Niedrige Letalität von Covid-19 dank weit verbreiteter Hintergrundimmunität

11. Juli 2020von 4,2 Minuten Lesezeit

Immer mehr wissenschaftliche Forschungen zeigen, dass die Gefährlichkeit von SARS-Cov-2 und die dadurch ausgelöste Krankheit Covid-19 zu Beginn massiv überschätzt wurde. Auch bei der Behandlung hat man enorm viel dazugelernt. Vor allem zeigen immer mehr Studien, dass es eine hohe Hintergrundmmunität durch Infektionen mit anderen Coronaviren gibt und auch Antikörper-Immunität recht weit verbreitet sein kann. Immer wieder wird die vielfältige Abwehrkraft unseres Immunsystems massiv unterschätzt.

Das hat sich unter anderem auch bei der sorgfältigen Studie in Ischgl gezeigt. Der hohe Antikörperwert von 42% in Ischgl ergab sich, weil in Ischgl auch auf IgA-Antikörper im Blut getestet wurde (statt nur auf IgM/IgG), und dies relativ frühzeitig bereits im April. Wäre zusätzlich auf mukosale IgA und auf T-Zellen getestet worden, hätte sich zweifellos eine nochmals deutlich höhere Immunität im Bereich der Herdenimmunität ergeben.

Mit nur zwei Todesfällen (beides vorerkrankte Männer über 80 Jahren) ergibt sich damit  im “Hotspot” Ischgl eine bevölkerungsbasierte Covid-Letalität (IFR) von deutlich unter 0.1%.

Schätzung der Letalität nach Antikörperstudien

Die meisten Antikörperstudien ergaben eine bevölkerungsbasierte Infection Fatality Rate (IFR) zwischen 0.1% und 0.3%. Die US-Gesundheitsbehörde CDC publizierte im Mai eine immer noch vorsichtige “beste Schätzung” von 0.26% (basierend auf 35% asymptomatischen Fällen).

Ende Mai erschien eine immunologische Studie der Universität Zürich, die erstmals nachwies, dass die üblichen Antikörper-Tests, die Antikörper im Blut messen (IgG und IgM), höchstens ca. ein Fünftel aller Coronavirus-Infektionen erkennen können.

Gründe für die verbreitete Immunität

Der Grund dafür ist, dass das neue Coronavirus bei den meisten Menschen bereits durch Antikörper auf der Schleimhaut (IgA) oder durch eine zelluläre Immunität (T-Zellen) neutralisiert wird und sich dabei entweder keine oder nur milde Symptome ausbilden.

Die Autoren der Studie erklären, dass das neue Coronavirus vermutlich viel weiter verbreitet ist als bisher angenommen und die Letalität pro Infektion rund fünfmal niedriger liegt als bisher vermutet. Die wirkliche Letalität könnte somit deutlich unter 0.1% liegen.

Die Schweizer Studie dürfte auch erklären, warum Kinder normalerweise gar nicht oder nur mild am neuen Coronavirus erkranken (aufgrund des häufigen Kontakts mit bisherigen Corona-Erkältungsviren), und warum selbst Hotspots wie New York City eine Antikörper-Verbreitung (IgG/IgM) von höchstens 20% fanden – denn dies entspricht bereits der Herdenimmunität.

Die Schweizer Studie wurde inzwischen von weiteren Studien bestätigt:

  • Eine schwedische Studie ergab, dass Personen mit milder oder asymptomatischer Erkrankung das Virus oftmals mit T-Zellen neutralisieren, ohne Antikörper ausbilden zu müssen. Die T-Zellen-Immunität war etwa doppelt so häufig wie die Antikörper-Immunität.
  • Eine umfangreiche spanische Studie ergab, dass weniger als 20% der  symptomatischen Personen und ca. 2% der getesteten asymptomatischen Personen IgG-Antikörper hatten.
  • Eine deutsche Studie (Preprint) ergab, dass 81% der Personen, die noch keinen Kontakt mit dem neuen Coronavirus hatten, bereits über kreuzreaktive T-Zellen und damit über eine gewisse Hintergrundimmunität verfügen. Der Grund dafür dürfte der Kontakt mit bisherigen Coronaviren (Erkältungsviren) sein.
  • Eine chinesische Studie im Fachmagazin Nature ergab, dass bei 40% der asymptomatischen Personen und bei 12.9% der symptomatischen Personen nach der Erholungsphase keine IgG-Antikörper mehr nachweisbar sind.
  • Eine weitere chinesische Studie mit knapp 25,000 Klinikmitarbeitern in Wuhan ergab, dass höchstens ein Fünftel der vermutlich infizierten Mitarbeiter IgG-Antikörper aufwiesen.
  • Eine kleine französische Studie (Preprint) ergab, dass sechs Familienmitglieder von Covid-Patienten eine T-Zellen-Immunität ohne Antikörper entwickelten.

Andere Dynamik in Hotspots

Wir wissen, dass es manchen Gegenden zu sehr rasanten Ausbrüchen kam, wie etwa in Bergamo bei einem Match des von Atalanta Bergamo gegen den FC Valencia. In diesem Zusammenhang kam eine US-Studie im Fachjournal Science Translational Medicine anhand verschiedener Indikatoren zum Ergebnis, dass die Letalität von Covid-19 weit tiefer liegt als ursprünglich angenommen, seine Ausbreitung in einigen Hotspots aber bis zu 80-mal schneller erfolgte als vermutet, was den raschen Anstieg an Erkrankungen erklären würde.

Welche Maßnahmen auf Basis der Fakten gerechtfertigt sind

Aufgrund der eher geringen Letalität fällt Covid-19 höchstens in die Stufe 2 des von den US-Gesundheitsbehörden entwickelten fünfstufigen Pandemie-Plans. Für diese Stufe ist lediglich die “freiwillige Isolierung kranker Personen” als Hauptmaßnahme vorgesehen. Weitergehende Maßnahmen wie Mundschutzpflicht, Schulschließungen, Abstandsregeln, Kontaktverfolgung, Impfungen und Lockdowns ganzer Gesellschaften sind hingegen nicht angezeigt.

Die neuen immunologischen Resultate bedeuten zudem, dass “Immunitätsausweise” und Massenimpfungen nicht funktionieren können und mithin keine sinnvollen Strategien sind.

Einige Medien sprechen weiterhin von angeblich viel höheren Covid-Letalitätswerten. Diese Medien beziehen sich jedoch auf veraltete Simulationsmodelle, verwechseln Mortalität und Letalität, oder CFR und IFR, oder “rohe IFR” und bevölkerungsbasierte IFR. Auch Infektion und Erkrankung wird gerne verwechselt.

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