Teilerfolg für WikiLeaks-Gründer Julian Assange: Gericht lässt Berufung zu

26. März 2024von 4,9 Minuten Lesezeit

WikiLeaks-Gründer Julian Assange hat am Dienstag einen Sieg in seinem jahrelangen Rechtsstreit in Großbritannien errungen, um eine Auslieferung an die USA zu verhindern. An seinem derzeitigen Zustand hat sich nicht viel geändert, aber seine Verteidigung hat einen weiteren Tag vor Gericht erhalten.

Assange, 52, wird seit 2019 in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis festgehalten. Im Belmarsh-Gefängnis, das normalerweise für gefährliche Kriminelle reserviert ist, hat er Einzelhaft zu ertragen, während er auf ein Verfahren wegen eines Verstoßes gegen die Kaution wartet. Die USA haben ihn einen Monat nach seiner Verhaftung auf der Grundlage des Spionagegesetzes angeklagt, und die Anwälte Washingtons haben einen Auslieferungsantrag gestellt. Seine Unterstützer erklären, er werde von den USA und dem Vereinigten Königreich aus politischen Gründen verfolgt.

Im Jahr 2021 lehnte ein britischer Bezirksrichter den Auslieferungsantrag ab, da Assange in US-Gewahrsam Selbstmord begehen könnte, wies jedoch andere Argumente der Verteidigung zurück. Die Amerikaner legten gegen die Entscheidung Berufung ein und versicherten, dass der Verdächtige nicht falsch behandelt werden würde.

Die USA gewannen daraufhin den Fall, und im Juni 2022 genehmigte die damalige Innenministerin Priti Patel die Auslieferung von Assange in die USA. Nach mehreren Rückschlägen baten seine Anwälte im Februar den Obersten Gerichtshof um die Möglichkeit, die ursprüngliche Ablehnung des Großteils ihrer Klage anzufechten.

Die Richter Victoria Sharp und Jeremy Johnson ordneten heute an, dass die Auslieferung gestoppt wird, und gaben den USA drei Wochen Zeit, um zusätzliche Garantien für die Einhaltung der Rechte des Angeklagten zu geben.

Das Vereinigte Königreich verlangt insbesondere die Zusicherung, dass Assange nicht in Einzelhaft oder in Isolationshaft gehalten wird. Es besteht die Befürchtung, dass der australische Staatsbürger in einer so genannten „Communications Management Unit“ (CMU) in einem US-Bundesgefängnis untergebracht werden könnte, was Kritiker als Möglichkeit bezeichnen, Andersdenkende zum Schweigen zu bringen. WikiLeaks hat darauf hingewiesen, dass amerikanische Garantien nach Ansicht prominenter Rechtsgruppen „von Natur aus unzuverlässig“ sind.

Kommentar der GGI-Initiative, Grüner Verein für Grundrechte und Informationsfreiheit

Pressefreiheit in Gefahr

Dass es überhaupt so weit kam, ist ein veritabler rechtsstaatlicher Skandal. Fakt ist, Julian Assange als Betreiber der Plattform WikiLeaks gilt als Publizist. WikiLeaks ist ein Medium und daher genauso wie Assange von der Pressefreiheit geschützt. Es geht nicht darum, ob er ein guter oder ein schlechter Journalist ist, ob aktivistische Elemente vorhanden sind oder nicht, sondern nur, ob journalistische Tätigkeiten bzw. publizistische Tätigkeiten durchgeführt wurden.

Assange hat zahlreiche Geheimdokumente zugespielt bekommen, diese gesichtet, aufbereitet und richtigerweise als von großer öffentlicher Relevanz beurteilt. Daher hat er diese Dokumente veröffentlicht. Falls er hierbei – wie behauptet wird – nicht alle journalistischen Standards eingehalten hätte, bedeutet das nicht, dass er den Schutz durch die Pressefreiheit verlieren würde. Andernfalls würden wohl zahlreiche Journalisten diesbezüglich keinen Schutz genießen.

Ein gefährlicher Präzedenzfall

Assange soll in den USA nach dem Espionage Act angeklagt werden. Es handelt sich um ein altes Gesetz, das keine Ausnahme für journalistische Tätigkeiten vorsieht. Und genau hier liegt für die Auslieferung das Problem. Die Pressefreiheit ist in Europa durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützt. Daher dürfen Länder, die diese Konvention unterschrieben haben, nicht ausliefern, wenn absehbar ist, dass die darin enthaltenen Rechte verletzt werden.

Hinzu kommt, dass Assange nicht einmal US-amerikanischer Staatsbürger ist. Mit einer Auslieferung würde ein Präzedenzfall geschaffen. Im internationalen Recht muss gleiches Recht für alle gelten, auch wenn das in der Praxis oft nicht der Fall ist.

