Bricht die NATO? Polen kündigt Kehrtwende an und will Ukraine nicht mehr bewaffnen

21. September 2023von 4,8 Minuten Lesezeit

Der Damm der einheitlichen westlichen Unterstützung für die Ukraine bricht, und der Zeitpunkt könnte für Selenskyy nicht schlechter sein, da er sich morgen mit Präsident Biden im Weißen Haus treffen soll. Am Mittwochabend gab es eine erstaunliche Nachricht aus Polen, die möglicherweise den gesamten Verlauf des Krieges verändern könnte.

Polen wird die Ukraine nicht mehr bewaffnen, um sich auf seine eigene Verteidigung zu konzentrieren„, verkündete der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki nur wenige Stunden, nachdem Warschau den ukrainischen Botschafter im Zusammenhang mit einem neuen Krieg der Worte und einem Streit über blockiertes Getreide vorgeladen hatte, wie die AFP berichtet. Warschau war in den mehr als anderthalb Jahren des Krieges zwischen der Ukraine und Russland der treueste und unverblümteste Unterstützer Kiews.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagte im Sender Polsat, dass sich die Beziehungen zwischen Warschau und Kiew derzeit in einem „düsteren Zustand“ befänden.

„Wir senden eine Warnung an Kiew, nicht die Töne zu spielen, die von russischen Trollen verwendet werden. Die Provokateure haben Maßnahmen ergriffen und sind froh, dass der Samen der Zwietracht zwischen unseren Ländern gesät wurde. Die aktuellen Beziehungen Polens zur Ukraine sind, um es auszudrücken gelinde gesagt, in einem schwierigen Zustand nach den jüngsten Erklärungen hochrangiger Beamter und des Präsidenten der Ukraine.

Bedeutet diese massive und äußerst wichtige Kehrtwende den Anfang vom Ende? Sind Friedensverhandlungen und Gebietsabtretungen im Donbass jetzt unvermeidlich?

In den letzten 48 Stunden sind die Beziehungen zwischen Polen und der Ukraine auf den tiefsten Stand seit der Februar 2022 gesunken, und das hängt unmittelbar damit zusammen, dass Warschau eine Handvoll EU-Länder dazu veranlasst hat, das Getreideexportverbot für die Ukraine zu verlängern – inmitten der anhaltenden Wut und Empörung der polnischen Landwirte, die darunter leiden, dass ihr Land mit billigem ukrainischem Weizen überschwemmt wird.

Entscheidend ist, dass in Polen am 15. Oktober Parlamentswahlen abgehalten werden. Die vorherige Atmosphäre enthusiastischer Pro-Kiew-Rhetorik hat sich drastisch verändert, denn nun wird die Ukraine mit einem „Ertrinkenden“ verglichen.

The Associated Press erklärt:

Polnische Politiker haben die Ukraine mit einem Ertrinkenden verglichen, der seinen Helfern weh tut, und damit gedroht, ein Verbot von Lebensmitteln aus dem kriegsgeschüttelten Land auszuweiten. In der Zwischenzeit hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Zelenskyy angedeutet, dass die EU-Verbündeten, die die Einfuhr von Getreide aus seinem Land verbieten, Russland helfen.

Jetzt zeigen sich polnische Politiker, die versuchen, die Parlamentswahlen im nächsten Monat mit Hilfe der Stimmen der Landwirte zu gewinnen, bestürzt über einige der jüngsten Schritte der Ukraine, darunter eine Beschwerde bei der Welthandelsorganisation (WTO) wegen des Einfuhrverbots für ukrainisches Getreide aus Polen und zwei anderen EU-Ländern.

Der polnische Präsident Andrzej Duda äußerte sich am Dienstag am Rande der UN-Generalversammlung gegenüber Reportern überraschend unverblümt und knapp: „Die Ukraine verhält sich wie ein Ertrinkender, der sich an alles klammert, was ihm zur Verfügung steht.

