Das Ende einer Illusion: Skandinavien nimmt Abstand von Schul-Digitalisierung

5. Januar 2024von 13,1 Minuten Lesezeit

Im Frühjahr 2023 kündigte die schwedische Regierung an, die Digitalisierung im Schulunterricht zurückzufahren, was zu so mancher „Verstimmung“ führte. Wie so oft, zog die norwegische Regierung im Herbst letzten Jahres nach (TKP hat berichtet) und kam zu ähnlichen Ergebnissen. Nun erschien kürzlich noch ein weiterer Hinweis zu dem dritten „Vorreiter“ in Sachen Digitalisierung, Finnland, wo man auf der Sekundärstufe ebenso „vor einem Scherbenhaufen“ steht.

Skandinavien gilt in vielfacher Hinsicht als eine Art „Extremvorbild“ für viele Themen, die in Mitteleuropa von Politik, „Experten™“ und Leitmedien beklagt werden. Vielfach aber sind die Realitäten durchaus „anders“ als man sich dies aus der Ferne vorstellt, und auch „Fact Finding“-Missionen wie von einer Abteilung der österreichischen (vom Oligarchen Hans-Peter Haselsteiner finanzierten „liberalen“ Klein-) Partei NEOS letztes Jahr unternommen zeitigen oft ausgesprochen widersprüchliche wie -sinnige „Lernerfolge“ (TKP hat berichtet).

Die in Folge erwähnten Übersetzungen stammen ebenso wie die Hervorhebungen von mir.

PISA-Misserfolg in Norwegen

Anfang Dezember 2023 berichtete der Staatsfunk NRK ausführlich über die Ergebnisse der PISA-Studie aus dem Jahr davor. Die Ergebnisse in aller Kürze: seit der ersten Teilnahme Norwegens an der von der OECD organisierten Testreihe (was 2003 erfolgte), waren „die Ergebnisse noch nie so schlecht“.

Norwegische Mädchen sind in Mathematik schlechter geworden…Auch in den Bereichen Lesen und Naturwissenschaften schneiden norwegische 15-Jährige schlechter ab, liegen aber fast auf demselben Niveau wie in den Vorjahren.

Bildungs- und Wissenschaftsministerin Kari Nessa Nordtun (Arbeiterpartei) äußert sich hierzu wie folgt:

„Ich bin besonders besorgt über den starken Rückgang [der Kompetenzen] der Schüler auf der untersten Stufe“…Die Zahlen sind ernst, gerade weil sie in einer Reihe mit mehreren anderen Untersuchungen stehen. Norwegische Kinder lesen weniger und haben unter anderem ein schlechteres Verständnis von Demokratie, sagt sie.

Die Forscher hinter dem Bericht haben keine Erklärung für den Rückgang, verweisen jedoch auf die Pandemie und die Corona-Maßnahmen als mögliche Ursache.

Nordtun selbst weist unter anderem auf die Bildschirmnutzung hin: „Viele Schüler sind weniger motiviert für die Schule. Die Digitalisierung habe unsere Lesegewohnheiten verändert und die Nutzung von Bildschirmen habe sich wahrscheinlich sowohl auf die Konzentration als auch auf die Aufmerksamkeit ausgewirkt.“

Der Bericht ist alleine schon deswegen spannend, da viele „Nebenwirkungen“ von „Digitalisierung“ bzw. deren „Wechselwirkungen“ mit den Corona-Maßnahmen klar angesprochen werden. So gibt etwa der Zehntklässler Aron Håheim folgende Bemerkung ab: „Ich bin der Covid-Wurf. Ich war drei Monate zu Hause. Dann habe ich für nichts Hilfe bekommen, was wahrscheinlich dazu geführt hat, dass viele sowohl in Mathe als auch im Lesen zurückgefallen sind.“

Die PISA-Studie ist übrigens in Norwegen durchaus umstritten, und seit Jahren streben etwa Zentrumspartei und Linkssozialisten (Sosialistisk Venstreparti, SV) danach, dass Norwegen aus der PISA-Studie aussteigt; die Arbeiterpartei von Ministerpräsident Støre ist weiterhin an der norwegischen Teilnahme interessiert.

Ein Teil der Kritik daran besteht darin, dass sie nicht zwischen Gemeinde- und Kreis- oder Bezirksebenen unterscheidet und daher wenig konstruktive Informationen liefert, die zur Verbesserung der Schulbildung genutzt werden können.

