Nordische Tautologien, oder: Pandemie-Management durch…was genau?

6. Dezember 2023von 7,1 Minuten Lesezeit

Wir sind offenbar an dem Moment in der WHO-erklärten sog. „Corona-Pandemie“ angekommen, in dem die Gesundheitsbürokraten  aufgrund der vielfach veränderten Grundsatzaussagen nicht mehr ein oder aus wissen. Ein besonders herrlich kafkaeskes Trauerspiel bieten im Moment die norwegischen „Leit- und Qualitätsmedien“ und die Aussagen von Dr. Preben Aavitsland, seines Zeichens Chefepidemiologe des Folkehelseinstituttets.

Doch zunächst ein wenig Kontext. Seit meinem letzten einschlägigen „Update“ Ende November hat sich der Medienwahn in ähnlichen Bahnen bewegt wie in Österreich oder Deutschland: hier etwa ein Staatsfunk-Beitrag in NRK vom 30. Nov. 2023, der vor einer „Mehrfachwelle diesen Winter“ (Covid, Grippe, RSV) spricht, bis hin zu mehr oder minder lesbarem Geschwafel über „das musst du jetzt wissen/tun“ in z.B. Bergens Tidende am 4. Dez. 2023. Das ist natürlich „nur“ eine selektive Auswahl, bietet aber immerhin einen Eindruck davon, dass der „Mediendiskurs“ in Norwegen in ähnlich absurden Bahnen verläuft wie in Mitteleuropa.

An sich könnte man dies als abstruse Wahnvorstellungen von zwischenzeitlich nicht mehr so wichtigen „Experten™“ halten (m.E. ist dies zu einem Gutteil zutreffend, wie ich etwa hier bzw. hier auf meinem Substack beschrieben habe), doch mittlerweile ist mir das Lachen angesichts meines jüngsten Austauschs mit den hiesigen Gesundheitsbehörden vergangen.

Doch zunächst der Reihe nach.

Was sagt das Folkehelseinstituttet über die C-Impfungen?

Hier finden Sie die Links zu den entsprechenden Homepage-Einträgen zur „Corona-Impfung“ auf Norwegisch (letztes Update: 24. Okt. 2023) bzw. Englisch (letztes Update: 18. Sept. 2023). In den Abschnitten über „Warum wir impfen“ liest man (in meiner Übersetzung bzw. mit meinen Hervorhebungen):

Eine durchgemachte Infektionskrankheit bietet oft einen gewissen Schutz (Immunität) gegen eine erneute Ansteckung, aber manche Krankheiten können eine so starke Entzündungsreaktion im Körper hervorrufen, dass sie gefährlich werden. Manche Menschen werden lebensbedrohlich krank und sterben oder erleiden schwere Folgeerkrankungen.

Durch die Impfung erhält der Körper etwas, auf das er sich einstellen kann, das dem Krankheitsvirus ähnlich ist, das aber die Krankheit nicht auslösen kann. Das Immunsystem wird stimuliert, so dass der Körper lernt, das Virus zu erkennen und zu bekämpfen. Der Impfstoff verschwindet schnell wieder aus dem Körper. Aber bis dahin hat der Körper durch den Impfstoff gelernt, sich zu verteidigen, wenn er später einer Infektion ausgesetzt ist. Auf diese Weise können wir uns auf einfache und wirksame Weise gegen einige gefährliche Infektionskrankheiten schützen, ohne uns dem Risiko aussetzen zu müssen, selbst zu erkranken.

Darüber hinaus kann die Impfung dazu beitragen, die Ansteckung in der Gesellschaft zu begrenzen.

Wissend ob des Schreibens von EMA-Chefin Emer Cooke, schrieb ich dem Folkehelseinstituttet eine Reihe von Fragen:

Aktuelle „Antworten“ der Gesundheitsbürokraten

Es dauerte zwar ein paar Tage, aber – erneut – hat sich Chefepidemiologe Preben Aavitsland dazu herabgelassen, mir folgende Zeilen zu übermitteln:

Frage 1: Wie ist der erste Satz in Bezug auf die „Wirksamkeit“ der natürlichen Immunität gegenüber der durch Impfung erworbenen Immunität zu verstehen?

