Macrons Mission heißt Odessa

21. März 2024von 5,1 Minuten Lesezeit

Macrons Ambitionen gelten Odessa und dem Ausbau des französischen „Einflussgebiets“ am „Ostbalkan“. Rumänien und Moldau sind das Sprungbrett.

Der Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes Naryschkin hat am Dienstag erklärt, dass Frankreich sich auf die Entsendung von 2.000 Soldaten in die Ukraine vorbereite – TKP hat berichtet. Schon im vergangenen Monat hatte Macron verkündet, eine konventionelle NATO-Intervention nicht auszuschließen. Diese Aussage fiel zeitlich mit der Erklärung von Frankreichs oberstem General zusammen, dass seine Streitkräfte bereit sind, überall dorthin zu gehen, wo sie gebraucht werden. Trotzdem erklärte man im Westen die Beschreibung von Naryschkin als „Desinformation“, weil also offensichtlich etwas Wahres dran ist.

NATO-Augen auf Odessa

Während sich in den alternativen Medien oft über Macrons Behauptung lustig gemacht wird, hat ein angesehener russischer Experte sie in einem Interview bestätigt. Alexander Michailow, Leiter des Büros für militärisch-politische Analysen in Russland, erklärte, dass „Macron zweifellos Zugang zu Personal und Ressourcen hat, um Truppen in die Ukraine zu schicken“. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass Frankreich dort auf konventionellem Wege intervenieren könnte.

Sollte dies der Fall sein, würde es entweder präventiv oder reaktiv und entweder einseitig oder als Teil einer „Koalition der Willigen“ eingreifen. Was die erste Option betrifft, so könnte Frankreich versuchen, dies unter dem Vorwand zu rechtfertigen, einen Vorsprung zu bekommen, bevor Russland einen Durchbruch über die Kontaktlinie (LOC) erzielt. Oder es könnte einfach warten, bis dieses „auslösende Ereignis“ – ein Zusammenbruch der ukrainischen Verteidigungslinie und ein zügiges Vorrücken Russlands – eintritt. Was die zweite Möglichkeit betrifft, so wird es dies entweder allein tun oder – was wahrscheinlicher ist – in Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich, Polen und den baltischen Staaten – und möglicherweise auch mit deutscher Beteiligung.

Unabhängig vom Vorwand und von der Beteiligung anderer Staaten wird Frankreich mit ziemlicher Sicherheit versuchen, die ukrainische Schwarzmeerküste zu sichern, wenn es auf konventionellem Wege eingreift. Odessa verteidigen würde die Mission lauten. Seit Anfang 2022 hat man mehrere hundert Soldaten in Rumänien stationiert. Ein erster Schritt wäre die Aufstockung der Ressourcen in Rumänien. Zudem unterzeichnete man Anfang des Monats einen Sicherheitspakt mit der Republik Moldau. Ein erster Schritt, um französische Truppen auch nach Moldau zu entsenden.

Frankreich hat bereits seit Anfang 2022 mehrere hundert Truppen in Rumänien stationiert, die vor diesem Schritt aufgestockt werden können, und hat Anfang dieses Monats einen Sicherheitspakt mit der Republik Moldau unterzeichnet, der möglicherweise dazu führen könnte, dass das Land ebenfalls Truppen aufnimmt. Der „Ostbalkan“, soll Frankreichs „Einflusssphäre“ bleiben und kann so zu einer französischen Abschussrampe für die Ukraine werden.

Rumänien und Moldawien grenzen an den ukrainischen Oblast Odessa, deren gleichnamige Hauptstadt sowohl strategisch als auch symbolisch wichtig ist. Sie ist der wichtigste Hafen der ehemaligen Sowjetrepublik, aber auch eine historisch russische Stadt. Ihre Sicherung vor der Kontrolle Moskaus durch die Entsendung von Truppen des NATO-Mitglieds Frankreich als so genannte „Abschreckung“ für den Fall, dass die Kontaktlinie zusammenbricht oder kurz vor dem Zusammenbruch steht, ist für den Westen daher doppelt wichtig.

Unterwasserdrohnen könnten in diesem Szenario weiterhin die russische Flotte bedrohen, während die Unterstützer Russlands entmutigt werden könnten, wenn sie erkennen, dass eine „Befreiung“ Odessas nahezu unmöglich ist, ohne den Dritten Weltkrieg auszulösen. Denn das wäre die Konsequenz, sollte Odessa durch Frankreich unter de facto NATO-Kontrolle gestellt werden. Auch, weil sich der Dnjepr in den letzten zwei Jahren bereits als gewaltiges Hindernis für die Streitkräfte beider Seiten erwiesen hat, ist es gut möglich, dass Frankreich seine Kontrollzone entlang der Schwarzmeerküste bis nach Cherson ausdehnt.

