Fast Hälfte der Mainstream-Journalisten zweifelt an objektiver Berichterstattung

23. Juli 2022von 3,1 Minuten Lesezeit

Eine Studie unter Mainstream-Journalisten deutet auf massives Unbehagen in der Branche hin. So setzt den Journalisten der Vertrauensverlust des Publikums zu. Die Kritik hält die Hälfte allerdings auch für gerechtfertigt.

Die Medienbranche ist in Bewegung. Eine Untersuchung der Otto-Brenner-Stiftung liefert entsprechende Ergebnisse und im Mainstream-Journalismus scheint es zu brodeln. Fast zwei Drittel, nämlich 60 Prozent der 161 Journalisten, die bei einer Online-Umfrage teilgenommen hatten, fühlen sich offenbar nicht mehr besonders wohl in ihrer Branche.

Journalisten wollen aufhören

So haben diese 60 Prozent im vergangenen Jahr wiederholt daran gedacht, „auszusteigen“ und dem (Mainstream-)Journalismus den Rücken zu kehren. Besonders unter Jüngeren war dieser Gedanke attraktiv. Ihre Gründe sind unter anderem der „digitale Wandel“ und die „ökonomische Krise“, aber auch der „Vertrauensverlust des Publikums in die Medien“. Diese Publikumskritik an einseitiger oder zu unkritischer Berichterstattung halten immerhin mehr als die Hälfte der 161 Mainstream-Journalisten zumindest für bedingt richtig. Oder anders gesagt: Nur 47 Prozent glauben, dass ausgewogen berichtet wird. Selbst sind aber 70 Prozent von ihrer Ausgewogenheit und 75 Prozent von ihrer Objektivität überzeugt.

Ganze 88 Prozent sind sich aber sicher, nicht von der Politik instrumentalisiert zu werden. Hier einige Ergebnisse zur „Selbsteinschätzung“ unter den 161 Journalisten:

Neben dem quantitativen Teil der Studie kam es auch zu einem qualitativen Teil, der aus 20 Interviews mit hauptberuflichen Journalisten bestand. Davon sind „zwölf im Printbereich tätig, drei für den Hörfunk, vier fürs Fernsehen und eine Person ausschließlich für eine digitale Informationsplattform.“ Doch der „dramatische Wandel im Journalismus“ drückte sich auch bei den 20 Interviewten aus. So gaben drei Printjournalisten und eine Person aus dem Fernsehen an, inzwischen auch regelmäßig für die Onlineplattform ihres Mediums tätig zu sein.

Hohe Belastung

35 Prozent der Befragten zeigte sich dabei äußert besorgt um einen „Qualitätsverlust“ in den Medien: Das sei das Ergebnis „einer weiter gewachsenen Arbeitsbelastung und zu noch größerem Zeitdruck im Kontext der Digitalisierung, zur Ökonomisierung ihres beruflichen Handelns oder zu mangelnder Unterstützung seitens des Medienmanagements. Darüber hinaus geben 95 Prozent der Studienteilnehmer an, dass ein Vertrauensverlust des Journalismus vorliege und es Vorurteile bzw. Vorwürfe der Öffentlichkeit gegenüber dem Berufsstand gebe.“ 

Der häufigste Vorwurf, mit dem sich die interviewten Journalisten konfrontiert sehen, ist eben jener der „einseitigen Berichterstattung“: „Die Studienergebnisse zeigen zudem, dass 55 Prozent der befragten Medienschaffenden die Publikumskritik am Journalismus für bedingt richtig hält“, besonders überzeugt scheint man in der Medienwelt nicht mehr von seiner Tätigkeit. 75 Prozent beklagen Einsparungen, sowohl auf personeller wie auch auf finanzieller Ebene. Zwei Drittel der Online-Befragten gaben an, schon „vor der Arbeit“ müde zu sein. 40 Prozent fühlen sich aufgrund der Arbeit „emotional ausgelaugt“. Freie Journalisten leiden einer insgesamt schlechteren Bezahlung, die gesamte Branche daran, dass der Journalismus an Ansehen verloren habe.

