Stimmungswandel in Mittel- und Osteuropa gegen den Westen

28. September 2023von 3 Minuten Lesezeit

Die Einstellung der Osteuropäer zum Krieg in der Ukraine beginnt sich zu Gunsten Russlands oder zumindest weg von der Ukraine zu wenden. Die Änderungen der Einstellungen und Trends in Russlands ehemaliger Einflusssphäre offenbaren einige zumindest für die EU unbequeme Wahrheiten.

Eine Eurobarometer-Umfrage aus dem Jahr 2022 hatte bereits ergeben, dass in ganz Mittel- und Osteuropa die Zustimmung zu Sanktionen gegen Russland von einem Höchstwert von 57 Prozent in Polen und 55 Prozent in Estland bis zu einem Tiefstwert von 35 Prozent in der Slowakei, 30 Prozent in Ungarn und 20 Prozent in Bulgarien schwankt.

Daten der slowakischen Nichtregierungsorganisation GLOBSEC aus dem vergangenen Jahr zeigen, dass eine knappe Mehrheit der Menschen in der Tschechischen Republik, Estland, Litauen und Polen ihre Länder als Teil des „Westens“ sehen möchte, während dies in Bulgarien, Ungarn, Lettland, Rumänien und der Slowakei weniger als die Hälfte ist.

Aus einer kürzlich durchgeführten Studie in der Tschechischen Republik wissen wir, dass 48 Prozent der Tschechen entweder „nicht sicher“, „falsch informiert“ oder „stark pro-russisch“ sind, wenn es um ihre Meinung zum Ukraine-Krieg geht. Noch auffälliger ist eine Studie der Agenturen MNFORCE und Seesame sowie der Slowakischen Akademie der Wissenschaften, der zufolge mehr als die Hälfte der Slowaken einen russischen Sieg begrüßen wird.

Die Slowakei ist besonders bemerkenswert, da sich bei den bevorstehenden Wahlen in diesem Land eine eher pro-russische Koalition herausbilden könnte. Der Mann, der höchstwahrscheinlich erneut slowakischer Ministerpräsident werden wird, Robert Fico, hat erklärt, er werde „die Waffenlieferungen an die Ukraine stoppen“.

In dieser Woche hat Polen, der größte regionale Verbündete der Ukraine, in einer erstaunlichen Wendung der Ereignisse erklärt, dass es keine Waffen mehr an sein Nachbarland liefert und sich nun auf die eigene Verteidigung konzentriert. Hintergrund ist ein Getreidestreit sowie eine Wahl im Oktober, bei der die konservativ-nationalistische Partei Recht und Gerechtigkeit von der noch euroskeptischeren und konservativeren „Konföderation“ unterstützt werden könnte, wobei die Unterstützung der Konföderation für Kiew zur Debatte steht.

Was das Getreide betrifft, so verbieten Ungarn, Polen und die Slowakei ukrainische Agrarimporte, und die Ukraine plant, ihren Fall vor die Welthandelsorganisation (WTO) zu bringen. Am Dienstag bestätigte auch Kroatien, dass es kein ukrainisches Getreide mehr einführen wird.

Auffallend an den jüngsten Ergebnissen ist auch, dass pro-russische Sympathien nicht nur in den südosteuropäischen Ländern aufkommen, die orthodox-christlich sind und traditionell eher mit Russland sympathisieren, einschließlich des Nicht-EU-Landes Serbien, sondern auch in den traditionell katholischen westslawischen Ländern wie der Tschechischen Republik und der Slowakei. Und vielleicht auch in Kroatien, wo der kroatische Präsident Zoran Milanović zuvor westliche Staaten für die Lieferung an die Ukraine kritisiert hat.

In Österreich gibt es noch immer mit 80% eine überwältigende Mehrheit für die Neutralität, gegen Krieg und Anschluss an die NATO. Die Skepsis gegenüber der EU und anderen globalen Organisationen nimmt zu. Das Land hat mehr Grenzen zu slawischen als zu westlichen Staaten und die Habsburgermonarchie wurde nicht zufällig auch als „Donaumonarchie bezeichnet. Und Brüssel fürchtet ein neues Österreich-Ungarn.