Das würde dann dazu führen, dass die russisch-ukrainische Frontlinie zu einer russisch-NATO Frontlinie wird, und sie könnte sich sogar nordwärts den Dnjepr hinauf bis zum Kernkraftwerk Saporoschje ausdehnen, aber die französischen Streitkräfte könnten zögern, den Fluss bis Saporoschje und darüber hinaus zu überqueren, um ihre militärische Logistik nicht zu überfordern. Da dieses Interventionsszenario mit einem möglichen russischen Durchbruch verbunden wäre, möchte Frankreich außerdem nicht riskieren, auf der Ostseite des Dnjepr mit Russland aneinander zu geraten.

So gefährlich diese Abfolge von Ereignissen aufgrund des sehr hohen Risikos, dass durch eine Fehlkalkulation der Dritte Weltkrieg ausgelöst werden könnte, auch sein mag, so besteht der Silberstreif am Horizont darin, dass sie die Positionen beider Seiten zumindest entlang der Südfront einfrieren und damit die teilweise Grundlage für einen Waffenstillstand schaffen könnte. Die ukrainischen Truppen könnten auch über den Dnjepr nach Westen fliehen, wenn Russland die Kontaktlinie durchbricht, und wüssten, dass ihre Gegner ihnen wahrscheinlich nicht folgen würden, weil sie befürchten, durch Zusammenstöße mit NATO-Truppen den Dritten Weltkrieg auszulösen.

Das könnte Russland in die Lage versetzen, die von Präsident Putin geplante „Sanitär-/Sicherheitszone“ durchzusetzen, von der er in seiner Wiederwahlrede sprach. Damit würden die Voraussetzungen für eine asymmetrische Aufteilung der Ukraine zwischen der NATO und Russland mit einer „Pufferzone“ im Nordosten der Ukraine geschaffen werden.

Die ukrainische Schwarzmeerküste könnte dann Frankreich „gehören“, aber nur, wenn Paris den politischen Willen hat, sie zu erobern, und die Bevölkerung sich nicht gegen die enormen Verluste auflehnt, die durch die Russen verursacht werden könnten (wahrscheinlich durch Raketenangriffe).

Bild President.gov.uaPresident of Ukraine Volodymyr Zelenskyy and President of France Emmanuel Macron meet in France, 16 April 2021CC BY 4.0

Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten spiegeln nicht unbedingt die Ansichten der fixen Autoren von TKP wieder. Rechte und inhaltliche Verantwortung liegen beim Autor.

Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer politischer Analyst, der sich auf den globalen systemischen Übergang zur Multipolarität spezialisiert hat. Er veröffentlicht auf Englisch auf seinem Substack-Blog. Auf Deutsch exklusiv bei TKP.


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15 Kommentare

  1. […] 21. März 2024 von Andrew Korybko […]

  2. Andreas I. 23. März 2024 at 19:48Antworten

    Hallo,
    und egal wie Macrons Pläne im Detail aussehen mögen, jetzt wird es noch dünner für den Westen und damit auch für Macron.
    Denn der Terroranschlag in Moskau lässt sich weder ignorieren noch schönreden – und damit lässt es sich auch nicht schönreden, das Regime in Kiew zu unterstützen.

    Zumal umgekehrt, wenn die Hamas Geiseln nimmt und dabei die IDF mit friendly fire die meisten Opfer verursacht, dann unterstützt der Westen USA/Israel ; also nach gleichen Maßstäben müsste der Westen jetzt Russland unterstützen – und da wird mal wieder offensichtlich, dass der Wertewesten eben nicht mit gleichem Maß misst, sondern einsamer Weltmeister in Doppelmoral ist.
    Naja und das fällt um so mehr auch auf Frankreich zurück, je mehr Frankreich die ROW in Kiew unterstützt (Regierung Ohne Wahlen ;)

  3. Jurgen 22. März 2024 at 23:20Antworten

    Macron ist ein Möchtegern und wird scheitern… halten sich alle für Napoleon diese Franzosen… aber auch Napoleon ist letztlich nur gescheitert…

  4. richard kurz 22. März 2024 at 13:21Antworten

    Die ukrainischen Truppen könnten auch über den Dnjepr nach Westen fliehen, wenn Russland die Kontaktlinie durchbricht, und wüssten, dass ihre Gegner ihnen wahrscheinlich nicht folgen würden, weil sie befürchten, durch Zusammenstöße mit NATO-Truppen den Dritten Weltkrieg auszulösen.
    .
    Warum muß ein Zusammenstoß mit Natotruppen befürchtet werden?
    Die NATO ist ja nicht in der Ukraine.

