Baltikum baut neuen Eisernen Vorhang

22. Januar 2024von 5,4 Minuten Lesezeit

Im Baltikum wird eine „Verteidigungslinie“, ein Eiserner Vorhang,  gebaut. Genannt wird er „baltische Verteidigungslinie“. Der Bau wird nur wenige Tage vor der großen NATO-Übung verkündet. Deutschland steht fest dahinter.

Beobachter sollten dem bevorstehenden Bau physischer Infrastrukturen entlang der NATO-Russland-Grenze wie der „Baltischen Verteidigungslinie“, dem Verhältnis zwischen dem „Steadfast Defender 2024“ und dem „militärischen Schengen“ große Aufmerksamkeit schenken. Darin geht es auch um die von den USA unterstützten Rolle Deutschlands bei der Eindämmung Russlands.

Deutschlands Führung

Die Verteidigungsminister der baltischen Staaten einigten sich Ende letzter Woche auf den Bau der sogenannten „Baltischen Verteidigungslinie“ entlang ihrer Grenzen zu Russland und Weißrussland. Sie stellen dies als reine Verteidigungsmaßnahme dar, um ihre Bevölkerung zu beruhigen, aber in Wirklichkeit soll damit der von Deutschland geleitete „Militärische Schengen“-Plan beschleunigt werden. Dieser Plan soll die Bewegung von Ausrüstung und Truppen in Europa optimieren und kann auch jede Aggression gegen Russland erleichtern.

Weiter ist das „militärische Schengen“ auch ein deutliches Signal Deutschlands an Polen, dass man weiterhin die Hegemonie – auch die militärische – in Mittel- und Osteuropa beansprucht. TKP hat berichtet: „Deutsche Panzer in Litauen und das militärische Schengen“.

Hier sind weitere Hintergrundberichte auf Englisch:

Die zusammengefasste Abfolge der Ereignisse:

  1. Der deutsche NATO-Logistikchef Alexander Sollfrank legte den Vorschlag zum „militärischen Schengen“ im November vor
  2. Deutschland unterzeichnete im Dezember ein lang erwartetes Abkommen über Panzerbrigaden mit Litauen
  3. Polen lud die deutschen Truppen im Januar zur Durchreise und zur Stationierung im Lande ein
  4. Bild berichtet über ein geheimes Szenario des deutschen Verteidigungsministeriums, das einen Krieg mit Russland vorhersagt
  5. Die von Lettland geplante Abschiebung einiger Russen könnte die baltische Front der oben genannten Prognose auslösen

In diesem Zusammenhang wird die „Baltische Verteidigungslinie“ angekündigt. Und zwar nur wenige Tage vor dem Beginn der größten NATO-Militärübungen seit dem Ende des Kalten Krieges – TKP hat berichtet. An „Steadfast Defender 2024“ werden rund 90.000 Soldaten und über 1.000 Kampffahrzeuge sowie fast 100 Luft- und etwa halb so viele Seestreitkräfte beteiligt sein, die in den nächsten eineinhalb Jahren bis Ende Mai Übungen auf dem gesamten Kontinent durchführen werden. Das beispiellose Ausmaß und der Umfang stehen eindeutig im Zusammenhang mit den jüngsten Ereignissen.

Der Ukraine-Konflikt begann sich Ende letzten Jahres nach dem Scheitern der Kiewer Gegenoffensive zu entspannen, was die ehemalige Sowjetrepublik veranlasste, sich auf eine mögliche Gegenoffensive Russlands im Laufe dieses Jahres vorzubereiten. Parallel dazu begann Deutschland mit dem Wiederaufbau der „Festung Europa“, wie er in Sollfranks „militärischem Schengen“-Vorschlag vorgesehen ist. Dieser würde es den Streitkräften seines Landes ermöglichen, sich nach Abschluss ihrer Pläne zum Aufbau des größten europäischen Militärs frei auf dem Kontinent zu bewegen.