Aus dem Bericht der norwegischen „Bildschirmzeit-Kommission“

Die Regierung sucht dem durch evidenzbasierte Regeln beizukommen und hat im Nachgang der Entwicklungen im benachbarten Schweden eine Bildschirmzeit-Kommission (Skjermbrukutvalget) mit der Erarbeitung von Empfehlungen beauftragt (TKP hat berichtet).

Im Folgenden präsentiere ich die Hauptfunde und Empfehlungen des ersten Teils des Berichts, dessen endgültige Version für den Herbst 2024 erwartet wird.

Die Bildschirmnutzung in norwegischen Schulen hat in relativ kurzer Zeit zugenommen. Die meisten Schüler verfügen über ein eigenes digitales Gerät und digitale Lehrmittel sind in Schulen weit verbreitet. Die Untersuchung zeigt, dass Schüler tendenziell häufiger alleine arbeiten und dass in Klassenräumen, in denen digitale Geräte eins zu eins abgedeckt sind, weniger Unterricht für die gesamte Klasse stattfindet. Wir wissen zu wenig über die Folgen einer zunehmenden Einzelarbeit für das Lernen und Wohlbefinden der Schüler, können aber dennoch davon ausgehen, dass es sich dabei um eine Form der Arbeit handelt, die für manche demotivierend sein kann…

Dennoch weisen digitale Geräte einige Eigenschaften auf, die das Lernen von Schülern stören und ihre Konzentrations- und Aufmerksamkeitsfähigkeit beeinträchtigen können. Daher muss darüber nachgedacht werden, wie digitale Geräte im Klassenzimmer eingesetzt werden sollen und wann der Einsatz von Stift und Papier sinnvoller ist.

Besonders eindeutig sind die Hinweise über Lesepraktiken und -Kompetenzen:

Die Forschung zeigt, dass das Leseverständnis auf dem Papier besser ist, wenn wir unter anderem zusammenhängende Informationstexte lesen. Wenn wir auf einem Bildschirm lesen, neigen wir dazu, oberflächlicher zu lesen und uns nicht so stark zu konzentrieren wie beim Lesen auf Papier

Das Lesen längerer zusammenhängender Texte ist besonders wichtig für die Entwicklung guter Lesefähigkeiten, aber auch für die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten wie kritisches Denken. Für diejenigen, die gut lesen können, scheint die Wahl des Bildschirms oder des Papiers eine untergeordnete Rolle zu spielen. Schüler mit geringer Lesekompetenz profitieren weniger vom Lesen am Bildschirm…

Während wir mehr auf Bildschirmen lesen, deuten Untersuchungen darauf hin, dass Schüler mehr auf Papier lesen sollten.

Dies kann ich aus meiner Lehrerfahrung an norwegischen Hochschulen nur unterstützen. Als Vater zweier Volksschülerinnen verweise ich zudem auf auf die riesigen Probleme, die man hier m.E. aufgrund der Gesamtschule in den ersten sieben (!) Schulstufen hat: alle sind „gleich“, d.h. man wartet hierzulande immer auf den oder die Schwächste; es gibt auch Leistunsgruppen (die hier aber anders ausgwiesen werden) und massive Unterschiede zwischen den Schülern innerhalb der einzelnen Klassen. Anerkennung „besserer“ oder „leistungsfähigerer“ Schüler findet jedoch nicht statt, da dies dem parasozialistischen Ethose des Landes offenbar zu stark widersprechen würde.

Beim Thema Schreiben gibt es geteilte Erkenntnisse zu der Frage, ob Kinder das Schreiben mit der Hand oder auf der Tastatur lernen sollten. Handschrift kann die Feinmotorik und die kognitiven Fähigkeiten von Kindern verbessern [dies ist erwiesen], aber auch das Tippen auf einer Tastatur kann für manche Schüler motivierend sein [dies ist eine andere Angelegenheit]. Untersuchungen, die Handschrift mit einer Tastatur in der Anfängerausbildung vergleichen, konnten keinen Unterschied in der Entwicklung der Schreibfähigkeiten der Schüler feststellen. Somit können sowohl Handschrift als auch Tastaturen zur Entwicklung der Schreibfähigkeiten der Schüler beitragen.

Dies ist jedoch – Schwachsinn. „Schönschreiben“ wird hierzulande nicht gelehrt, die handschriftlichen Notizen erwachsener Menschen an den Hochschulen sind, gelinde gesprochen, wahrlich keine Augenweide (und ich sage dies als Historiker mit umfassender Erfahrung im Lesen vormoderner Quellentexte auf v.a. Renaissance-Latein/Italienisch bzw. frühneuzeitlichem Verwaltungsdeutsch). Auch hierbei gilt der Verweis zu bedenken, dass die Unterschiede zwischen denjenigen, die „gut“ oder „besser“ sind und den Schülern, die „schlechter“ sind, umso mehr ins Gewicht fallen.

