Neuer US-Working-Class-Hero der USA: “Lasst euch die Freiheit nicht wegnehmen“

19. August 2023von 5 Minuten Lesezeit

„Die Menschen haben es so verdammt satt, vernachlässigt, geteilt und manipuliert zu werden“, schreibt Oliver Anthony. Sein Lied „Rich Men North of Richmond“ hat viele US-Amerikaner tief getroffen. 

Oliver Anthony wurde über Nacht berühmt. Mehr noch: Er wurde zum neuen Gesicht der US-amerikanischen Arbeiterklassen. Sein Song „Rich Men North of Richmond“ ist für viele die neue Protesthymne – quer durch identitäre Konzepte wie Hautfarbe, Ethnie oder Geschlecht erhält das Lied unfassbar viel Resonanz. Seit Tage steht der Song an der Spitze der ITunes-Charts. (Hier der Bericht von TKP – sollte jemand das Lied noch nicht kennen.)

Und Anthony selbst steht in der Auslage.

Das Regime versucht, ihn als weit rechtsaußen stehenden Antisemiten zu framen, politisch wird versucht, ihn zu vereinnahmen. Immerhin klagt er nicht nur die herrschende Klasse in Washington D. C. (DC liegt nördlich von Richmond) an, er singt auch über Epsteins Insel. Alleine auf Youtube hat das Lied 23 Millionen Aufrufe in nur 10 Tagen.

Und dazu kommen millionenschwere Angebote aus dem Musikgeschäft.

Zuletzt veröffentlichte er einen Text auf seiner Facebook-Seite. Darin schildert Anthony sein eigenes Leben, den Zustand seiner Arbeiterklasse und die Folgen des Internets für die Gesellschaft.

Hier der Text auf Deutsch (Hervorhebung TKP):

Es war schwierig, die mehr als 50.000 Nachrichten und E-Mails durchzusehen, die ich in der letzten Woche erhalten habe. Die Geschichten, die geteilt wurden, zeichnen ein brutal ehrliches Bild. Selbstmord, Sucht, Arbeitslosigkeit, Angst und Depression, Hoffnungslosigkeit und die Liste geht weiter.

Ich befinde mich gerade an einem so seltsamen Punkt in meinem Leben. Ich wollte nie hauptberuflich Musiker sein, geschweige denn an der Spitze der iTunes-Charts stehen. Draven von RadioWV (Radio West Virgina, Anm.) und ich haben diese Songs auf meinem Land gefilmt, in der Hoffnung, dass sie vielleicht 300k Views erreichen. Ich kann immer noch nicht so recht glauben, was passiert ist, seit wir das hochgeladen haben. Es ist einfach seltsam für mich.

Die Leute in der Musikindustrie starren mich mit leeren Augen an, wenn ich 8-Millionen-Dollar-Angebote ablehne. Ich will keine 6 Tourbusse, 15 Sattelschlepper und einen Jet. Ich will keine Stadion-Shows spielen, ich will nicht im Rampenlicht stehen. Ich habe die Musik geschrieben, die ich geschrieben habe, weil ich an psychischer Gesundheit und Depressionen litt. Diese Songs haben Millionen von Menschen auf einer so tiefen Ebene erreicht, weil sie von jemandem gesungen werden, der die Worte genau in dem Moment fühlt, in dem sie gesungen werden. Keine Bearbeitung, keine Agenten, kein Bullshit. Nur ein Idiot und seine Gitarre. Der Musikstil, von dem wir uns eigentlich nie hätten lösen sollen.

Das heißt, ich habe mir nie die Zeit genommen, euch zu sagen, wer ich eigentlich bin. Hier ist eine formelle Einführung:

Mein offizieller Name ist Christopher Anthony Lunsford. Mein Großvater war Oliver Anthony, und „Oliver Anthony Music“ ist nicht nur ihm gewidmet, sondern auch den Appalachen der 1930er Jahre, wo er geboren und aufgewachsen ist. Schmutzige Böden, sieben Kinder, harte Zeiten. Heute nenne ich mich gerne Oliver, weil mich jeder so kennt. Aber meine Freunde und Familie nennen mich immer noch Chris. Ihr könnt das selbst entscheiden, beides ist in Ordnung.

Im Jahr 2010 habe ich mit 17 Jahren die Highschool abgebrochen. Ich habe in mehreren Fabriken in West-NC gearbeitet, zuletzt in der Papierfabrik in McDowell County. Ich arbeitete in der 3. Schicht, 6 Tage die Woche für 14,50 Dollar pro Stunde in der Hölle des Lebens. Im Jahr 2013 hatte ich einen schweren Sturz bei der Arbeit und brach mir den Schädel. Das zwang mich, zurück nach Virginia zu ziehen. Aufgrund der Komplikationen, die sich aus der Verletzung ergaben, dauerte es etwa 6 Monate, bis ich wieder arbeiten konnte.