Die Schlussfolgerung der Autoren aufgrund dieser „Burn-Out“-Indizien? Medienunternehmen und Interessenvertretungen der Journalisten sollen „gemeinsame Maßnahmen des psychologischen Gesundheitsmanagements entwickeln“. Beim Urteil der Online-Befragten, ob ihr Medienunternehmen „ökonomische vor publizistische Ziele“ stellt, ist man unentschieden. 37,2 Prozent „stimmen (eher) nicht zu“ und 38,4 Prozent „stimmen (eher) zu“. Aber bei nur einem Viertel der 161 Befragten ist dem Arbeitgeber Geschwindigkeit wichtiger als Qualität.

Das gesamte Papier der Otto-Brenner-Stiftung, das von vier Universitätsprofessoren verfasst wurde, können Sie hier lesen. Die Stiftung besteht seit 50 Jahren und wurde 1972 von „IG Metall“ gestiftet.

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18 Kommentare

  1. Pfeiffer C. 24. Juli 2022 at 19:19

    Dazu noch ein Auszug aus der Axel-Springer-Akademie zur Journalistinnen-“Ausbildung”:
    “Anforderungen keine. Nur Leidenschaft.”

    Vor ein paar Jahren haben die Aller-Dümmsten noch gedroht, beruflich “irgendwas mit Medien und so” zu tun. Was haben wir einst darüber gelacht…

    Hätten es nie für möglich gehalten, dass dieser intellektuelle Bodensatz je einmal eine Readktion von innen sieht.

    Nun haben wir den Salat, dass die Aller-Dümmsten sich selber nennende Leitmedien-Journalistinnen sind.

    Zitat:

    “Der US-Journalist I.F. Stone hatte ein ehernes Prinzip: Reporter sollten mit der Voraussetzung an ihre Arbeit gehen, dass mächtige Institutionen lügen, und nicht damit, dass sie die Wahrheit sagen. Doch die Medien folgen einem andere Prinzip. Warum eigentlich?

    Es macht keinen Sinn, das Ideal einer freien Presse als gegeben vorauszusetzen. Wer die Medien besitzt, wer sie managt, wer den Nachrichtenstrom am Laufen hält und im Zweifel auch Menschen bezahlen kann, die kritische Journalisten beeinflussen und disziplinieren, der wird dafür sorgen, dass dort nichts Lästiges erscheint”.

    Zitat / Quelle: “Das Elend der Medien” Schlechte Nachrichten für den Journalismus

    P.S.: Darum halte ich die vermehrt erscheinenden, kritischen Medienauftritte – ja, darunter auch tkp.at – für so wichtig!

  2. karl napp 24. Juli 2022 at 17:35

    Und die Erde ist doch eine Kugel und keine Scheibe. Einer der seltenen MSM-Artikel zum Thema mit Wahrheitsgehalt. Selbst wenn der Artikel von Steven W. Mosher als “Opinion” gekennzeicht ist: Mut hat der Mann und auch die NYT.
    Wird Fauci nun “unter den Bus geworfen” nachdem er seine Rolle erfüllt hat?
    Die Drahtzieher werden’s schon wissen.

    5 mistakes Dr. Anthony Fauci made on COVID that spelled disaster

    https://nypost.com/2022/07/23/dr-anthony-faucis-5-disastrous-covid-mistakes/

    • kn 25. Juli 2022 at 13:09

      3 Sekunden Nachdenken hätten ergeben, dass das natürlich nie in der NYT veröffentlicht worden wäre.
      NYP <> NYT…
      Trotzdem – nach Publikation von Robert Kennedy’s “The real Anthony Fauci” bzw. “das wahre Gesicht des AF”, alles sauber belegt mit >500 Referenzen, hätten die Staatsanwaltschaften anfangen müssen zu ermitteln. Ist aber nicht passiert. NIcht umsonst auch als “Teflon Tony” bekannt.

  3. Heinz 24. Juli 2022 at 16:15

    Das die Medien von der Politik instrumentalisiert werden ist ein Strohmann-Argument, das davon ablenken soll, dass Medien und Politik von Oligarchen instrumentalisiert werden.