Immerhin sind die Verfasser der Teilstudie relativ ehrlich, wenn es um die Folgen der aktuellen Digitalisierung geht:

Die Entwicklung der Schreibfähigkeiten über einen längeren Zeitraum und die Auswirkungen auf die kognitiven Fähigkeiten der Schüler wurden in den Studien nicht untersucht. Bei älteren Schülern können KI und prädiktives Schreiben die Schreibfähigkeiten der Schüler beeinträchtigen, insbesondere im Sekundarbereich und im Sekundarbereich II [also in Gymnaisum und v.a. in der Oberstufe, Anm.] Die Digitalisierung der Gesellschaft und die Entwicklung der KI werden vielleicht auch Einfluss darauf haben, welche Schreibfähigkeiten wir in Zukunft brauchen werden. Hier gibt es derzeit mehr Fragen als Antworten.

Hierzu eine „Anekdote“ aus meinem Berufsfeld: im Herbst haben wir an der Universität in Bergen darüber diskutiert, wie man mit „KI“ (v.a. ChatGPT o.ä.) umgehen sollte: von mir abgesehen war lediglich ein älterer Kollege der Meinung, die Lösung sei „einfach“: keine digitalen schriflichen Examen mehr und mehr mündliche Prüfungen. Es ist müßig darauf hinzuweisen, dass wir beide in der klaren Minderheit blieben; meine Kolleginnen und Kollegen wiesen auf den „nicht unerheblichen Mehraufwand“ für Prüfungskorrekturen hin und entschieden sich, auf nationale Vorgaben zu warten. (Ich selbst habe mich entschieden, nie wieder digitale Hilfsmittel wie PowerPoint o.ä. einzusetzen.)

Apropos anekdotenhaften Hinweise – diesesn Bereich abrundend einige Zeilen über Mobiltelefone in Norwegens Schulen:

Die Nutzung von Mobiltelefonen in der Schule kann ein Hilfsmittel zum Lernen sein, kann aber auch störend sein und somit zu geringeren Lernergebnissen für Schüler führen…Mobiltelefonregeln [sind] im Klassenzimmer und in den Pausen in norwegischen Schulen in unterschiedlichem Maße weit verbreitet sind. Die Auswirkungen der Mobilfunkregeln in Schulen sind noch nicht ausreichend erforscht und es ist daher schwierig, Rückschlüsse auf die Funktionsweise der Regeln zu ziehen. Aus den vorliegenden Studien lässt sich schließen, dass sich strenge Handyregeln sowohl positiv auf die schulischen Leistungen als auch auf Mobbing in der Schule auswirken können. Dies betrifft insbesondere einige Schülergruppen, insbesondere Mädchen und leistungsschwache Schüler. Gleichzeitig kann ein völliges Verbot im Unterricht kontraproduktiv sein, da es insbesondere bei älteren Schülern schwer durchsetzbar sein kann.

Dies ist – leider – ein Problem, das auch an den Hochschulen bzw. im Berufsleben sehr weit verbreitet ist. Lösbar ist dies jedoch nicht auf einen Streich, wie der Bericht auch festhält:

Die Einführung nationaler Mobiltelefonregeln wird nicht unbedingt zu wesentlichen Verbesserungen der Schülerergebnisse führen, insbesondere in Schulen, in denen bereits informelle Regeln für die Nutzung von Mobiltelefonen gelten.

Dies ist offenkundig der Fall, da bereits 2019 „vier von fünf Schulen“ in Norwegen komplette oder teilweise Handy-Verbote eingeführt hatten. Eine klar in die richtige Richtung weisende Konsequenz dieser Verbote ist jedoch bereits ersichtlich: Wie Aftenposten Ende Dezember letzten Jahres berichtete, so benutzen seither „mehr Schülerinnen und Schüler die Dusche nach dem Sport“ – anstatt sich gleich schwitzend und müffelnd mit dem Mobiltelefon zu befassen.

An dieser Stelle verlassen wir Norwegen für den Moment und wenden uns dem dritten nordischen Land zu.