Dann sagte er: „Ein Ertrinkender ist extrem gefährlich, er kann einen in die Tiefe ziehen … und den Retter einfach ertrinken lassen.“ Angesichts der Verluste, die die Ukraine auf dem Schlachtfeld erlitten hat, und der Tatsache, dass sie derzeit in einer gescheiterten Gegenoffensive feststeckt, haben diese Worte zweifellos geschmerzt. Aber wie The Hill weiter aus dem innenpolitischen Kontext in Polen berichtet:

Die öffentliche Stimmung zu diesem Thema hat sich jedoch verschlechtert, was die Regierungspartei vor den bevorstehenden Wahlen im Oktober in eine schwierige Lage bringt. Die rechtsextreme Konföderationspartei hofft, aus der schwindenden Unterstützung im Lande Kapital schlagen zu können.

Reuters berichtete, dass eine kürzlich durchgeführte Umfrage ergab, dass die Unterstützung für ukrainische Flüchtlinge von 91 Prozent zu Beginn des Krieges auf nur noch 69 Prozent gefallen ist. Die gleiche Umfrage ergab, dass ein Viertel der Polen gegen die Unterstützung von Flüchtlingen ist, verglichen mit 4 Prozent Anfang 2022.

Auch Ungarn hat sich schon scharf gegenüber der Ukraine geäußert, die angeblichen ukrainischen „Bauern“ seien ohnehin Großkonzerne aus USA, Saudi Arabien und den Niederlanden.

Als Reaktion auf das Getreideverbot hatte Selenskyy in seiner UN-Rede das „alarmierende“ Verhalten der Verbündeten in Bezug auf das Einfuhrverbot verurteilt, ohne jedoch Polen ausdrücklich zu nennen. Darüber hinaus hat Kiew angekündigt, Warschau vor der Welthandelsorganisation zu verklagen, und gleichzeitig die Möglichkeit eines eigenen Embargos für polnische Lebensmittel, darunter Zwiebeln, Tomaten, Kohl und Äpfel, in Aussicht gestellt. All dies läuft auf eine ausgewachsene diplomatische Krise für Selenskyy hinaus, die zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen könnte, da er sich in Washington aufhält.

Es scheint auch immer schwieriger zu werden von den USA noch Unterstützung zu bekommen. Die Politiker in Kongress und Senat sind sich der Ablehnung bei den Wählern zu weiteren Ausgaben durchaus bewusst.

Laut Politico hat sich Selenskyy mit einer Reihe von Bankern getroffen um Hilfe für den Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur zu erhalten. Es bleibt abzuwarten, ob Banken und Vermögensverwalter auf das Risiko eingehen.

Abzuwarten bleibt auch, wie sich die Entwicklungen nicht nur in Polen, sondern auch in der Slowakei und in Ungarn auf den Zusammenhalt in der NATO auswirken. Und dann natürlich in weiterer Folge für die Zukunft der EU.


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18 Kommentare

  1. suedtiroler 25. September 2023 at 9:51Antworten

    im Kanadischen Parlament wurde während des Selensky Besuchs einem Mitglied der SS Division Galizien applaudiert und gehuldigt.
    da wäre unbedingt einen Artikel wert!!

  2. Bernhard 22. September 2023 at 8:34Antworten

    Je mehr Menschen und Länder wieder zu ihrem eigenen Lebenswillen finden, umso schneller ist dieser ferngesteuerte Wahnsinn vorbei.
    Soldaten, die das Schlachtfeld verlassen, und Länder, die Waffen oder Munition nicht mehr liefern, sind die wahren Gamechanger. Sie werden den Krieg beenden.
    Die Pharisäer werden erst dann wieder ihre Friedenssehnsucht entdecken, wenn die Mehrheit die Sinnlosigkeit des Krieges eingesehen hat.
    Die andere Seite bekommt dann oft auch schnell wieder menschliche Züge.
    Habe heute schon bei Steingarts Morning Briefing gelesen, dass Putin eine Lösung will, bei der die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt werden.