  4. Taktgefühl 23. Juli 2022 at 22:38

    Natürlich werden ökonomische vor publizistische Ziele gesetzt. Die Jubelpresse ist auf Werbung angewiesen, alleine der Werbemarkt läßt gar nichts anderes zu. Wer beißt schon die Hand, die ihn füttert?
    Das Internet hat die Karten neu gemischt, und nun ist alles 1000 mal durchgekaut. Über die Struktur des Netzes hat man sich auch nie den Kopf zerbreochen, weder in der Presse noch in den Partei. Das Internet ist Wildwuchs, stümperhafte Bastellei und ein Flickenteppich.
    Und die Macht ist abgewandert vom Verlag zu den milliardenschweren sozialen Plattformen. Daß die Verlage sich bei Facebook anmelden und bei Google, ist schon das Zeichen, daß man nichts mehr zu sagen hat.
    Früher wußte der Leser, das ist ein CDU-nahes konservatives Blatt, ein liberales Wirtschaftsblatt, ein soziales Blatt und das ein Käseblatt. Heute ist das alles dasselbe. Die wenigen Ausbrecher kennt jeder, die muß ich nicht aufzählen.
    Für unabhängige Aufklärung war mal der Öffentlich-Rechtliche gedacht, aber seit der sich verkauft hat an die Parteien, gibt es kein großes Korrektiv mehr.
    Die alternativen Medien haben genau darum Erfolg. Die können sagen, was sie wollen, und wenn sie der Jubelpresse ans Bein machen, sind wir zufrieden.

  5. rudi & Maria fluegl 23. Juli 2022 at 18:22

    Der folgende bereits abgegebene Kommentar passt auch hier, da Journalisten sich als Elite wähnen müssen.
    Der Friedrichs Preis gebührt Ihnen längst nicht mehr, da Sie sich auf “meinungsfreiere” Berichterstattung auf Grund ihrer Distinktion nicht stützen wollen.
    Und der Urgrund des Berufes, das Tagebuch gehört längst nicht mehr Ihnen. Auch ist ein wesentliches für die Öffentlichkeit aus monetären Gründen unführbar.

    Bezüglich Eliten Forschung sind zwei Namen zu beachten. Alt-Pierre Bourdieu z.B. der feine Unterschied–Neu Michael Hartmann– z.B. Die Abgehobenen, Wie die Eliten die Demokratie zerstören!
    Es ist kein Eliten Bashing, die besonderen erworbenen Eigenschaften der –keineswegs besonderen–Eliten “heraus zu arbeiten.”

    In Wahrheit hat jeder, der in zu diesen Begriff gehörenden Umständen steckt, sich ” heraus zu arbeiten”!
    Sich als solcher,(Elitenzugehöriger) selbst zu misstrauen, ist längst Gebot der Stunde!
    Ich hoffe Sie haben es etwas leichter und gehören nicht dazu?

    In diesen Di-Tri oder sons twas -lemma stecken die Typen. Könnte sein, dass ihr Werken, Bemühen sich aus der “sebstverschuldeten Unmündigkeit” herauszukommen. auch interessierte findet. Unmündigkeit gibt es auch auf hohen Level!
    Schöne Grüße an die 4te Ohnmacht mit vollem Magazin, konzerngeladen!
    Rudi Fluegl

  6. JoeO 23. Juli 2022 at 17:18

    Die Überschrift des Artikels

    „Fast Hälfte der Mainstream-Journalisten zweifelt an objektiver Berichterstattung“

    ist genauso falsch wie die Überschrift der Tabelle

    „Selbsteinschätzung der journalistischen Berichterstattung (in Prozent)“

    Das was Journalisten für die Meinung ihrer Leser (Rezipienten¹) halten, deckt sich nicht mit der eigenen Meinung der Journalisten selbst, wie in den Zahlen ersichtlich.

    In Zeilen wo „Rezipient“ steht, handelt es sich eben NICHT um eine Selbsteinschätzung.

    1) Leser, Zuhörer, Zuseher etc.