European Parliament, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

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12 Kommentare

  1. Jan 29. September 2023 at 11:06Antworten

    Wie lange wissenschaftlich vorausgesagt, gerät die fossile Energieversorgung an ihre Grenzen.

    Man kann jetzt sagen, Freie Energie wird sie ersetzen oder Solar & Wind, oder alles eine Intrige von wem auch immer – aber Mangel ignorieren geht nicht! Man kann eine andere Politik versuchen, aber die hat vielleicht weniger Spielraum als man meint.

    Die Folge ist Unzufriedenheit an allen Seiten, weil es den Leuten schlechter geht. Das können Kriegsprofiteure nutzen.

    Mit dem Mangel muss die Politik die Bevölkerung hinter sich versammeln und die großen Probleme angehen, damit der Verfall so langsam geht wie möglich – Churchill hat das in WK1 innenpolitisch vermocht. Mit dem Rückgang von Energie werden Maschinen ineffizient; sehr viele Lösungen wird man im traditionellen Handwerk finden müssen. Das bedeutet, das Wissen einer ganzen Manager- und Politikergeneration wird obsolet.

    Die aktuelle Politik basiert darauf, Leute vom Elefanten im Raum abzulenkten. Diese Sündenpolitik erlaubt ein weiter so. Sie kann aber die echten Probleme nicht lösen, deshalb sind die Leute unzufrieden. Ein Krieg wäre strategisch im Interesse von Verantwortlichen, weil er den Ausnahmezustand begründet und Strukturen erhält.

    Das Problem ist: Mit den alten Strulturen kann sich das Neue nicht entwickeln.

    Es wird also noch sehr viel Veränderung und Unsicherheit auf alle Gebieten entstehen. Dazu ist damit zu rechnen, dass das Warenangebot sich deutlich verschlechtert. Es werden „leere Regale“ kommen, Bildung und Medizin werden sich verschlechtern und irgendwann wird das Internet nicht mehr aufrecht zu erhalten sein. Damit sind wir dann auch von Wissen abgeschnitten.

    • Hasdrubal 29. September 2023 at 11:25Antworten

      Der Club of Rome sagte 1972 „wissenschaftlich“ voraus, dass es in 30-40 Jahren keine fossile Brennstoffe mehr geben würde. Da inzwischen 51 Jahre vergangen sind, verstehe ich Ihr Problem mit den Substanzen nicht, die es laut der „die Wissenschaft“ gar nicht mehr gibt.

  2. Dorn 29. September 2023 at 10:21Antworten

    Die Einstellung ist immer am Anfang sehr Euphorisch und kennt man, danach flaut es ab. Hatten wir schon. Es werden viele unbequeme Wahrheiten auf uns zukommen. Bisher wird viel überdeckt und am Ende schreit die Wahrheit jedem ins Gesicht.
    Der Weg ist das Ziel Leider stimmt der Spruch nicht immer, denn der Weg hat viele Gesichter in denen kaum einer hinschaut.

  3. Hasdrubal 29. September 2023 at 3:30Antworten

    „Daten der slowakischen Nichtregierungsorganisation GLOBSEC aus dem vergangenen Jahr zeigen, dass eine knappe Mehrheit der Menschen in der Tschechischen Republik, Estland, Litauen und Polen ihre Länder als Teil des “Westens” sehen möchte, während dies in Bulgarien, Ungarn, Lettland, Rumänien und der Slowakei weniger als die Hälfte ist.“

    In Polen hält man sich gerne für einen Teil des Westens, den man dort für dem Osten überlegen hält – beide Illusionen dürften bald fallen. Nach den BIP-Prognosen für 2023 sieht es so aus:

    China etwas um +5%
    Russland über +2,5%
    Deutschland -0,6% (nach Kaufkraft dieses Jahr von Russland als größte Wirtschaft Europas abgelöst)

    Wenn man sich die PiS-Politik und jene Putins genauer anschaut, sind sie sich ähnlicher als es beiden Seiten lieb wäre. Ob Putins Spott über „Elternteil 1, 2, 3“ oder polnische Klimagedöns-Ablehnung, die sogar über das hinausgeht, was Putin in den letzten Jahren zeigte (durch die lange Zeit in Dresden wird er in Russland oft für westlichsten Herrscher gehalten, den Russland je hatte). Da Polen und Baltikum die letzten Monate als heisse Kandidaten für Ukraine 2.0 galten und das Verschwinden von 1.0 in Polen durchaus bemerkt wird, wird man wohl in Polen Gedanken bekommen, ob man sich für Imperiale Machtspiele des Woken Westens opfern möchte.