  3. Roland Kaschek 22. September 2023 at 3:32Antworten

    Polen weiß genau, dass seine angestrebte Führungsrolle in Europa ohne die Hilfe der USA nicht zustande kommt. Es wird daher nichts tun, das die USA ernsthaft verärgern könnte. Die USA brauchen den Krieg in der Ukraine als Vorbereitung für den von ihnen geplanten Krieg mit China. Was wir derzeit erleben ist strategisch ohne Bedeutung und den anstehenden Wahlen in Polen bzw. Den USA geschuldet. Wenn die Wahlen in Polen gelaufen sind, wird höchstwahrscheinlich die Rhetorik wieder verschärft. Bekanntlich ist ein Charakteristikum der sog. Repräsentativen Demokratie, dass es keine wirkliche Rolle spielt, was die Wähler wollen. Sie müssen lediglich zur Beachtung der Spielregeln dieses politischen Systems gebracht werden, ob mit List, Tücke oder Gewalt, ist unbedeutend. Im Notfall besteht auch die Option Zelenski zu entsorgen um den Krieg mit weniger Friktion unter den verbündeten am laufen zu halten. Eine Änderung der Großwetterlage könnte eintreten, wenn der Kandidat der Democratic Party in den US-Wahlen die Wahl verliert. Sollte das nicht der Fall sein, so könnte der neue Weltkrieg unvermeidlich geworden sein.

    • I.B. 22. September 2023 at 13:12Antworten

      Polens Präsident Duda ist bereits zurückgerudert. Premierminister Mateusz Morawiecki wäre missverstanden worden. Wann ist da wohl ein Anruf aus den USA gekommen?

  4. Wilfried 22. September 2023 at 0:37Antworten

    Die Amis werden nach den Wahlen im Osteuropa schon mit allen (!) Mitteln dafür sorgen, dass niemand
    die Nato verlassen darf – Kanonenfutter braucht man schließlich !

  5. THORShammer 21. September 2023 at 20:25Antworten

    Der Pole wird auch gern als die Hyäne Europas bezeichnet – er ist es wohl auch.

    • Steve Acker 21. September 2023 at 21:35Antworten

      hier tun sie jedenfalls das richtige

    • 1150 22. September 2023 at 7:22Antworten

      @THORShammer,
      der ausspruch stammt von churchill,
      man sehe sich nur die menge der konflikte polens mit seinen nachbarn zwischen 1918 bis 1939 an….

  6. Steve Acker 21. September 2023 at 18:42Antworten

    auf TKp wurde ja schon vor einiger Zeit über polnische Bestrebungen berichtet, sich die einst verlorenen Gebiete zurückzuholen.
    Ob das vielleicht als nächstes kommt ?

    • Jan 22. September 2023 at 1:56Antworten

      Die Wirtschaftsdaten zeigen überall nach unten, einen sinnlosen Krieg muss man auch finanzieren können.

  7. Hasdrubal 21. September 2023 at 17:46Antworten

    „Am Mittwochabend gab es eine erstaunliche Nachricht aus Polen, die möglicherweise den gesamten Verlauf des Krieges verändern könnte.“

    Die mächtige Rand Corporation hat bereits vor Monaten den Rückzug der USA aus dem Banderastan empfohlen – den auch Manche schon länger erwarten. Ich nehme mal an, das Papier ist auch der Regierung Morawieckis bekannt – damit wäre nicht mal ein Tabu gebrochen, sondern die Gelegenheit des Getreide-Streits genutzt.

    Baerbock weiß vermutlich noch von nichts – oder überlegt, ob sie um 360 oder 720 Grad drehen muss?

