühe Daten bei einer SARS-CoV-2-Infektion deuten auf eine kurzlebige, weniger robuste oder fehlende Antikörperreaktion bei einer milden klinischen Erkrankung hin, wobei 40 % der asymptomatischen Patienten etwa 12 Wochen nach der virologischen Diagnose negativ für Anti-Spike-IgG testen und eine mittlere Reduktion von 70 % gegenüber den anfänglichen IgG-Spiegeln aufweisen.

Aber es kommt noch deutlicher. Eine starke Antikörperreaktion hängt mit einer schwereren klinischen Erkrankung zusammen, während eine starke T-Zell-Antwort nach einer weniger schweren Erkrankung zu beobachten ist. MERS-Überlebende mit höheren Antikörperspiegeln hatten im Vergleich zu Probanden ohne nachweisbare Antikörper längere Aufenthalte auf der Intensivstation und benötigten mehr Unterstützung durch das Beatmungsgerät, während bei genesenen Patienten mit weniger schwerer Erkrankung höhere virusspezifische T-Zell-Zahlen ohne nachweisbare Antikörper beobachtet wurden.

Starke T-Zellen-Antwort bei leichtem Verlauf

Die Autoren der Studie vermuten deshalb, dass T-Zellen das Virus schnell beseitigen, was den Schweregrad der Erkrankung, die Exposition gegenüber dem Virus und die Stärke der Antikörperantwort reduziert. Höhere IgG-Spiegel gegen das Spike-Protein während der akuten Infektion wurden bei SARS-Patienten beobachtet, die anschließend starben, was mit einer stärkeren klinischen Lungenschädigung verbunden war, verglichen mit SARS-Patienten, die sich anschließend erholten.

Übersetzt: Entwickelten Patienten rasch eine starke T-Zellen-Antwort, dann wurden sie auch rasch gesund, Antikörper waren gar nicht mehr erforderlich.

Die Zahl T-Zellen im Blut und der Anteil der verschiedenen Unterarten kann jedes Labor bei einer einfachen Blutuntersuchung bestimmen. Bei COVID-19-Patienten ist die Gesamtzahl der T-Zellzahl bei den meisten Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollen deutlich niedriger, und niedrige CD8-T-Zellzahlen (<165/mcl) sind ein Anzeichen für ein höheres Sterberisiko. Also entweder gab es vorher schon von weniger – ein schwaches Immunsystem – oder sie wurden aufgebraucht und wegen niedrigem Vitamin D Spiegel nicht rasch genug nachproduziert.

Die Antikörperreaktion ist bei schwerer Erkrankung höher als bei milder Erkrankung und eine abrupte Eliminierung des Virus, wie das durch T-Zellen passiert, wird nach dem Auftreten von Antikörpern nicht beobachtet.

Antikörper können gefährlich sein

Antikörper können die Krankheit sogar verschlimmern durch die so genannte Antikörper-abhängige Verstärkung. Das wird bei einer Coronavirus-Infektion bei Tieren beobachtet und tritt möglicherweise auch bei Menschen auf. Die infektiöse Peritonitis der Katze ist eine Coronavirus-Erkrankung. Der Schweregrad wird durch Impfung oder passive Immunisierung mit Serum von Katzen mit hohen Antikörpertitern vor der Virusinfektion verschlimmert. Tierärzte haben mir berichtet, dass sie deshalb mit der Impfung gegen Corona Viren bei Katzen komplett aufgehört haben.

Das SARS-CoV-1-Virus verursacht bei Frettchen nur bei zuvor geimpften Tieren eine Hepatitis. Bei Makaken verschlimmerte die Verabreichung von Immunglobulinen gegen das Spike-Protein die spätere von SARS-CoV-1-verursachte Lungenschädigung und reduzierte die Wundheilung.

Diese Befunde weisen Parallelen zum Dengue-Fieber beim Menschen auf, bei dem eine erste Infektion und Antikörperantwort, gefolgt von einer zweiten Infektion zu einer schweren Erkrankung führt. Die „bindenden“ Antikörper können das Eindringen des Virus in Zellen fördern, einschließlich des Eindringens in Fresszellen, also sogar in Teile des Immunsystem selbst.

Es muss in Betracht gezogen werden, dass Antikörper allein den Schweregrad der Coronavirus-Erkrankung verschlechtern könnten. Neue Daten bei COVID-19-Patienten unterstützen diese Sorge. Wie in einer Studie zu lesen, “wird eine signifikante Antikörperproduktion beobachtet; ob diese jedoch schützend oder pathogen ist, muss noch ermittelt werden.” In den bisher vorliegenden Impfstoffstudien, wird lediglich das Vorhandensein der (potenziell gefährlichen) bindenden sowie der (guten) neutralisierenden Antikörper konstatiert.