Von 2014 bis vor ein paar Tagen habe ich im Außendienst in der industriellen Fertigung gearbeitet. Mein Job hat mich durch ganz Virginia und in die Carolinas geführt, wo ich zehntausende andere Arbeiter auf Baustellen und in Fabriken kennengelernt habe. In den letzten 10 Jahren habe ich den ganzen Tag damit verbracht, jeden Tag die gleiche Geschichte zu hören. Die Menschen haben es so verdammt satt, vernachlässigt, geteilt und manipuliert zu werden.

Im Jahr 2019 habe ich 97.500 Dollar für das Grundstück bezahlt und schulde immer noch etwa 60.000 Dollar dafür. Ich lebe in einem 27′-Wohnmobil mit einer Plane auf dem Dach, das ich auf Craigslist für 750 Dollar gekauft habe.

Es gibt nichts Besonderes an mir. Ich bin kein guter Musiker, ich bin kein guter Mensch. Ich habe die letzten 5 Jahre damit verbracht, mit meiner geistigen Gesundheit zu kämpfen und Alkohol zu trinken, um sie zu ertränken. Es macht mich traurig, die Welt in dem Zustand zu sehen, in dem sie sich befindet, in dem alle gegeneinander kämpfen. Ich habe viele Nächte damit verbracht, mich hoffnungslos zu fühlen, dass das großartigste Land der Welt schnell dahinschwindet.

Davon abgesehen hasse ich die Art und Weise, wie das Internet uns alle gespalten hat. Das Internet ist ein Parasit, der den Verstand der Menschen infiziert und mit ihnen macht, was er will. Vergeudete Stunden, vergessene Ziele, geliebte Menschen, die zusammen in Häusern sitzen und den ganzen Tag durch Technologie abgelenkt werden, die von den Händen anderer armer Seelen in Ausbeuterbetrieben in einem fremden Land hergestellt wurde.

Wann ist genug, genug? Wann werden wir wieder für das kämpfen, was richtig ist? MILLIONEN sind gestorben, um die Freiheiten zu schützen, die wir haben. Die Redefreiheit ist ein so kostbares Geschenk. Noch nie in der Weltgeschichte hatte die Welt die Freiheit, die sie heute hat. Lasst sie euch nicht wegnehmen.

Wie einst die Wanderer in der Wüste haben auch wir uns von Gott entfernt und uns von falschen Götzen ablenken und spalten lassen. Das ist eine verdammte Schande.


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18 Kommentare

  1. therMOnukular 23. August 2023 at 0:42Antworten

    Schön zu beobachten, wie viel Macht Musik doch haben kann – selbst wenn noch keine „Ergebnisse“ vorliegen.
    Ich habe jetzt etliche „First-Reactions“ auf Yuhtuhb geschautund es war beeindruckend zu sehen, wie das den Menschen unter die Haut geht. Auch die beiden Inder, die den Song mit Uduru (oder so) Untertiteln sahen, haben es nicht geschafft die Augen trocken zu halten. Damit kann jeder etwas anfangen – weil es politisch neutral ist und lediglich oben gegen unten.

    Die Passage mit den „Obese“ ist übrigens nicht gehässig oder dergleichen, sondern schlicht das Bild des Widerspruchs: auf der einen Seite die Hungernden, die man im Stich lässt – und auf der anderen die Vollgefressenen, die man füttert. Es ist als Ganzes eine Metapher, dass das Geld am genau falschen Ort ankommt, nämlich bei denen, die schon viel haben (also auch die Macht, das Geld dorthin zu sich zu leiten).

    Das ist kein Linker und kein Rechter – ecce homo!!
    Ich bin ihm jedenfalls sehr dankbar dafür und freue mich darüber zu sehen, wie der Song quer über die Welt reist. Angeblich braucht man bei Spotify nur noch „O“ in die Suche eingeben, und er kommt als erster Vorschlag (also auch vor Ozzy O., Overkill und Opus!!!….kleiner Scherz ;))

    Es braucht so wenig, sie muss nur ehrlich sein – dann kann Musik eine Macht entwickeln, wie sie keine Polizei mehr aufhalten kann, auch kein Heer und keine Propaganda.

  2. Georg Löding 21. August 2023 at 4:31Antworten

    Eine interessante Werbekampagne! Einer macht sich Luft durch ein Lied und „jetzt haben wir es denen da oben mal so richtig gezeigt.“ LOL. Und nächstes Jahr wählen sie wieder brav die ROTEN (Republikaner) – also Trump und die BLAUEN (Demokraten) – also Biden oder Kennedy.