  7. audiatur et altera pars 23. Juli 2022 at 11:40

    „Glauben Sie, dass sich Journalist:innen im Allgemeinen von der Politik instrumentalisieren lassen?“

    Wie war das noch mit d:er:ie:as Henn:innen und de:m:r:m Ei:innen?

  8. Andreas I. 23. Juli 2022 at 11:33

    Hallo,
    das deutet auf Dissonanz hin und die ist nicht verwunderlich.
    Die heutige Medienlandschaft besteht aus Öffentlich-Rechtlichen, aus Konzernmedien und aus Internet/Crowdfunding-Medien. In der Umfrage wird über “Journalis:innen im Allgemeinen” befragt, das wäre ein Kritikpunkt.

  9. Veron 23. Juli 2022 at 11:24

    Und wieviel Prozent von den 88 Prozent, die sich angeblich sicher sind, nicht von der Politik instrumentalisiert zu werden, lügen schlicht und einfach?

    • DasKrokodil 23. Juli 2022 at 11:31

      Umfrage:

      “Lügen Sie manchmal in Umfragen?”

  10. DasKrokodil 23. Juli 2022 at 11:16

    Berufslügner haben es eben auch nicht leicht.

  11. Frühling 23. Juli 2022 at 10:52

    Ich kann mich an keine Zeit in meinem Leben erinnern, wo Minderheitenmeinungen oder generell Kritik so stark unterdrückt und sofort platt gemacht wurden, wie während der der 2,5 jährigen Coronazeit. Dass sich viele Journos dabei oft redlich unwohl gefühlt haben, kann ich mir vorstellen. Ausgewogene, sachliche und faire Berichterstattung sieht anders aus.

  12. Wolfgang Mayer 23. Juli 2022 at 10:42

    Geht es denn gar nicht mehr ohne zu gendern? Es ist brutal dieser Zwang mit den Doppelpunkten. Es ist grausam. Es ist eine Vergewaltigung der Sprache. Ein Angriff auf meinen Intellekt. Ich lesen da sofort nicht mehr weiter. Ob in Texten oder „Zitaten“. Ich kann es nicht!

  13. h.mild 23. Juli 2022 at 10:26

    Hmmm: Berichten Sie objektiv?: Ja=75,9%!, Berichten Sie häufig einseitig?: Ja =70,3%!
    Wow! Ich würde da entweder rudelkonforme und/oder angeordnete institutionelle/systemische kognitive Dissonanz vermuten.
    Das kann auf Dauer nicht gesund sein.
    Btw. wie hoch ist der Ge-, Mißbrauch von psychotropen Substanzen in dieser “speziellen” Berufsgruppe ->diverse Neuroleptika, Antidpressiva, Hypnotika, Alkohol , Drogen, etc. ? Wurde das auch abgefragt?

  14. MOndspaziergänger 23. Juli 2022 at 10:22

    “Psychologisches Gesundheitsmanagement” – Sie meinen damit doch hoffentlich die Couch, die der Journalismus nötig hat?

    Die Journalisten von heute sind nicht das Opfer und auch nicht die Lösung – sie sind das Problem bzw. ihr Habitus!

    Und dieser zeigt sich wiederum in der Annahme von 88%, sie wären frei und unabhängig. Was für eine grobe Fehleinschätzung und Selbstüberhöhung.

    Journalismus ist heute ein Lifestyle-Beruf aber keine Berufung mehr. Und Society-Klatsch ist kein Journalismus.

    • Thomas Oysmüller 23. Juli 2022 at 11:37

      Hallo, das ist ein sehr treffender Kommentar aus spitzer Feder. Ich stimme zu. Oder wie ich immer sage: Die Journalisten sind Fische im Wasser. Leider ist das Wasser eine ziemlich trübe Schlammsuppe.

  15. Germann 23. Juli 2022 at 10:07

    Zweifelt an objektiver Berichterstattung ist gerechtfertigt. Jede Berichterstattung sollte Hinterfragt werden, denn oft wird übersehen das der Hering den Hai verschluckt hat. ;-)

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