Montenegro wählt Dauerregenten ab

3. April 2023von 3,8 Minuten Lesezeit

In Montenegro zeichnet sich ein Regimewechsel ab. Nach Jahrzehnten als politischer Machtfaktor dürfte die Ära von Milo Djukanovic beendet sein. Orientiert sich Podgorica wieder mehr Richtung Belgrad, oder bleibt es weiterhin stramm auf Kurs nach Brüssel?

Seit der Unabhängigkeit Montenegros hat kein Mann die Politik des Landes so bestimmt wie Milo Djukanovic. Er war vier Mal Premierminister und zweimal Präsident. Am Sonntag ist seine Ära wohl endgültig zu Ende gegangen.

Abwahl

Wurde Djukanovic noch in der Kommunistischen Partei Jugoslawiens politisch sozialisiert, setzte er sich dann für die Unabhängigkeit Montenegros ein. Im Zuge seiner politischen Karriere brach er zunächst mit Slobodan Milosevic, und 20 Jahre später mit Russland. Damit führte er das Land 2017 in die NATO, setzte den Euro durch und brachte es immer näher an die EU. Und somit auch auf Abstand zu Serbien. In den letzten Jahren war es immer wieder zu stärkeren Konflikten mit der serbisch-orthodoxen Kirche im Land gekommen.

Doch am Sonntag hat der Vorsitzende der Demokratischen Partei der Sozialisten Montenegros eine entschiedene Wahlniederlage kassiert. Sein Herausforderer in der Stichwahl, Jakov Milatovic, ist 36 Jahre und holte fast 60 Prozent der Stimmen. Ein Erdrutschsieg also, der Djukanovic von der Macht aussperrt. Eine Regierung gibt es aktuell nicht, der Premierminister ist kommissarisch im Amt und steht den europäischen Grünen nahe. Er wurde aber im August 2022 per Misstrauensvotum und war ohnehin nur wenige Wochen im Amt abgewählt. Die nächste Parlamentswahl ist im Juni.

Der eindeutige pro-serbische Kandidat hatte es nicht in die Stichwahl geschafft, er wurde Dritter. Doch das Lager Serbiens unterstützte dann Milatovic. Die neu gegründete Partei des künftigen Präsidenten heißt „Europa Jetzt!“. Er selbst studierte in Oxford und arbeitete auch bei der Deutschen Bank. Auf den ersten Blick also äußert unwahrscheinlich, dass Montenegro seinen Kurs Richtung EU verlassen würde. Während in Podgorica die Menschen mit serbischen Fahnen den Wahlsieg gefeiert haben, sagt Milatovic ganz klar: Der Wag nach Europa bleibt Priorität. Doch es werde sich in Montenegro etwas ändern, versprach er. „Kriminalität und Korruption“ werde bekämpft werden. Was das bedeutet, wird sich erst zeigen.

Welche Richtung?

Und obwohl vor dem NATO-Beitritt viele ökonomische Verbindungen zu Russland gekappt wurden, sind die Sanktionen auch in Montenegro zu spüren. Zunächst hatte sich Montenegro geweigert, die Sanktionen zu verhängen. Der Widerstand war aber schnell gebrochen worden. Auch Serbien ist weiterhin massiv unter Druck, bei den Sanktionen mitzuziehen. Für reiche Russen war es immer ein beliebtes Urlaubsland gewesen. Für Russland, Serbien und letztlich der BRICS-Gruppe ist das kleine Land strategisch durchaus wertvoll. Würde sich Montenegro Richtung Moskau und nicht Richtung Washington orientieren, wäre Serbien plötzlich über den Seeweg als Handelspartner zu erreichen. Aktuell wirkt das aber noch äußerst fantastisch und unrealistisch.

Aber Milatovic trat politisch erstmals in der proserbischen Regierung in Erscheinung, die von Dezember 2020 bis April 2022 an der Macht war. Unter dieser Regierung war Montenegro eines der Länder mit den wenigsten Covid-Restriktionen in Europa. Sicherlich auch, weil die Bevölkerung in den Staaten von Ex-Jugoslawien kaum mitgezogen war. Es sei aber trotzdem erwähnt. Der damalige Regierungschef wollte die Beziehungen zu Russland und Serbien verbessern, ohne direkt unter dem Einfluss dieser Länder zu stehen.

Das war der Anspruch und ähnlich äußert sich auch Milatovic. Einige NATO-Propagandisten bezeichnen ihn tatsächlich als „prorussisch“, was aber auch einige pro-EU-Beobachter, etwa Florian Bieber, Professor der Uni-Graz und an der Soros-Uni CEU, skeptisch sehen. Mit Ukraine-Fahne in seinem Twitter-Profil schreibt er:

„Ich bin besorgt über Vučićs Einfluss in der Region und den serbischen Nationalismus, aber Jakov Milatovic als serbischen (oder russischen) Handlanger zu bezeichnen, wie es einige in den letzten Wochen getan haben, basiert auf nicht überzeugenden Beweisen.“

Denn Milatovic strebt weiterhin den EU-Beitritt an, da ist er eindeutig. Allerdings hält auch Serbiens Aleksandar Vucic weiterhin (zumindest rhetorisch) daran fest, dass Serbien in Zukunft der EU beitreten sollte. Beitrittsverhandlungen gibt es mit Serbien und Montenegro seit Jahren. Aber der Krieg hat viel verändert. Die geopolitische Landkarte wird neu gezeichnet. Und auch der Einfluss Chinas – vor allem über Infrastrukturprojekte – wird in beiden Ländern immer größer. Die Herrschaft von Djukanovic geht also zu einem besonders brisanten Zeitpunkt zu Ende.

Bild HibasiKotor with Montenegro FlagCC BY-SA 4.0

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4 Kommentare

  1. Jens Tiefschneider 4. April 2023 at 11:18Antworten

    WEF-Marionette, wie Meloni?

  2. Fritz Madersbacher 3. April 2023 at 18:21Antworten

    “Die geopolitische Landkarte wird neu gezogen” und die jugoslawischen Nachfolgerepubliken sind zu einem Indikator dafür in Europa geworden. Die mutwillige Zerstörung Jugoslawiens durch das “Friedensprojekt” EU zusammen mit USA und NATO löst weiterhin Fernbeben aus. Der Einfluß der EU schwindet von Tag zu Tag, der US-Stützpunkt Camp Steel hat ein Ablaufdatum, auch wenn es gelingen sollte, im Kosovo und mit Albanien weiterzuzündeln …

    • I.B. 3. April 2023 at 19:59Antworten

      Das passt nicht hier her, aber meine Antwort auf Ihren Beitrag über Marx usw ist gerade frei geschalten worden.

    • Fritz Madersbacher 4. April 2023 at 0:37Antworten

      Korrektur: “Camp Bondsteel”

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