    Also die Deutschen (Österreicher und Schweizer) sind ja schon Schilda,
    aber die Amis überbieten jede Deppertheit, die nur vorstellbar ist.

  3. Georg Löding 21. August 2023 at 4:18Antworten

    Geile Textstelle:
    „And the obese milkin′ welfare
    Und die Fettleibigen melken die Sozialhilfe“

    „The obese = die Fettleibigen“ ist eine Metapher;
    sie steht für die Reichen und ihre Politiker, die ja tatsächlich die Sozialhilfe melken, indem sie das Geld, was den Armen zusteht, rauben und in den Krieg und Drogenhandel stecken, um noch fettleibiger (reicher) zu werden.

  4. PALLA Manfred 20. August 2023 at 18:08Antworten

    . . . und für Mich lautet das aktuell „umfassendste“ > DASEINs-Motto < der zeit-genössischen Menschheit so:

    Für die REICHEN ist das LEBEN ein SPIEL,
    für NARREN eine KOMÖDIE,
    für WEISE ein TRAUM und
    für die ARMEN eine TRAGÖDIE <
    . . . hatte Wochen gebraucht, dieses angebl. afrik./arab. SprichWort (im DLF vor Jahren live aufgeschnappt) in der WIRKLICHKEIT zu „erkennen“ !!! – die Frage war, ob es da überhaupt nennenswerte „ÜberSchneidungen“ zwischen den VIER „Gruppen“ gibt oder geben kann ?!?
    . . . denn DIE „Reichen“, die Ich kennengelernt habe, sind bes. als „SelbstStändige“ quasi „24/7“ mit ZAHLEN zu „Gewinnen und Verlusten“ im Kopf befasst !?!
    . . . und den LUST-Spiel-SÜCHTIGEN geht es da auch nicht anders – da aber eher um den nächsten ADRENALIN-Kick !?!
    . . . und die NICHT-Vermögenden „denken“ sich das Treiben der „Schönen und Reichen“ als „erstrebens-wert“, als Ablenkung gegen die schemenhaften ExistenzÄngste im HinterKopf . . . usw. und so fort ?!? ;-)

  5. Jurgen 20. August 2023 at 17:06Antworten

    Alternativ könnte man sich zur Einstimmung auch mal folgende Songs anhören (wenn die Kraft zur Verteidigung der eigenen Roten Linie bereits fehlen sollte)
    Saxon – Never Surrender
    Krokus – Eat the Rich
    Scorpions – Dynamite
    Judas Priest – Breaking the Law
    Scorpions – Make it Real
    Dido – White Flag
    Spliff – Computer sind Doof!
    Alanis Morissette – Guardian

    Danach fühlt man sich gleich viel besser und kräftiger, insbesondere wenn man sonst immer nur Schmuseschlager hört…

  6. Jurgen 20. August 2023 at 15:55Antworten

    Jedes Jahr sterben in USA fast 4,4 Millionen an Altersschwäche. Das sind die normalen Zahlen von vor 2019. In Deutschland waren es immer um die 950 Tausend pro Jahr bis 2019.

    Die rote Linie bei der Gesundheit ist immer noch überschritten. Juristische Aufarbeitung findet nicht statt. Funktionieren als Staatsbürger ist auf Eis gelegt.

  7. Wilke 20. August 2023 at 13:44Antworten

    Eigentlich sollte Menschen wie Anthony mit 28 Jahren voll in seinem Beruf aufgehen und auf sein Leben fokussiert sein. Nicht in unsere kaputte Welt indem es nur Gier, Kriege und Macht geht, Menschen wie ….. behandelt werden und keine Chancen erhalten. Aber man spricht von Mangel an Fachkräften (selbstverschuldet durch unfähige Politiker) und selbst die wir haben sind immer noch weit entfernt von „Fachraft.“ Politiker haben es vollendet, dass wir eine Gesellschaft haben die Traurigkeit erleben, psychische oder körperliche Erkrankungen. Ganz zu Schweigen in der Pandemie für Einsamkeit und innere Leere bei Kindern und auch Erwachsene geführt hat. Das Sahnehäubchen Massenimpfung haben sie übertroffen.

  8. Jens 20. August 2023 at 13:23Antworten

    Danke für diesen großartigen Bericht. Mein Dank an Thomas Oysmüller. Anthonys Satz: Lasst euch die Freiheit nicht wegnehmen. So ein ähnlicher Spruch klebt auf mein Kühlschrank, denn ich mir selbst im Jahr 1984 gegeben habe. Der lautet: Ich nehme mir die Freiheit, die wird mir nicht gegeben.
    Und lebe ich und werde so weiterleben, ohne Wenns und Abers.