Doch könnten sich die westlichen Staaten hier nicht mehr auf die Pressefreiheit glaubwürdig berufen, um eine derartige Auslieferung zu untersagen.

Eine Auslieferung würde die sprichwörtliche Büchse Pandoras öffnen. Wichtig ist auch zu wissen, dass unabhängig von den Entscheidungen der Gerichte die Staaten bzw. die Regierungen als Exekutivorgane anders entscheiden können. Sie sind nicht an die gerichtlichen Urteile gebunden. Sowohl können die USA ohne Angabe von Gründen den Auslieferungsantrag zurückziehen, als auch Großbritannien kann die Auslieferung unbegründet verweigern.

Der Fall Assange – klare politische Verfolgung

Evident im Fall Assange ist auch, dass die Behörden sich nicht korrekt verhalten haben. Ohne Anklage wird Julian Assange nun seit 11 Jahren verfolgt. UN-Folterberichterstatter Nils Melzer hat zahlreiche rechtsstaatliche Verstöße festgestellt.

Im Westen ist wohl kaum ein Fall bekannt, der derart rechtswidrig gehandhabt wurde und offenkundig politische Verfolgung darstellt. Gleichzeitig müsste Assange in sämtlichen Staaten Europas Asyl erhalten können. Dass dies nicht der Fall ist, ist wohl dem großen Druck der USA geschuldet. Hier offenbart sich die Doppelmoral der westlichen Werte. Diese können nur entweder immer gelten oder gar nicht, man kann sich aber nicht in einem Fall darauf berufen und sie im anderen Fall unter den Tisch fallen lassen.

Im Fall Assange ist auch relevant, dass bis heute nicht nachgewiesen werden konnte, dass auch nur eine einzige Person durch die Veröffentlichungen gefährdet oder geschädigt wurde. Das war jedoch eines der Hauptargumente, welche die USA ins Treffen führten.

Fakt ist umgekehrt, dass Kriegsverbrechen mit zahlreichen Opfern durch die Veröffentlichungen aus Afghanistan an die Öffentlichkeit kamen. Bis heute wurde kein Verantwortlicher oder unmittelbarer Täter verurteilt. Genau das ist auch die fatale Botschaft, die damit ausgesendet wird. Aufdecker werden verfolgt, Kriegsverbrecher werden geschont. Wie sich das mit den westlichen Werten vereinbaren lassen soll, bleibt ein Rätsel.

Paola Breizh, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

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2 Kommentare

  1. Fritz Madersbacher 27. März 2024 at 19:33Antworten

    „Das Außergewöhnlichste an Julian Assange ist, dass er wie ein amerikanischer Staatsbürger behandelt wird. „Verrat“ war der ursprüngliche Aufschrei, der jetzt in „Spionage“ umgewandelt wurde. Es gab keine Spionage. Wikileaks hat durchgesickerte Informationen veröffentlicht und der New York Times, dem Guardian und anderen Medienorganisationen zur Verfügung gestellt. Die Medienorganisationen haben die Informationen veröffentlicht, genau wie Wikileaks, aber sie werden nicht angeklagt. Auch Wikileaks wird nicht angeklagt. Nur Julian Assange ist angeklagt …
    Das inszenierte, faktisch juristisch unkorrekte Verfahren gegen Assange beruht auf nichts anderem als auf Washingtons Rachegelüsten. Assange ist folgender Dinge schuldig: er hat durchgesickerte Informationen veröffentlicht, die eindeutig beweisen, dass die Regierung der Vereinigten Staaten ein Lügner, ein Täuscher ihrer Verbündeten und ein Kriegsverbrecher ist. Der Zweck des Verfahrens gegen Assange ist es, ihm das heimzuzahlen und alle Journalisten einzuschüchtern, damit sie nie wieder für die US-Regierung ungünstige Informationen veröffentlichen“
    (Paul Craig Roberts, „Das Erstaunlichste am Fall Assange“, „Antikrieg.com, 27/03/2024)

  2. Fritz Madersbacher 26. März 2024 at 16:52Antworten

    „Wie sich das mit den westlichen Werten vereinbaren lassen soll, bleibt ein Rätsel“, was eben ein Schlaglicht auf die „westlichen Werte“ wirft, die nicht für die praktische Umsetzung, sondern für das propagandistische Zudecken der entgegengesetzten Taten da sind. Die „globale Mehrheit“ weiß das aus langjähriger Erfahrung, die von westlicher Indoktrination Bearbeiteten beginnen es langsam zu begreifen. Eine „Pandemie“-Inszenierung und die neuesten Kriege haben Nachhilfe erteilt …

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