Auch Finnland steht vor dem Scherbenhaufen seiner Bildungspolitik

Wie u.a. die Helsinki Times zeitnah berichtete, so sieht es auch in Finnland kaum anders aus: Die finnische Jugend hat sich „in den drei im internationalen Test untersuchten Kernfächern verschlechtert: Naturwissenschaften, Lesen und Mathematik“. Wie das Bildungs- und Kulturministerium am 5. Dez. bekanntgab, war „die durchschnittliche Punktzahl finnischer 15-Jähriger in der Mathematikkompetenz – dem Hauptschwerpunkt der neuesten Bewertung – gegenüber 2018 um 23 Punkte auf 484 Punkte gesunken“. Wiewohl dies zwar nach wie vor „12 Punkte höher als die durchschnittliche Punktzahl von Schüler in der gesamten OECD“ ist, so schrillen auch in Finnland die Alarmglocken.

Das Ministerium für Bildung und Kultur bezeichnete die Gesamtsituation als „äußerst beunruhigend“…es wurde auch darauf hingewiesen, dass zwar die Leistungen von Schülern mit und ohne Migrationshintergrund in allen drei Kernfächern zurückgingen, der Rückgang bei Schülern ohne Migrationshintergrund jedoch in Mathematik und Naturwissenschaften schneller ausfiel, wodurch sich die Kluft zwischen den beiden Schülergruppen verringerte.

Eine positive Erkenntnis aus den jüngsten Ergebnissen ist, dass Schüler in Finnland weniger Angst vor Mathematik zeigten als anderswo in der OECD.

Woher diese „Angst“ vor Mathematik kam (evtl. weil wir „arabische“ Zahlen – die ursprünglich aus Indien stammen – verwenden?), dies konnte zwar niemand so genau erklären, aber wie in Schweden und Norwegen, so verweisen auch die Finnen auf dieselben Hintergründe und Zusammenhänge:

Finnische Schüler waren besonders besorgt über die Nutzung digitaler Geräte: 41% schätzten, dass digitale Geräte sie in jeder oder den meisten Mathematikstunden abgelenkt hätten…

Bildungsministerin Anna-Maja Henriksson (SFP) erinnerte daran, dass die Pandemie und ihre Auswirkungen auf den Unterricht, die Motivation und das Wohlbefinden junger Menschen unweigerlich Auswirkungen auf die Ergebnisse der globalen Bewertung hätten.

Noch klarer kann man es nicht sagen: die Corona-Maßnahmen haben sich, so die einheitliche Erkenntnis aller skandinavischen Länder, in erster Linie gegen Kinder und Jugendliche gerichtet. In diesem Sinn hat die WHO-erklärte sog. „Pandemie™“ wenig mehr getan, als bereits existierende Dynamiken verschärft:

„Finnlands Pisa-Ergebnisse haben…ihren Abwärtstrend fortgesetzt. „Bedeutsam ist, dass die Kompetenzen erheblich zurückgegangen sind, und deshalb müssen die Ergebnisse ernst genommen werden“, erklärte sie am Dienstag [5. Dez. 2023, Anm.] auf einer Pressekonferenz in Helsinki. „Die Bewertungsergebnisse geben keine erschöpfende Antwort darauf, wie viel der Erosion der Lernergebnisse auf die Pandemie zurückzuführen ist und wie viel auf andere Faktoren zurückzuführen ist.“

„Es scheint, dass sich die Einstellungen der Schüler größtenteils in eine positive Richtung verändert haben, aber das spiegelt sich nicht im Niveau ihrer Fähigkeiten wider“, fügte sie hinzu und verwies auf den Mangel an Ängsten im Zusammenhang mit Mathematik und die relativ positiven Erfahrungen mit dem Unterrichten während der Pandemie. „Der Leistungsunterschied zwischen den Schülern hat sich vergrößert und der Einfluss der häuslichen Umgebung auf die Lernergebnisse hat weiter zugenommen. Mädchen schneiden weiterhin besser ab als Jungen, und Schüler mit Migrationshintergrund verfügen über schwächere Fähigkeiten als andere Schüler.“

Es ist also eindeutig – drei nordische Länder, die allesamt als Vorreiter der Digitalisierung gelten (und sich auch als solche verstehen), kommen unabhängig voneinander zu denselben Ergebnissen: Bildschirmzeit ist kein Allheilmittel und verschärft die existierenden Gegensätze z.T. drastisch.

Darüber hinaus tritt ebenso klar zum Vorschein wie die Tatsache, dass insbesondere die Corona-Maßnahmen diese Tendenzen z.T. drastisch verschärfte – und zwar negativ.

