Digitalisierung und Internet – neue Form des Imperialismus

8. Oktober 2018von 4,2 Minuten Lesezeit

In der Zivilgesellschaft und politischen Bewegungen wird immer wieder die Frage diskutiert, ob Technologie “demokratisiert” werden kann und ob es möglich ist für die Menschen “technologische Souveränität” zu erreichen.

Diese Vorstellung ist geprägt von den in der Software bekannten Paradigmen wie Open Software bzw Free Software (Richard Stallman) und Copyleft. Software in der öffentlichen Verwaltung sollte durchaus nicht proprietär sein, sondern eben offen. Das ist politisch durchsetzbar und in einigen Bereichen – Städten und Teilbereiche nationaler Administrationen – wurden damit auch beste Erfahrungen gemacht.

Offene und freie Systeme

Aber das ist weder auf den Consumerbereich anwendbar, noch in industriellen Anwendungen. Und vor allem, wenn man von Technologie spricht, so gehören Bereich dazu wie Industrie 4.0, Med-Tech, die Autoindustrie und viele andere, die sich alle diesem Open und Free Paradigma entziehen.

Smartphones enthalten zum Teil sogar offene und freie Software, in Android beispielsweise den Linux Kernel. Das Gesamtprodukt Android Smartphone ist aber alles andere als offen oder frei und schon gar nicht demokratisierbar. Ebenso wenig sind mit Software vollgestopfte Autos, Smart TVs, CNC-gesteuerte Werkzeugmaschinen etc demokratisierbar. Nicht einmal Facebook, Instagram, Telegram, Twitter oder Snapchat sind demokratisierbar.

Mit dem Aufstieg des PC und noch mehr mit der Ankunft des Internet haben wir eine ungeheure Beschleunigung bei der Bildung von Monopolen gesehen. Windows hatte 95% Marktanteil, die Smartphone Welt ist zwischen Android und Apple aufgeteilt, ein drittes Betriebssystem hat heute keine Chance mehr.

Digitaler Imperialismus

Mehr noch – die Digitalisierung und das Internet sowie in geringerem Maße auch Smartphone und PCs haben eine neue Form der Herrschaft des Imperialismus geschaffen, die in der Kürze ihrer Entwicklung von knapp über 20 Jahren noch nie dagewesen ist. Konkret handelt sich um es eine Ausdehnung und Wandlung des US-Imperialismus, der seit dem Zweiten Weltkrieg seine Dominanz immer mehr ausweiten konnte.

AFGAM (Apple, Facebook, Google, Amazon und Microsoft) dominieren die Märkte in einer für den Imperialismus typischen Weise. Der Begriff Imperialismus umfasst mehr als Kolonialismus. Kolonisierung war nicht mehr als die Besiedlung, Beherrschung und Ausbeutung entfernter Länder, Imperialismus dagegen diktiert neben der Beherrschung noch Gesetze, Benimmregeln ja selbst die Kultur ferner Länder. Hatten IBM und Microsoft in den Anfangszeiten noch die Welt mit ihren PCs besiedelt, so bestimmen die sozialen Medien aus den USA mittlerweile weltweit Kultur und Benimmregeln.

Ist die Demokratisierung von Technologie möglich?

Oder anders gefragt, können wir technologische Souveränität erlangen? Es stehen Konsumenten mittlerweile weltweit agierende Konzerne gegenüber mit hundertausenden Mitarbeitern. Die Konzernführungen können mit einem Federstrich Tausende Jobs in einem Land streichen oder verschieben. Produktentscheidungen fallen oft Jahre vor der Markteinführung und weit abseits der Öffentlichkeit.

Die Macht von Google oder Amazon zu brechen ist Konsumenten so gut wie unmöglich. Selbst große Volkswirtschaften wie die USA, China oder die EU brauchen meist Jahre um Strafen gegen Konzerne wie Apple, Google oder Microsoft umzusetzen, oder um die Autoindustrie zu zähmen und ihre Betrügereien zu ahnden.

Demokratisierung von Technologie würde also bedeuten den Kapitalismus bzw Imperialismus zu demokratisieren. Ein offensichtlich zum Scheitern verurteiltes Unterfangen.

Konsumentenschutz, Schutz der Privatsphäre und Daten

Was also tun? Die neuen Technologien haben zu immer mehr Überwachung und Verletzung der Privatsphäre geführt. Die Menschen werden bei jeder digitalen Handlung verfolgt, ihre Daten erfasst und miteinander verknüpft, wie das etwa Wolfie Christl eindrucksvoll beschreibt.

Die EU hat mit der DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) einen wichtigen Schritt zum Schutz der Daten der Konsumenten getan. Eine Verordnung zur Privatsphäre ist in Vorbereitung. Das sind sinnvolle erste Schritte, die aber weiter ausgebaut werden müssen.

Was fehlt ist die erheblich bessere personelle und finanzielle Ausstattung der Datenschutzbehörden, damit sich Verfahren nicht ewig ziehen und die Behörden die Chance haben mehrere Unternehmen gleichzeitig zu verfolgen. Was fehlt sind auch stark verbesserte Möglichkeiten für Sammelklagen auf nationaler und internationaler Ebene. Konsumenten müssen sich einfacher und mit geringen Kosten zur Wehr setzen können.

Ein anderer Weg, der verfolgt werden muss, ist die Reduzierung der Größe und Macht der Monopole. Facebook etwa kauft regelmäßig die Konkurrenz auf, verspricht die Daten nicht zu nutzen, hält sich dann aber nicht daran. Eine Zerschlagung der riesigen Konglomerate ist absolut sinnvoll. Ins Visier sollten aber nicht nur AFGAM genommen werden, sondern auch Mega-Multis wie Softbank, die Mobilfunker, Finanzinstitute oder zentrale Unternehmen wie ARM besitzen. Von ARM kommen die Designs für Chips wie sie in Smartphones, Tablets, Autos, Fernsehern und zig anderen Gerätekategorien verwendet werden.

Ein weiteres Kapitel sind Plattform-Unternehmen die AirBnB oder Uber, die gewachsene lokale Strukturen zerstören. Auch hier sind Regeln zum Schutz von Konsumenten, des öffentlichen Raums und lokaler Strukturen nötig. Sowie heftige Strafen bei Nichteinhaltung der Vorschriften.

Es geht also um Regeln und Strafen für die Konzerne und um Rechte und deren Durchsetzung für Konsumenten. Das alles sind zugegebenermaßen defensive Maßnahmen. Eine Demokratisierung von Technologie ist aber ohne radikale Veränderung des Wirtschaftssystems nicht möglich.

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