    • gagaertner 21. September 2023 at 20:49Antworten

      Russland hat den Krieg bereits gewonnen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

      • Hasdrubal 21. September 2023 at 23:48

        Gewisses Medium aus dem Osten zitiert heute Seymour Hersh, der Ähnliches sagt. Später wurde jedoch auch der US-General Miley zitiert, der eine Winteroffensive ankündigt – und der britische Graf Charles, der an den Ukro-Endsieg „unerschütterlich“ glaubt. (Nur dieser Endsieg könnte die Klima-Phantastereien des Grafen der ganzen Welt aufzwingen… was so offen dieses Medium leider nicht erklärt).

    • gagaertner 22. September 2023 at 9:06Antworten

      Hallo Hasdrubal,
      danke für die Antwort; ja , das ist richtig. Dann aber nur mit massivem Einsatz von Natosoldaten und atomaren Waffen. Dann aber gibt es keinen Sieger mehr, sondern die totale Vernichtung. Ohne dieses Szenario: No Chance für den Westen. Sorry, wenn ich das so einfach ohne rhetorischen „Schnickschnack formuliere.
      (siehe auch möglich Meuterei der ukrainischen Soldaten lt. Hersh)

      Dass das alles der absolute Wahnsinn ist, versteht sich von selbst.

  8. Nurmalso 21. September 2023 at 16:50Antworten

    Der Pole weiss immer was dir fehlt.

    • peter 21. September 2023 at 17:21Antworten

      Da ich in Teilen polnischer Abstammung bin, kann ich diese Aussage nicht so stehen lassen und möchte mit einem Ausspruch aus Polen kontern:
      ‚du bist so dumm wie ein Deutscher‘.

      Bei allem Kriegstetrommel, die Slaven haben lange genug unter dem Kommunismus gelebt, um sich in brenzligen Situationen auf das wesentliche zu konzentrieren: ‚das Selbst‘. Egal ob Polen,Tschechen,Ungarn etc ..
      Die Deutschen würden wieder (zumindest die olle Propaganda-Presse) sagen: alles Egoisten da im Osten.
      Aber ich kann nur mit dem polnischen Ausspruch kontern.
      siehe oben….

      Vielleicht sollte der eine oder andere Deutsche sich mal ein Beispiel an den Polen nehmen.
      Wäre nicht das Schlechteste.

      • Hasdrubal 22. September 2023 at 0:12

        Selber habe ich zur Hälfte polnische Vorfahren, zur Hälfte sog. Kartoffel-Michels. Mein Vater kannte ganz gut den inzwischen verstorbenen Morawiecki Senior, der die „Kämpfende Solidarität“ gründete. Dennoch – Polen sollte bedenken, dass der aktuelle Stellvertreterkrieg um woke Dysotopien wie Zero Fleisch, Zero Milchprodukte und Zero Reisen geführt wird, welche laut Umfrage 86% der polnischen Gesellschaft strikt ablehnt – und PiS ebenso. Da war es schon doof, ständig Waffen eigentlich gegen sich selbst und eigene Interessen zu liefern – gut, wenn es jetzt endet.

  9. Vietato Fumare 21. September 2023 at 16:26Antworten

    Kokainskij hat in seinem massenmedial-narzisstischen Rausch geglaubt, dass er der Nabel der Welt ist. „Wir haben den Informationskrieg gewonnen“, hat er begeistert verkündet. Ja, den Informationskrieg. Aber nicht den echten.

    Dass die Ukraine geschrottet und täglich sinnlos Soldaten verheizt werden (im Kampf um die Rückeroberung überwiegend russischsprachiger Gebiete, die gar nicht zurückerobert werden wollen, sondern wo es für die Bewohner der größte Horror wäre, wenn dort wieder der ultrabrutale ukrainische Geheimdienst folternd und mordend durch die Straßen zieht), ist übrigens nicht nur die Schuld von Selenskij. Auch alle naiven Medienkonsumenten, die sich nicht die Mühe gemacht haben, die Wahrheit hinter diesem Konflikt zu ergründen und stattdessen „Slava Ukraini“ gebrüllt haben, sind mitschuld an diesem Gemetzel – das schon morgen vorbei sein könnte, wenn wir endlich aufhörten, Zuhälter des Krieges zu sein.

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