Nordische Digital-Desillusionierungen vs. „Nachholbedarf“ in Mitteleuropa

Kehren wir zu Ende dieses Lokalagenscheins zurück nach Norwegen, wo Premierminister Støre kürzlich vor die versammelte Hauptstadtpresse trat, um die Pläne der Regierung für das nächste Halbjahr zu präsentieren. Hier finden Sie den Original-Bericht von NRK, deren sachbezogene Highlights nun folgen (Støre sprach über viele andere Dinge, die ich hier jedoch auslasse):

Støre sagte, die Regierung werde die „unkritische Digitalisierung der Schule“ stoppen:

„Im Übergang von diesem Jahr zum nächsten nehmen wir entmutigende Nachrichten über norwegische Schulen mit. Die Ergebnisse der jüngsten Pisa-Umfrage geben Anlass zur Sorge„, sagte Støre.

Norwegische Schüler gehören zu denen, die am wenigsten Freude am Lesen haben. Er fügte hinzu, dass die Motivation der Schüler sinke, während die Bildschirmnutzung zunehme.

„Das beunruhigt viele Eltern. Unser Ziel sei es, Fehlzeiten zu reduzieren und die Konzentrationszeit zu erhöhen“, sagte Støre und fügte hinzu, dass dies seiner Meinung nach zu mehr Lernen in norwegischen Schulen und besseren Ergebnissen führen werde.

Wir halten auch fest, dass Norwegen hier keine Ausnahme; die PISA-Studie 2022 zeigte z.T. gravierende Probleme betreffend Digitalisierung und die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf.

Daneben nehmen sich die entsprechenden Ankündigungen in Mitteleuropa bzw. die (Nicht-) Aufarbeitung der „Pandemie™“-Maßnahmen – besonders betreffend die Schulen – nicht nur als hochnotpeinlich, sondern v.a. als massiv verantwortungslos aus.

Das letzte Wort in dieser Sache ist zwar gewiss nicht gesprochen, doch lässt sich diese durch die „unkritische Digitalisierung“ der Schulen hervorgerufene und durch die Corona-Maßnahmen drastisch verschärfte Misere in einem knappen Satz zusammenfassen (der aus diesem AftenpostenBericht stammt):

Finnland war für alle Schulen ein Vorbild. Dann kamen die neuen Pisa-Ergebnisse.

Mal sehen, wie lange ein es dauert, bis auch in Mitteleuropa ein entsprechendes Umdenken einkehrt.

Bild Læseapparat, Bild (c) Stephan Sander-Faes, aufgenommen im Sommer 2020 im Museum “Gamle Bergen”

Unsere Arbeit ist spendenfinanziert – wir bitten um Unterstützung.

Folge TKP auf Telegram oder GETTR und abonniere unseren Newsletter.


Bildungsmisere durch Digitalisierung: Nordische Illusionen

Initiative “Gesundheit Österreich” fordert normalen Betrieb in Kindergärten und Schulen

NEOS mit Woke-ismus im Schafspelz statt klarer Pläne zu Bildungsreform: Ein Lokalaugenschein aus Norwegen

Studie: Blindes Vertrauen der Generation Z in die Regierung wegen “gescheitertem Bildungssystem”

“Kinder im Mittelpunkt” – Der mühsame Weg zu einem besseren Bildungssystem

10 Kommentare

  1. Johannes Schumann 7. Januar 2024 at 14:01Antworten

    Ich bin Informatiker und Gegner dessen, was uns als Digitialisierung immer verkauft werden soll. Die meinen doch bestimmt nur, dass da andere Medien Einzug erhalten. Aber ein schlechter Vortrag wird nicht besser, nur weil er mit Powerpoint gehalten wird. Hier in Bremen stecken sie den Schülern iPads in die Tornister. Mehrwert tendiert gegen 0. Die iPads sind geschlossene Systeme, d.h. die können nur die schwachsinnigen Lernapps verwenden, die vorgesehen sind.

    Was ich mir als Informatiker unter Digitalisierung vorstelle sind Online-Services, Informationskanäle für Schüler, Eltern und Lehrer. Auch Videos, die man online abrufen kann. Das kann doch vorproduziert werden. Wer im Unterricht die Herleitung des Satzes des Pythagoras nicht verstanden hat, der schaut sich ein Video genau dafür an. Das könnten auch Schüler nutzen, die genau an dem Tag krank zu Hause im Bett liegen, wenn sie wissen, dass das dran war.