Hierzu Aavitsland:

Der von Ihnen zitierte Text befasst sich nicht mit der Frage des Schutzes durch Immunität nach einer Infektion im Vergleich zur Impfung.

Das mag zwar im wortwörtlichen Sinne mit Scheuklappen korrekt sein, ist aber m.E. die Gretchenfrage hier: denn wer „genesen“ ist, für den könnte – wie dies z.B. bei anderen Infektionskrankheiten (Masern) der Fall ist – eine Kontraindikation zutreffen. Dies aber ist für das Folkehelseinstituttet kein Thema.

Frage 2: Sie schreiben: „Der Impfstoff verschwindet schnell aus dem Körper“ – ich finde das schwer zu glauben, wenn man bedenkt, dass öffentliche Gesundheitsbehörden wie die CDC dies seit Sommer 2021 nicht mehr behaupten (Quelle). Wie dem auch sei, bitte informieren Sie mich, vorzugsweise unter Angabe einschlägiger Studien, wie lange das impfstoffinduzierte Spike-Protein im Umlauf ist und wann dessen modRNA-induzierte Produktion aufhört?

Die mRNA in den Impfstoffen verschwindet schnell aus dem Körper, wie zum Beispiel in diesem Artikel zu sehen ist: SARS-CoV-2-Spike-mRNA-Impfstoffsequenzen zirkulieren im Blut bis zu 28 Tage nach der COVID-19-Impfung – PubMed (nih.gov)

Bitte beachten Sie, dass die zitierte Studie eine Samplegröße von 10 (in Worten: „zehn“) chronisch kranken Hepatitis C-Patienten ausweist – und lediglich eine von mehr als 1,100 ähnlichen Studien ist, die in der „PubMed“-Datenbank (mit den Suchbegriffen „sars-cov-2 sprike protein production“) ausgewiesen ist.

Als Hochschullehrer – Preben Aavitsland ist übrigens einer meiner Kollegen hier in Bergen – erlaube ich mir den leicht spöttischen Hinweis, dass es fachlich unmöglich ist, von einer „selektiven Rezeption“ der Forschungsliteratur zu sprechen.

Frage 3: Was schließlich die Aussage betrifft, dass „die (Covid-) Impfung dazu beitragen kann, die Übertragung in der Gesellschaft zu begrenzen“, so möchte ich Sie auf ein Schreiben der EMA-Leiterin Emer Cooke vom 18. Oktober 2023 verweisen, in dem Folgendes steht (Hervorhebungen von mir):

COVID-19-Impfstoffe sind nicht zur Verhinderung der Übertragung von einer Person auf eine andere zugelassen worden. Die Indikationen dienen nur dem Schutz der geimpften Personen.

Aus der Produktinformation für COVID-19-Impfstoffe geht eindeutig hervor, dass die Impfstoffe für eine aktive Immunisierung zur Verhinderung von COVID-19 bestimmt sind. Darüber hinaus wird in den Bewertungsberichten der EMA über die Zulassung der Impfstoffe darauf hingewiesen, dass keine Daten zur Übertragbarkeit vorliegen.

Der Brief von Frau Cooke wurde als Antwort auf eine Anfrage einiger Europaabgeordneter verfasst, deren Schreiben (vom 4. Oktober 2023) Sie hier finden.

Im deutschsprachigen Raum hat er inzwischen für einige Aufregung gesorgt, so zitiert z.B. die Berliner Zeitung aus dem Brief von Frau Cooke und fragt, ob Regierungen und Gesundheitsbehörden „von Anfang an, dass die Impfungen die Übertragung nicht verhindert?“

Hier finden Sie Preben Aavitslands Antwort:

Covid-19-Impfstoffe tragen dazu bei, die Übertragung in der Gesellschaft zu begrenzen, indem sie die Geimpften vor einer Infektion schützen, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit.