  4. Fritz Madersbacher 28. September 2023 at 17:30Antworten

    Viele osteuropäische Staaten haben einen sehr schmerzlichen Lernprozess bezüglich ihrer Vorstellungen vom „Goldenen Westen“ durchgemacht und den wahren Charakter des „Friedensprojekts“ EU als Werkzeug großer Konzerne und imperialistischer Machtinteressen kennengelernt. Die sozialen Folgen ihrer Kolonialisierung und die damit verbundene Armut waren bedrückend, aber es scheint langsam aufwärts zu gehen.
    So war kürzlich ein Interview mit Christian Helmenstein, Leiter des Economica-Institutes, in der „Tiroler Tageszeitung“ zu lesen („Ökonom Helmenstein warnt vor Personalmangel: 600.000 Arbeitskräfte in Österreich fehlen“). Er erwartet, dass sich der Arbeitskräftemangel in Österreich zuspitzt.
    „Frage: Die heimische Wirtschaft durchläuft gerade eine Flaute, der Arbeitsmarkt bleibt bislang aber relativ stabil. In Tirol gibt es sogar Vollbeschäftigung. Wie passt das zusammen?
    Christian Helmenstein: Das liegt am demografischen Wandel, der dazu führt, dass wir mehr Abgänge in die Pension haben, als junge Menschen nachwachsen
    Frage: Benötigen wir nicht auch zusätzliche Arbeitskräfte aus dem Ausland?
    Helmenstein: Das ist schon richtig, aber woher? Die potenziellen Arbeitskräfte aus Zentral- und Osteuropa haben nicht zuletzt durch Covid festgestellt, dass auch bei ihnen das Lohnniveau gestiegen ist. Zugleich ist die Kaufkraft des Euro dort vor allem im Dienstleistungssektor höher. Das heißt, die Einkommensdifferenz zwischen Österreich und Osteuropa schrumpft ständig. Mit der Folge, dass viele dann nicht nach Österreich kommen. Dass die Neigung, nach Westeuropa zu immigrieren, sinkt, betrifft ja nicht nur Österreich, sondern auch Länder wie Deutschland, Spanien und Italien“ („Tiroler Tageszeitung“, 25/09/2023)
    Die osteuropäischen Länder emanzipieren sich zunehmend von der EU, die ihre Erwartungen in keinster Weise erfüllen konnte oder wollte. Das trägt zum Verfall dieses Konstrukts bei wie die völlige Unterordnung der EU-Institutionen und Repräsentanten unter die US-amerikanische Politik, bis zur Selbstverleugnung der Interessen der EU-Mitgliedsstaaten …

    • Hasdrubal 29. September 2023 at 3:53Antworten

      „… Das trägt zum Verfall dieses Konstrukts bei wie die völlige Unterordnung der EU-Institutionen und Repräsentanten unter die US-amerikanische Politik, bis zur Selbstverleugnung der Interessen der EU-Mitgliedsstaaten … “

      TE schrieb gestern über die China-Strategie Baerbocks – darauf hinzuweisen, dass diese Strategie wohl nur ein paar US-Neocons dient, war erst mal Tabu. Zum Thema schrieb aber auch ein anderes deutschsprachiges Medium, wo Petr Bystron zitiert wurde – ein AfD-MdB. Er warf vor, diese Strategie baue neue Chinesische Mauer statt neuer Seidenstraße und „folge damit blind den Vereinigten Staaten“ – dies scheint mehr Durchblick zu haben.

    • Heiko S 29. September 2023 at 8:25Antworten

      Volle Zustimmung. Die gesamte EU-Osterweiterung diente nur der Schaffung eines Reservoirs an billigen Arbeitskräften und der Rückdrängung Russlands aus diesen Märkten. Aber alles hat einmal ein Ende. Die Menschen begreifen langsam, dass es nie um sie ging und sie ihre Seele verkaufen sollten. Da unterscheiden sich DDR-Bürger nicht von den Ost- und Südosteuropäern. Irgendwann hat man eben genug Bananen gegessen.