    Ich bin schon lange raus aus der Schule und habe keine Kinder, aber ich sehe bestimmte Entwicklungen im Sportverein und im Verband. Da meinen einige, es wäre „Digitalisierung“, wenn Anmeldungen eingescannt oder abfotografiert werden, und per Mail eingereicht werden. Was macht die Geschäftsstelle? Die druckt das aus und heftet es weg. Das ist keine Digitalisierung, sondern der alte analoge Vorgang mit digitalen Hilfsmitteln, der zusätzlichen Aufwand bedeutet. Ist es so viel verlangt, eine Anmeldung persönlich einzureichen? Man ist doch ohnehin zu Trainingszwecken vor Ort.

    Die Vorteile der Digitalisierung ergeben sich ganz von alleine, weil die Menschen es als praktisch empfinden. Ich erinnere, wie einer unser Lehrer bereits im Jahre 2001 seine Mail-Adresse an die Tafel schrieb, d.h. man konnte dort hinschreiben. Es war aber eine private. Sinnvoll wäre es natürlich, wenn die Schule von sich aus jedem Lehrer ’ne Mail-Adresse gebe, es systematisch hochziehe und Mailingslisten pflegte. Heute organisieren sich viele Sportgruppen, ohne dass ein Politiker die Anregung dazu gibt, per WhatsApp-Gruppen. Von Politikern gab es nur Störfeuer, als die Leute vor Jahren mal verunsichert wurden, ob das rechtlich einfach so geht, dass man da einer WhatsApp-Gruppe zugefügt werden kann, weil da so ein grüner Hansel irgendeine scharfe Verordnung durchbringen konnte.

    Als Informatiker lese ich nach wie vor Bücher und ziehe meine wichtigsten Informationen aus diesen. Ein Buch ist ein abgeschlossenes Werk, das sinnhaft aufgebaut ist. Ob es als eBook oder Papierbuch vorliegt, ist wieder etwas anderes. Für Fachbücher bevorzuge ich die Variante aus Papier wegen der Grafiken. Ich kenne aber natürlich auch viele Leute, die gar nicht mehr Lesen, ja Bücher und Fachbücher geradezu verachten: Wie, du liest noch? Für schnelle Lösungen ziehen die ihr Wissen aus dem Internet. Sie bauen Halbwissen auf. Wenn es hochkommt, hat man mal ’nen Zeitschriftenartikel über eine Thematik gelesen. Ich erinnere mich an einen Komilitonen, der mir erklären wollte, was Model-View-Controller sei, der aber gar das GoF-Buch über Entwurfsmuster kannte. Dieses ist ein so wichtiges Werk hinsichtlich objektorientierter Programmierung. Ich aufe es mir noch vor meinem Studium und ich arbeitete es auch durch. Nicht alles konnte ich anwenden, aber ich weiß, was die Grundlagen sind.

    Ein typischer Spruch ist auch: In der Informatik veralten die Bücher so schnell.- Das sagen nur Leute, die Informatik nicht verstanden haben. Selbst Informatiker bringen diesen Spruch. Ich kann heute noch das GoF-Buch aufschlagen und daran ist einfach nichts veraltet.

    • Jurgen 7. Januar 2024 at 18:44Antworten

      Bin auch Informatiker. Veralten im 2 Jahresrhythmus tun nur die Bücher über Tools und Betriebsysteme, die für reine Anwender geschrieben sind. Die Grundlagenbücher seit Wirth sind dagegen immer noch aktuell (mitunter weit mehr Verständnisinhalt als die heutige Literatur, Tendenz ist immer weiter abwärts seit dem Jahrtausendwechsel).
      AI/KI kann man komplett knicken, man sollte vorher ausgiebig Erfahrung mit Alzheimer Patienten sammeln, um zu erkennen, warum maschinelle Algorithmen niemals den menschlichen Geist kopieren können, kein Regenwurm kann das, keine Grafikkarte kann das, alles nur Lug und Trug zur Umleitung von Steuergeldern in die Großunternehmen.