Nun sollte sich auch der Titel des Beitrags für Sie erschlossen haben: Die C-„Impfungen“ sind zwar „nicht zur Verhinderung der Übertragung von einer Person auf eine andere zugelassen“ (Emer Cooke), „tragen [aber] dazu bei, die Übertragung in der Gesellschaft zu begrenzen, indem sie die Geimpften vor einer Infektion schützen, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit“.

Bitte fragen Sie mich nicht, wie diese Tautologie in der epidemiologischen Praxis funktioniert, ich habe zwar einige – zugegeben abstruse – Gedanken, bin mir aber nicht sicher, ob meine kognitiven Kapazitäten ausreichen, diese in Worte zu fassen.

Epilog: Akkurate Information im Netz und Nachfragen an das FHI

Aus gegebenem Anlass – die „Einverständniserklärung“ vor einer C-„Impfung“ des Folkehelseinstituttets datiert vom 8. April 2022 (!), eine Übersicht finden Sie auf meinem Substack – habe ich nicht nur die Pressestelle des FHI kontaktiert, sondern ebenso an die Emailadresse für „allgemeine Anfragen“ geschrieben.

Sie können sich mein Erstaunen kaum vorstellen, aber ich habe auch von zweiterer Instanz eine Antwort bekommen (meine Übersetzung): „Ich werde Ihre Nachricht an die Online-Redaktion weiterleiten, falls es etwas gibt, das korrigiert werden sollte.“

Die beiden eingangs verlinkten Homepage-Einträge sind mit Stand 6. Dez. 2023 gegen 8:00 Uhr morgens weiterhin in beiden Sprachversionen (Norwegisch, letztes Update: 24. Okt. 2023 bzw. Englisch, letztes Update: 18. Sept. 2023) online.

Übrigens habe ich auch Dr. Aavitsland mit einer „Nachfrage“ geschrieben, die ich Ihnen nicht vorenthalten will:

Wie lange hält der impfstoffinduzierte Schutz vor Infektionen an? Bitte geben Sie die Schätzung des FHI und Referenzen an.

Die Leiterin der EMA, Emer Cooke, gab zu Protokoll, dass die Covid-19-Impfstoffe nicht „zur Verhinderung der Übertragung von einer Person auf eine andere zugelassen“ sind.

Wie ist das zu verstehen, sowohl in Bezug auf die medizinische Forschung als auch in Bezug auf den Laien?

Sollte meine Anfrage – wider Erwarten – mit einer offiziösen Antwort des Chepepidemiologen gesegnet sein, werde ich Sie wie gewohnt informieren.

Bis dahin aber fasse ich die Standpunkte des Folkehelseinstituttets so zusammen, dass die nicht vor Übertragung schützende C-Impfung gemäß offizieller Aussage von Dr. Preben Aavitsland dennoch „dazu bei[träge], die Übertragung in der Gesellschaft zu begrenzen“.

Wir haben offenbar die Phase der „Pandemiebekäpfung“ durch Tautologien erreicht, die darauf folgende Phase des Surrealismus lässt gewiss nicht mehr lange auf sich warten.

Bild Olav Helland, Folkehelseinstituttet, CC BY-SA 4.0

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6 Kommentare

  1. rudifluegl 6. Dezember 2023 at 17:07Antworten

    Vielen Dank für die Nachrichten aus dem eigentlich sehr geschätztem Skandinavien.
    Zusammenarbeit mit „Selden Masts Gothenburg,Sweden“, bei denen die Manager von einer Frau die in der Produktionshalle Seile ablängte „geheired and gefired“ wurden.
    Bezüglich Impfen, TKP auf Respekt plus wie Herr Ehgartner, auch eine Neuigkeit!
    Erhältlich bei Thalia um 31.
    „Was Sie schon immer über das Impfen wissen wollten“ heißt das neueste Buch von Bert Ehgartner.“

    • rudifluegl 6. Dezember 2023 at 17:13Antworten

      gehired .. immer diese fettigen Brillen..