      • Hasdrubal 29. September 2023 at 10:40

        In Osteuropa waren wir froh, das Sowjetimperium loszuwerden und der EU-Binnenmarkt brachte anfänglich Chancen schneller Entwicklung – der Binnenmarkt macht noch heute Sinn.

        Übel wurde es nach der Theorie des „Endes der Geschichte“ Fukuyamas, nach der durch das Ausbleiben des Systeme-Wettbewerbs Manche auf die Idee kamen, die unipolare westlich geprägte Welt zur totalen Abzocke zu korrumpieren. WEF ging durch Institutionen und Regierungen – der Rest ist bekannt. Jetzt kommt wieder multipolare Welt mit wetteifernden Systemen – so schnell stellen sich aber westliche Oligarchen und Neocons nicht um; schon lieber kämpfen bis zum Nuklearkrieg um diese vergangene Fukuyama-Welt.

        Ulkig die Podiumsdiskussion mit Kerry im anderen Thread, wo die Woken klagen, dass die Welt die Corona-Panik „vergessen“ hat – die kommt nicht so leicht wieder. Genausowenig wie die unipolare Welt.

      • Fritz Madersbacher 29. September 2023 at 12:11

        @Hasdrubal
        29. September 2023 at 10:40
        „Übel wurde es nach der Theorie des „Endes der Geschichte“ Fukuyamas“
        Wie hier im TKP-Blog jetzt schon oft dargestellt, war es vorher nicht anders.
        „… und der EU-Binnenmarkt brachte anfänglich Chancen schneller Entwicklung – der Binnenmarkt macht noch heute Sinn“
        Der EU-Binnenmarkt ist beim Zusammenbrechen aus inneren und äußeren, vor allem politischen Gründen (US-Vasallentum, Verlust der Kolonien). Für Osteuropa und auch die ehemalige DDR war die „Chance schneller Entwicklung“ die schnelle Kolonialisierung durch die westlichen Konzerne.
        Besonders die „Pandemie“-Inszenierung hat jetzt vielen die Augen darüber geöffnet, dass sie (allzu) lange falschen Vorstellungen, geschürt durch entsprechende Propaganda und Infiltration, nachgelaufen sind. „Wir im Westen“ sind jetzt mit der Nase darauf gestoßen worden, dass wir langsam unsere liebgewonnenen Illusionen überprüfen sollten, bevor wir unseren Kindern und Kindeskindern einen Scherbenhaufen hinterlassen. Die Fortschritte kommen momentan von anderswo, von den in langjähriger Indoktrination Geächteten der „globalen Mehrheit“, weil sie gezwungen sind, sich zu wehren. Aber auch diese Fortschritte kommen natürlich nur in vielen Windungen und Wendungen voran (wie alle Fortschritte), aber sie sind bereits zu einer beherrschenden „historischen Strömung“ geworden …

      • Hasdrubal 29. September 2023 at 12:27

        Immerhin hat Tschechien beim BIP pro Person nach Kaufkraft sogar Japan überholt – Polen und Ungarn bleiben knapp darunter. Etliche Bekannte im Mittelstand können sich weit mehr leisten, als es in den 1980ern denkbar war. Damals waren leere Geschäfte und lange Schlangen die Regel.

        Erst Spinnereien wie C40 mit Zero Fleisch und Zero Milch drohen, das Leben wieder ärmlicher zu machen.

      • Fritz Madersbacher 29. September 2023 at 13:29

        @Hasdrubal
        29. September 2023 at 12:27
        Nach dem Chruschtschow’schen Gulaschkommunismus nun der Gulaschkapitalismus, halt garniert mit „Pandemien“, Kriegsgefahr, diversen anderen „Agenda“ der großen westlichen Monopole – deswegen eben der „Stimmungswandel in Mittel- und Osteuropa gegen den Westen“ (siehe Titel des TKP-Artikels) …

      • Fritz Madersbacher 29. September 2023 at 14:21

        @Heiko S
        29. September 2023 at 8:25
        „Die Menschen begreifen langsam, dass es nie um sie ging und sie ihre Seele verkaufen sollten“
        „Pandemie“-Inszenierung: und nach dem Geschäft mit der Seele haben sie eben auch unsere Körper beansprucht … wann gebieten wir ihnen HALT?

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