  2. Jurgen 6. Januar 2024 at 18:30Antworten

    Auswendig lernen funktioniert mit digitalen Medien NULL. Wer nur Links kennt, kennt keine Inhalte. Wer glaubt das Wissen im Internet ist immer verfügbar, ist demnächst gewickelt, weil seit 20 Jahren immer mehr Information-Hiding und Videotie…

  3. Roland Kaschek 5. Januar 2024 at 20:13Antworten

    Eine unbefangene Analyse der Besprechung der Lernerfolge in den Schulen (anlässlich PISA- oder ähnlicher Studien) führt zu der Ansicht, dass gewisse Lebenssituationen ignoriert werden, in denen Kinder früher lernten und es heute nicht mehr oder nicht mehr im gewünschten Ausmaß tun. In den westlichen Ländern findet ein Kollaps der Familie der autochthonen Bevölkerung statt. Die Anzahl der Haushalte ohne oder mit nur einem Kind steigt. Kinder können daher nicht mehr, so wie früher, von ihren Geschwistern lernen. In vielen Fällen sind alle im Haushalt lebenden Eltern berufstätig. Auch das wirkt sich vermutlich, und zwar negativ, auf das Lernen der Kinder aus. Die Anonymität der Menschen in ihren Nachbarschaften steigt. Auch das erschwert das Lernen der Kinder von anderen Kindern.

    Die erwähnte Analyse fördert auch zu Tage, dass üblicherweise der etwaige Einfluß der Veränderung der Gesellschaft auf das Lernen der Kinder nicht thematisiert wird. Die Rolle von Bildung und Intellektualität in der westlichen Gesellschaft wurde eine andere. Viele Kinder sind der elterlichen Arbeitswelt entrückt, während sie dieser früher in der einen oder anderen Weise näher standen. Mehr oder weniger qualifizierte Arbeit, durchaus unter Einsatz von Händen und des sonstigen Körpers, gilt vielfach nicht mehr als etwas edles, sondern als etwas minderwertiges. Auch die starke Zuwanderung in die westlichen Länder spielt eine Rolle: die Verbindlichkeit der autochthonen Kultur schwindet. Es ist zu beobachten, dass Kinder sich zum Teil schon früh darauf orientieren im Sport, im Film oder im Schlager eine berufliche Zukunft zu suchen. Diese Kinder dazu motivieren sich für schulisches oder darüber hinaus “intellektuelles” Lernen zu interessieren ist schwierig, insbesondere, wenn die Eltern diesen Aspekt nicht geeignet zum Thema machen.

    Die Digitalisierung des Lernens in den Schulen hat zu einem Problem im Fach Mathematik geführt: Nicht nur können viele Schüler die in ihren Schulen benutzten Rechenhilfsmittel, Taschenrechner, nicht gut und schon gar nicht umfassend benutzen. (In den Oberstufen werden da reichlich komplexe Geräte benutzt.) Die Benutzung dieser Hilfsmittel wird in vielen Fällen nicht unterrichtet. Darüber hinaus verstehen viele Schüler nicht, dass sowohl die Hardware als auch die Software, mit der sie umgehen, fehlerhaft ist und daher gelegentlich fehlerhafte Ergebnisse ermittelt werden. Folglich müssen Ergebnisse, die man mit diesen Mitteln erarbeitet hat, systematisch auf Richtigkeit, mindestens aber auf Plausibilität, geprüft werden. Das ist auch deswegen so, weil auch der unpassende Gebrauch dieser Werkzeuge zu falschen Ergebnissen führen kann. Für diejenigen, die diese Einsichten nachvollziehen können stellen sich sodann zwei Probleme. 1. Wenn ich das Ergebnis prüfen muss, warum rechne ich es dann nicht einfach von vornherein manuell selbst? 2. Wie kann ich ein mit dem Taschenrechner ermitteltes Ergebnis überhaupt prüfen? Vielfach ist die Übung im Rechnen nicht ausreichend um derartige Prüfungen rasch durchzuführen. In nicht seltenen Fällen gelingt das Überprüfen überhaupt nicht, wenn es denn versucht wird.

    Da die Diskussion darüber, was Lernen ist, sowie darüber, was, wie, wo, wann und wozu gelernt werden sollte, verkürzt geführt wird, ist nicht damit zu rechnen, dass diese Diskussion in der absehbaren Zukunft zu spürbaren positiven Resultaten führt. Angesichts dessen könnte man auf die Idee kommen, dass die Misere des Lernens, wenn es denn eine solche wirklich (und nicht nur in Pisa-Studien) gibt nicht zufällig über uns hereingebrochen ist, sondern den Weg bereiten soll für die Flächen deckende Einführung privater Schulen und höherer Bildungseinrichtungen.

  4. Charlott 5. Januar 2024 at 18:28Antworten

    Ein wunderbarer Artikel, bildet die Realität komplett ab.
    Der gute alte Lesekasten, was man damit alles machen konnte, wer damit gearbeitet hat, bei dem haben alle Kinder das Lesen gelernt. Meine Schüler der 1. Jggst. haben die Kästen geliebt.

  5. Pierre 5. Januar 2024 at 15:59Antworten

    Ich glaube auch, die Eltern sollten den Kindern möglichst viel selbst beibringen.