  2. andi pi 6. Dezember 2023 at 13:08Antworten

    „der vor einer “Mehrfachwelle diesen Winter” (Covid, Grippe, RSV) spricht“

    und täglich (bzw. in dem fall jährlich) grüßt das murmeltier…
    was österreich betrifft, kann ich mich noch gut daran erinnern, wie im herbst 2020 anschober für den folgenden winter eine covid/influenza-doppelwelle prognostiziert hat. in jenem winter gab’s allerdings nur covid, während die influenza völlig ausgeblieben ist. ein jahr später die gleichen warnungen, die sich wieder nicht bewahrheitet haben. voriges jahr gab es dann eine RSV-welle im september/oktober, eine schwerere grippewelle im november/dezember (beides zwar früher als sonst, aber beides nicht gleichzeitig) und corona hat bei den hospitalisierungen keine wesentliche rolle mehr gespielt. heuer geht das spiel dennoch von vorne los. wir haben derzeit allerdings eine welle an grippalen infekten, während die anderen atemwegsviren momentan eine eher untergeordnete rolle spielen. diese gleichzeitigkeit, vor der dauernd gewarnt wird, hat es also seit 2020 in keinem einzigen herbst/winter gegeben. das ist einfach nur mehr panikmache um der panikmache willen. zumindest in österreich anscheinend mit dem zweck, dass sich alle brav boostern lassen und die maske aufsetzen. zum glück macht bei beidem aber mittlerweile kaum mehr wer mit.

    • rudifluegl 6. Dezember 2023 at 17:25Antworten

      Wenn nur Corona gesucht wird, weil es gerade “ abenteuerlich“ auf einer Marketingwelle surft…

  3. Georg Uttenthaler 6. Dezember 2023 at 12:22Antworten

    Nein:….Niemand hat zu bestimmen, ob ich meine Bude verlasse, Abstand halte, Maske trage, Spritzen nehme und und und….!
    Und für den Klimagau das Gleiche: Niemand hat das Recht auf den Unsinn. Es gibt keine Situation, in der das gerechtfertigt wäre, sowas wie Ausgangssperre etc. machen nur Talibane und sonstige militärische Bösewichte. Kein Verhandlungsspielraum, keine Diskussionen: Grundrechte und die Verfassung sind unantastbar!

    Wir können aber heute schon die abstrakten Prognosen aus den siebzigern, achtzigern, neunzigern und sogar die gewagten aus den Anfängen der 2000er wiederlegen. Keine einzige dieser, z.T. Horrorszenarien aus dem Kaffeesud gelesen, ist auch nur ansatzweise eingetreten.

    Leider macht die Erfindung des Internets und die damit verbundene Möglichkeit der breiter gestreuten Meinungsbeschaffung keinen Unterschied in der Wahrnehmung der naiven Masse. Ich dachte wirklich, eine Verblödung und Instrumentalisierung der Massen wäre mit dem Medium Internet Vergangenheit.

    Wie man sich doch in der perfidie und kriminellen, gemeinschaftlichen Geschlossenheit der global agierenden Machteliten wie Black Rock, Vanguard usw. und der allgemeinen Dummheit des Weltbürgers doch täuschen kann…Hätte ich vor 3 Jahren noch nicht geglaubt…!

  4. Jan 6. Dezember 2023 at 10:20Antworten

    Die österreichische Regierung hat meiner Erinnerung nach sehr ähnlich auf eine Anfrage des VGHs reagiert. Das Thema ist daher äußerst relevant.

    Wenn nämlich aus einem >1% Eigenschutz keine epidemiologischen Effekte geschlossen werden können, die irgendeine relevante Höhe haben, dann war die Anfragebeantwortung gelogen – mit der Folge einer unverhältnismäßigen Grundrechtseinschränkung.

    Wenn das der Fall gewesen sein sollte, stellt sich nicht nur die Frage nach der persönlichen Strafbarkeit, sondern nach dem Verhältnis von Justiz und Regierung im Allgemeinen. Ich bin der Meinung, dass die Justiz durch Wahlen ein eigenes Mandat bekommen sollte. Damit könnte auch der aktuelle Vertrauensverlust in Institutionen wieder hergestellt werden.

    Und die Frage, wie wir mit Lügen in der nächsten Pandemie ungehen wollen, wäre auch berührt.

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