  9. Rumpelstilz 20. August 2023 at 10:33Antworten

    Ja, in der Tat, danke für diesen Artikel.

    Es gibt aber ein paar sinnestellende Übersetzungsfehler:

    „dirt floors“ bedeute nicht „schmutzige Böden“ („dirtY floors“) sondern Lehmfußböden – sein Großvater ist also mit vielen Anderen noch 1930 in bitterster Armut in einer Bretterbude ohne Fußboden in den Appalachen groß geworden.

    „living hell“ bedeutet auch nicht „Hölle des Lebens“ sondern „lebende Hölle“ – seine Arbeitsumgebung war also die Hölle auf Erden.

    Und natürlich hat auch nicht versucht seine geistige Gesundheit, sondern seine Depressionen und Probleme in Alkohol zu ertränken; er formuliert es allerdings selber etwas „Amerikanisch“ uneindeutig.

    Ansonsten ist das Lied schon ein Schlag in die Magengrube. Irgendwo ist es inzwischen weltweit auf Nr. 1

  10. G. Kanten 20. August 2023 at 10:06Antworten

    Großartig! Denn das Gesicht der Arbeiterklassen in Allgemein wurde und wird immer vergessen. Jetzt bekommt es einen Gesicht, dank Christopher Anthony.
    Dankeschön für diesen Artikel, Thomas Oysmüller.

  11. Hasdrubal 20. August 2023 at 7:04Antworten

    „MILLIONEN sind gestorben, um die Freiheiten zu schützen, die wir haben. Die Redefreiheit ist ein so kostbares Geschenk.“

    Hatten, mittlerweile wurde der Westen totalitär – alles damit ein paar Oligarchen mit Green Tech 50-100 Billionen abkassieren können. Wenn man es bejubelt, darf man frei Belobhudelungen wählen, sonst nicht. Da poltern schon die parasitären Woken, man solle und zur Strafe enteignen – komplett das tun, was die bereits scheibchenweise mit dem Abkassieren-System vollziehen.

    • TripleDelta 22. August 2023 at 15:13Antworten

      Wann war das mit dem Radikalenerlass in der BRD (alt)? Wieviele Nazis saßen in Regierungsämtern und Behörden?

  12. niklant 19. August 2023 at 23:39Antworten

    Es wird Zeit, das die Bürger Amerikas endlich erfahren, das ihr Land zum Massenmörder verkommt! Arbeitslosigkeit und Hunger, Obdachlosigkeit und Wirtschaftseinbrüche haben die Reichen Amerikas herbeigeführt. Was wird wohl im Land der freien Waffenkäufe passieren, wenn das Volk die Lügen ihrer eigenen Politik durchschaut hat? Ich werde geduldig darauf warten!

    • TripleDelta 22. August 2023 at 15:14Antworten

      Die USA waren vom ersten Tag ihrer Existenz ein Massenmörder.

  13. Duck 19. August 2023 at 21:17Antworten

    das Video oben … booah.
    Dieser Song hilft den armen Teufel 1000x mehr, als jedes schickimicki BLM Getue.

  14. wellenreiten 19. August 2023 at 21:10Antworten

    Jimmy Dore hat gemeint, dass die Textzeile über die „Übergewichtigen, die von Sozialhilfe leben“ nicht in Ordnung (und somit „rechts“) wäre. Allerdings kann man das mit etwas Phantasie anders verstehen – nämlich als Metapher für die Vollgestopften in der Regierung, die es sich auf Steuerzahlerkosten gut gehen lassen … (Würde gern wissen, was die Amis dazu sagen würden, wenn die Steuern und Abgaben in den USA so hoch wären wie hierzulande.)

  15. Karl Schlosser 19. August 2023 at 16:19Antworten

    Der junge Mann ist Balsam auf den Wunden der Mißbrauchten Arbeiterklasse! Danke Chris/Oliver/Anthony! Pass auf dich auf..

    • Stunning Greenhorn 19. August 2023 at 18:49Antworten

      Wahre Worte! In der Mitte der Gesellschaft, mit einem durchschnittlichen Bürojob ist Aufklärung und Widerstand ein gemütliches Geschäft. Solidarität bedeutet für mich unter anderem, ohne dünkelhafte Ausstrahlung an der Seite der Schwächeren zu stehen (nicht auf Kommando einen Kaffeefilter überzuziehen oder den Ärmel hochzukrempeln). Alles Gute für die neue Stimme aus Amerika. Möge sie gehört werden und Nachahmer im alten Europa finden. Hören wir wieder aufeinander und voneinander.

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