  5. Hasdrubal 22. März 2024 at 11:07Antworten

    @„Denn das wäre die Konsequenz, sollte Odessa durch Frankreich unter de facto NATO-Kontrolle gestellt werden.“

    Der Vorsitzende der russischen Duma, sein Vize und zahlreiche andere Politiker haben heilig versprochen, dass jeder Franzose am Dnepr im Sarg zurückkehrt. Wenn es mit 1,5 Tsd. der bisher 3 Tsd. polnischer Söldner klappte (einige sind rechtzeitig geflohen), wieso sollte es mit Franzosen anders laufen? Weil die sich als einstige Herren von halb Afrika für Halbgötter (deutsches Wort: „Übermenschen“) halten?

    Russische Drohnen und Raketen erreichen Odessa ohne Probleme.

    • Andreas I. 22. März 2024 at 20:36Antworten

      Hallo,
      und ich habe erst jetzt mitgekriegt, was es mit den „alten Freifallbomben mit angeflanschten Flügeln“ auf sich hat.
      Ich finde folgendes interessant, 2015 zum Beginn des Einsatzes in Syrien hatte Russland nicht genügend kleine Bomben für die dortigen Bedingungen (Aussage eines russ. Militärs damals) und keine Angriffsdrohnen. Bekanntlich nutzte Russland dann Syrien auch nebenbei als Testgelände … dann hatte Russland jetzt im Donbass genügend kleine Angriffsdrohnen, aber dort gegen die schwer befestigten Stellungen brauchte es wiederum große Bomben.
      Naja und große Bomben waren technisches Erbe aus Sowjetzeiten; Flügel und Steuerung dran flanschen, fertig ist die Gleitbombe – und vergleichsweise billig, was entscheidend ist.

  6. Stefan Boehnke 22. März 2024 at 8:25Antworten

    Oder meint er ODESSA ? (=Organisation Der Ehemaligen SS Angehörigen) Barby in Bolivien, die Tötung Che Guevaras, der jüngste Putsch . . .

    Außerdem sollte man wissen, daß die NATO mit Kiev gerade die russische Schwarzmeerflotte abräumt und zwar mit den ferngelenkten Schnellbooten voll Sprengstoff. Die Nordostküste des schwarzen Meeres ist also frei für Waffen Im- und Exporte. Die gute Nachricht ist, daß die Ära der Kanonenbootpolitik, mit der Prinz Heinrich den europäischen Kolonialismus begann, damit als beendet betrachtet werden kann !

  7. Andreas I. 21. März 2024 at 20:47Antworten

    Hallo,
    was an Korybkos „Analysen“ dran sein soll, dass man sie unbedingt weiterverbreiten müsste, erschließt sich mir von Mal zu Mal weniger.

  8. Gundel 21. März 2024 at 18:26Antworten

    Ja, Odessa – es geht um die Handelswege und -Beziehungen rund ums Schwarze Meer. Die Oststaaten sind nicht wirklich von der woken suizidalen EU angetan. Bietet sich eine bessere Gelegenheit mit Russland an, floriert der Osten und tritt aus der EU aus. Eine Achse Rumänien, Ungarn bis nach Serbien entstünde. Sie könnten auch mit günstigem Gas und Erdöl versorgt werden, wodurch sie bald ein begehrter Industriestandort würden. Das möchte Macron, bzw. seine Strippenzieher, verhindern. Um die Ukraine geht es ihm gewiss nicht. Es geht nur um Macht und Geld.

    Übrigens hat die Ukraine neue Staatsbürgerschaftbestimmungen beschlossen. Im Ruckzuck-Verfahren kriegt man dort jetzt einen Pass. Dann könnten ja zB willige westliche Söldner sofort als „Ukrainer“ an die Front gehen und so kommt Russland nie nicht dahinter, dass dort längst NATOsoldaten gegen sie kämpfen… oder wissen die das etwa eh schon? ;-)

    Exxpress: „Neues Gesetz: Jeder Österreicher kann jetzt auch Ukrainer werden“

    • Ulrich5411 22. März 2024 at 0:08Antworten

      die Sprache verrät sie bereits jetzt. Ca 12.000 Söldner aus verschiedenen Ländern kämpfen in der Ukr, und ca 5000 sind gefallen. Es gibt Ukr. Videos in denen man Briten aber auch andere Sprachen hören kann. Der berüchtigte Oberst aus Österreich hat doch ganz keck vor der Kamera gesagt: Ich ziehe diese Uniform aus und die andere an.
      Viele Mrd an Ukr Hilfen gehen für die Bezahlung auch der Söldner drauf.