    Neben dem Lesen und Schreiben sowie natürlich Rechnen insbesondere Lerntechniken, Logik, Zusammenhänge, Methoden, Geschichte, und ganz wichtig Propagandatechniken zur Immunisierung gegen Bulls***. Querdenken ist die Devise!

    Und das ganze möglichst auf Papier oder Tafeln. Mit Stiften, Kreide etc.

    Auf die Schule als ausschließlichen Lernort kann man sich nicht verlassen.

  6. Mia Wu Ast 5. Januar 2024 at 14:42Antworten

    Unser (österreichisches) Schulsystem: auf die Maximierung der Unterdurchschnittlichkeit optimiert…
    …und dann jährlich das Gejammer über die „Pisa“-Ergebnisse; über die fehlenden Fachkräfte, usw. Vielleicht sollten wir uns doch langsam um unsere (eigenen) Kinder kümmern!

  7. Stefan Boehnke 5. Januar 2024 at 13:42Antworten

    Ich staune ja nur, welche bodenlose Entwertung Bücher gerade erfahren. In X-Berg werden Massen auf die Straße gestellt und von den Rosinen, die ich mir rauspicke, platzt selbst meine jüngst erweiterte Bibilothek aus allen Nähten, zum Glück ziehe ich mir Sicherungskopien und man kann Bücher ja auch verkaufen. Wenn ich dann aber bei booklooker schaue, falle ich regelmäßig um, da gibts relevante ältere Bücher und sogar gute Bücher, die gestern noch zu 20€ neu waren, ab 20 cent + Versand, dafür aber ins Haus geliefert.

    Literatur digital ? Dazu sage ich nur: LESEZEIT.

    Was ist überhaupt der Unterschied? Einen Papiertext muß man sich vorstellen, das ist Arbeit und die zu meiden helfen die digitalen Medien, schnell ist man woanders, um auch dort nichts zu verpassen und um so – alles zu verpassen. Analog fordert und fördert abstraktes Denken. Übrigens weiß ich, seit ich keine Glotze habe, daß diese Ersatz Träume, Traum Surrogate die eigene Fäigkeit zum Träumen zerstören, Träume sind nicht dazu da, sie zu verwirklichen, sie sind eine eigene Realität.

    Aber don’t panic, nutze die Schwemme papiernen Wissens !

    Und es ist natürlich ein Lehrstück, daß das BIP NICHTS über die Mehrung des Wohlstandes aussagt, wozu es einst konzipiert wurde.

    • Johannes Schumann 7. Januar 2024 at 14:10Antworten

      Ich sehe ich auch diese Bücherkisten, aber nicht so kritisch. Der Platz für Bücher ist natürlich begrenzt und man muss auch regelmäßig ausmisten. Der Gebrauchtmarkt ist auch nicht so dolle, also entsorgt man Bücher über öffentliche Bücherregale oder über einen Karton vor dem Haus. Man muss ja auch sehen, dass viele Bücher während des zweiten Weltkrieges verbrannten, sodass auch nicht so viele Bücher vererbt werden konnten, sodass es dieses Phänomen erst seit den letzten Jahren zugenommen hat, dass Bücher öffentlich und kostenlos verteilt werden. Ich kann dem sogar was gutes abgewinnen, denn immerhin sehen die Menschen in einem Buch noch etwas, das erhalten werden sollte. Es ist eben nicht die Zeitung von gestern, die man zum Einwickeln von Fisch verwendet.

      Ich habe auch neulich Bücher verschenkt. Persönlich. Hätte die beschenkte Person die Bücher nicht angenommen, dann hätte ich das in eine Bücherkiste gegeben. Die beiden Bücher: „Die Schachnovelle“ und „Die Revolution entlässt ihre Kinder“. Also nichts dummes. Ersteres hatte ich aber auch digital vorliegen, weil ich das Gesamtwerk von Stefan Zweig auf dem Kindle habe und damit immer dabei, wenn ich auf Reisen bin. Das zweite hatte ich einfach nur doppelt.

  8. Peter Ruzsicska 5. Januar 2024 at 12:11Antworten

    Wohl wieder bloß ein grundtaktisch scheinbares Zurückrudern???

Regeln für Kommentare: Bitte bleibt respektvoll - keine Diffamierungen oder persönliche Angriffe. Keine Video-Links. Manche Kommentare werden erst nach Prüfung freigegeben, was gelegentlich länger dauern kann.

Aktuelle Beiträge