Langlebige T-Zellen mit breiter Wirkung

Die Labors von Sette und Crotty in La Jolla, Kalifornien, die sehr penibel die Dauerhaftigkeit von Immunantworten untersucht haben, berichteten, dass die CD4-T-Zell-Antworten auf größere Teile des Virus – mehr Epitope – reagieren als bei früheren Coronavirus-Infektionen. Die Ergebnisse waren sogar noch auffälliger für CD8 T-Zellen. Das wurde auch von anderen Studien über die Breite der CD4- und CD8-T-Zell-Reaktionen bei COVID-19-Rekonvaleszenten bestätigt.

Die meisten aktuellen Impfstoffkandidaten konzentrieren sich auf das Spike-Protein als immunisierendes Antigen, aber die natürliche Infektion verursacht eine breite Epitopabdeckung durch T-Zellen. Mit den Impfstoffen wird dem Immunsystem nur ein einziges Merkmal des Virus präsentiert. Diese Schwäche ist typisch für die derzeit in Zulassung befindlichen mRNA und Vektor-Impfstoffe von Firmen wie Pfizer, Moderna oder AstraZeneca. Immunologen betonen deshalb auch immer wieder, wie etwa kürzlich Professor Florian Deisenhammer von der MedUni Innsbruck, dass die Immunität durch Infektion besser und kompletter ist als durch Impfung erreichbar.

Beispiele für langlebige Immunität

Es gibt einige Benchmarks für Dauerhaftigkeit der T-Zellen als Maßstab für die Qualität und Langlebigkeit des Immunschutzes. Mit den Gelbfieber- und Pockenimpfstoffen gibt es gute Beispiele für die primäre Immunantwort auf eine virale Impfung. Diese Impfstoffe erzeugen einen bemerkenswert effektiven und langlebigen Immunschutz und weisen gemeinsame Merkmale für die Immunität durch CD8-T-Zellen mit breitem Reaktionspotenzial und hoher Langlebigkeit auf.

In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder die Studie aus Singapur genannt, die bemerkenswerte Ergebnisse zu T-Zellen gebracht hat. Man fand T-Zellen gegen SARS-CoV-2 bei 100% der von COVID-19 genesenen Patienten (36/36 Patienten). Darüber hinaus hatten 23/23 Patienten, die 17 Jahre nach der Genesung von einer SARS-CoV-1-Infektion untersucht wurden, immer noch reaktive T-Zellen für SARS-CoV-1. Wichtig ist, dass diese Zellen auch auf SARS-CoV-2 reagierten.

Zusammengenommen erzählen diese Ergebnisse eine wichtige und potenziell vielversprechende Geschichte. Nach einer SARS-CoV-1- oder -2-Infektion werden durchgängig T-Zellen beobachtet, die auf Coronavirus-Proteine reagieren, über viele Jahre erhalten bleiben und eine Kreuzreaktivität zwischen den beiden Viren aufweisen.

Darüber hinaus können SARS-CoV-2 reaktive T-Zellen oft durch milde Coronavirus-Infektionen, die Erkältungen verursachen, erzeugt werden. Die Entdeckung von auf SARS-CoV-2 reagierenden T-Zellen bei nicht exponierten Personen wurde nun an mehreren geografischen Orten berichtet und könnte, wenn sie sich in weiteren Studien bestätigt, einen Teil der Unterschiede der klinischen Ergebnisse bei COVID-19 erklären.


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2 Kommentare

  1. Guido Vobig 25. Januar 2021 at 16:32

    ”Mit den Gelbfieber- und Pockenimpfstoffen gibt es gute Beispiele für die primäre Immunantwort auf eine virale Impfung.”

    Könnte auch damit zusammenhängen, dass Gelbfieber über eine Verletzung der Haut seinen Lauf nimmt und die Impfung per Nadel diesem Weg eher folgt, als bei Erkrankungen, die über die Schleimhäute ihren Anfang nehmen. Gleiches gilt für die Impfung gegen Tollwut. Die Ausrottung der Pocken dagegen hatte einen natürlichen Helfer, nämlich die Verbreitung der Kuhpocken, die zur Immunität gegen die Pocken führte.

  2. Bertram Burian 17. Dezember 2020 at 20:01

    Das sind ja höchst wichtige Erkenntnisse und man fragt sich, warum diese im Wissenschaftsbetrieb nicht längst gemacht wurden und auch warum sie, wenn sie einmal publiziert sind, nicht innerhalb kürzester Zeit das Erkenntnis- und Handlungsspektrum des Gesundheitswesen beeinflussen. Die Antwort ist wohl: Wissenschaft, die nur dem Gewinn der Pharmaindustrie dient und nicht dringlich das Wohlergehen der Menschen vor Augen hat, ist eben keine Wissenschaft. Gott sei Dank retten andere Wissenschaftler das Wissenschaftskonzept.

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