      Mit der kürzlichen Zerstörung von 2 Patriot Systemen kam auch die sehr wahrscheinlich amerikanische Bedienmannschaft ums Leben.

      Das sind alles „offene“ Geheimnisse und den WerteWestlichen Führern sind diese Details alle bekannt. Ein Scholz bekommt das jeden morgen auf den Kaffeetisch als Briefing.

  9. 1150 21. März 2024 at 16:07Antworten

    diesmal wird borodino ausgelassen und den franzosen mit ihrer entourage gleich ein zweites beresina
    bereitet

  10. Hasdrubal 21. März 2024 at 16:03Antworten

    … wenn sie erkennen, dass eine „Befreiung“ Odessas nahezu unmöglich ist, ohne den Dritten Weltkrieg auszulösen. Denn das wäre die Konsequenz, sollte Odessa durch Frankreich unter de facto NATO-Kontrolle gestellt werden.

    In diesem Fall wird Russland weiterhin französische Söldner bombardieren und die Russen versprechen, es bevorzugt und intensiv zu tun. Das Ziel ist, dass jeder im Sarg zurückkehrt – es gilt übrigens für sämtliche westliche Soldaten.

    Dnepr mag ein Hindernis für Bodentruppen sein, aber nicht für Drohnen und Raketen – Ziele in Odessa und Nikolajew werden sehr oft angegriffen.

    Polen (von dem spinnenden Sikorski abgesehen) hat übrigens Bodentruppen-Entsendung ausgeschlossen – hängt es damit zusammen, dass von den bisher etwa 3000 polnischen Söldnern 1,5 Tsd. gefallen sind? Gefallene Franzosen gab es bisher etwa 100, doch bei 1000 oder mehreren Tausenden könnte Ernüchterung kommen. Schon jetzt sind laut einer Umfrage 68% der Franzosen gegen Bodentruppen-Exporte.

  11. Fritz Madersbacher 21. März 2024 at 15:36Antworten

    „On Tuesday, the head of Russia’s Foreign Intelligence Service (SVR), Sergey Naryshkin, said he had information that France was considering sending 2,000 troops to Ukraine. “According to information coming to the Russian SVR, a contingent to be sent to Ukraine is already being prepared. Initially, it will include around 2,000 troops,” he said. “It will thus become a legitimate priority target for attacks by the Russian armed forces” („Antiwar.com“, March 20, 2024)
    „The French army is preparing for the toughest engagements,” Gen. Pierre Schill, chief of the French Army Staff, wrote in Le Monde“ („Antiwar.com“, ebd.)
    „Toughest engagements“, als „a legitimate priority target“, kein Wunder, dass massenweise französische (Berufs-)Soldaten ihren Dienst quittieren, bevor sie für größenwahnsinnige Befehlshaber in ein ähnliches Schicksal laufen wie ihre ukrainischen Schicksalsgenossen. Und die dreckige westliche, vor allem auch deutsche Kriegsjournaille hetzt unentwegt weiter …

  12. OMS 21. März 2024 at 15:35Antworten

    Die NATO bestreitet bis dato die Beteiligung am Krieg gegen Russland. Obwohl Waffenlieferung über Waffenlieferung folgt, Aufklärungsdaten für Drohnen und Raketen geliefert werden, Militärpersonal zur Ausbildung und Planung sich in der Ukraine befinden und alles, aber auch wirklich alles bis zur Selbstschädigung durch Wirtschaftssanktionen unternommen wird um die Ukro-Nazis zum Sieg zu führen. Frei nach dem Motto Churchills „Wir haben das falsche Schwein geschlachtet.“ Und der Gott aus Frankreich will noch Soldaten entsenden! Blöder geht es eigentlich ja nicht mehr.

  13. rudi fluegl 21. März 2024 at 15:21Antworten

    Macroleons Unternehmen Barbarossa!
    In den Heilanstalten reicht doch die Belegung vom lieben Gott bis zu Napoleon?
    Es war schon richtig, dass Franco Basaglia in Italien die Irrenhäuser wegen der weitestgehenden Harmlosigkeit der Insassen auflösen lies!
    Allerdings wurde nicht an die gedacht, die im Freien herumlaufen dürfen!

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