Die USA unterstützen diese Bemühungen in vollem Umfang, da sie wollen, dass Deutschland ihr wichtigster „Lead From Behind“-Partner bei der Eindämmung Russlands in Europa wird, um ihre eigenen Streitkräfte für eine Verlegung nach Asien freizusetzen, wo sie sich gleichzeitig auf die Eindämmung Chinas konzentrieren sollen. Das Manifest von Bundeskanzler Olaf Scholz für die Zeitschrift Foreign Affairs Ende Dezember 2022 („The Globale Zeitenwende“) bestätigte Deutschlands hegemoniale Ambitionen und sein stillschweigendes Einverständnis mit der oben genannten Rolle, womit eine lang anhaltende Rivalität zwischen Russland und Deutschland vorprogrammiert ist.

Baltischer Vorhang

Die Funktion der „Baltischen Verteidigungslinie“ in diesem militärisch-strategischen Kontext besteht darin, als neuer „Eiserner Vorhang“ im Neuen Kalten Krieg zu dienen, von dem aus sich die deutsch geführte EU auf unbestimmte Zeit gegen Russland stellen wird. Details zur „baltischen Verteidigungslinie“ gibt es keine. Medienberichte sprechen von „einem System aus Bunkern und Versorgungslinien„. Minen und Betonklötze zur Panzerabwehr sollen – angeblich – „in Friedenszeiten“ nicht installiert werden. Frage natürlich, ob sich die EUNATO selbst noch im Frieden sieht. Angeblich soll auch erst 2025 mit dem Bau begonnen werden. Angeblich. Berlin wird die „Steadfast Defender 2024“-Übungen vorhersehbar nutzen, um die Umsetzung des „militärischen Schengen“ zu üben, indem es Truppen und Ausrüstung von Deutschland zu seinem litauischen Stützpunkt verlegt, der strategisch an Weißrussland und Kaliningrad grenzt, und zwar bis hinauf nach Estland, nachdem Polen die Transitrechte genehmigt hat.

Ein Drittel des Jahres, in dem diese Übungen stattfinden werden, dürfte mehr als genug Zeit für die Optimierung des deutschen „baltischen Korridors“ bieten. Das „militärische Schengen“ könnte in dieser Zeit sogar durchgesetzt werden, wenn Russland ein Durchbruch über die Kontaktlinie [in der Ukraine, Anm,] gelingt und/oder eine NATO-Russland-Krise ausbricht, weil Lettland – und später vielleicht auch Estland (geplant?) – einige Russen abschieben wollen. Beide Szenarien würden diesem Vorschlag eine erhöhte Dringlichkeit verleihen.

Wenn Finnland die Spannungen mit Russland aus Solidarität mit seiner estnischen Verwandtschaft verschärft, sollte Tallinn Rigas Pläne zur Abschiebung einiger Russen wiederholen, dann könnten Finnland und das aufstrebende NATO-Mitglied Schweden mit Deutschland zusammenarbeiten, um einen ergänzenden „baltischen Korridor“ über den dänischen Partner zu schaffen. Die teilweise Umzäunung und der Bau so genannter „temporärer Barrieren“ entlang der finnisch-russischen Grenze könnten leicht zu dauerhaften Einrichtungen entlang der gesamten Grenze werden, um die „baltische Verteidigungslinie“ bis zur Arktis zu verlängern.

In diesem Fall könnte Deutschland auf beiden Seiten der Ostsee zwei Achsen für die schnelle Verlegung von Truppen und Ausrüstung bis an die Grenzen Russlands einrichten, was die „Festung Europa“ durch die Schaffung eines „Baltischen Rings“ erheblich stärken würde. Beobachter sollten daher den bevorstehenden Bau von physischen „Verteidigungslinien“ entlang der NATO-Russland-Grenze, die Beziehung zwischen dem „Steadfast Defender 2024“ und dem „militärischen Schengen“ sowie die neue, von den USA unterstützte Rolle Deutschlands bei der Eindämmung Russlands sehr aufmerksam verfolgen.

Bild „Eiserner Vorhang“ by Thorsten Hansen is licensed under CC BY-ND 2.0.

Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten spiegeln nicht unbedingt die Ansichten der fixen Autoren von TKP wieder. Rechte und inhaltliche Verantwortung liegen beim Autor.

Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer politischer Analyst, der sich auf den globalen systemischen Übergang zur Multipolarität spezialisiert hat. Er veröffentlicht auf Englisch auf seinem Substack-Blog. Auf Deutsch exklusiv bei TKP.


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8 Kommentare

  1. Andreas I. 23. Januar 2024 at 13:46Antworten

    Hallo
    natürlich sind das alles Teile einer Strategie, aber rein militärtechnisch wäre erklärungsbedürftig, welcher direkte Zusammenhang zwischen der Grenze und der Logistik weitab der Grenze bestehen sollte.

    Ob Deutschland dabei irgendwelche Ambitionen hat, bezweifle ich. Denn es gibt sicherlich einige Profiteure, aber insgesamt schießt sich Deutschland volkswirtschaftlich selber ins Knie.
    USA hat Ambitionen, BRD ist ein Werkzeug und Verschleiß von Werkzeugen ist einkalkuliert.

    Und die Formulierung “Lead From Behind-Partner“ lädt zu mehreren Interpretationsmöglichkeiten ein.
    Was die Wirtschaftskraft in BIP angeht, ist Deutschland ja nun zurückgefallen, hinter Russland. Also „from behind“ stimmt durchaus.
    Volkstümlichere Assoziationen mit „von hinten“ mal außen vor gelassen; ist ja ein seriöser Blog hier.

  2. niklant 23. Januar 2024 at 7:33Antworten

    Wir planen keinen Mauerbau hieß es einst! Jetzt ist es die nächste Runde in der man keinen Krieg plant, aber ihn vorbereitet. Einer der Gründe, warum Scholz nicht zurück treten kann, er würde die Nato-Absichtren zum 3. Weltkrieg vielleicht zerstören. Also muss der Krieg her, bevor Trump gewählt wird!

  3. Kamil 22. Januar 2024 at 21:07Antworten

    Wird der Herr heute nicht Oden an Fico schreiben? Im November 2023 unterzeichnete Fico die sogenannte Einkreisung Russlands!!!!

  4. suedtiroler 22. Januar 2024 at 20:18Antworten

    Siegfried Wall hatten wir schon, Ostwall ist auch etwas vorbelastet…. wie wärs mit Olaf-Wall?
    so stark wie Teutschlands Kanzler!

  5. wr 22. Januar 2024 at 18:47Antworten

    Ja, die deutschen Angestellten der USA/NATO machen halt so Vorschläge, die ganz bestimmt nur auf ihrem Mist gewachsen sind. Der deutsche Arschkriecher kann es halt sehr tief … .

  6. Martin 22. Januar 2024 at 17:59Antworten

    Spoileralarm – Nachrichtenüberschrift aus 2045:
    Die Europäer aus den ehem. Nato-Staaten haben in weiser Voraussicht einen Grenzzaun errichtet um die Armutsmigration aus dem verarmten Westeuropa Richtung der ressourcenstarken prosperierenden russische Föderation zu verhindern.

  7. Hasdrubal 22. Januar 2024 at 17:44Antworten

    @„Parallel dazu begann Deutschland mit dem Wiederaufbau der “Festung Europa”, wie er in Sollfranks “militärischem Schengen”-Vorschlag vorgesehen ist. Dieser würde es den Streitkräften seines Landes ermöglichen, sich nach Abschluss ihrer Pläne zum Aufbau des größten europäischen Militärs frei auf dem Kontinent zu bewegen.“

    Nazi-Aufmärsche „gegen Rechts“ sind eine Sache, aber ob die Michelnden:innen bereit sind, sich für die USA und Globales Klimagedöns an russische Panzer zu kleben?

    Im Westen werden die Infos stark gefiltert weitergegeben – so hört man bestimmt nicht, dass die Ukro-Nazis am Sonntag früh mit westlichen 155mm-Geschossen einen Markt in Donezk beschossen haben. Bisher zählte man 28 Tote und zahlreiche Verletzte, darunter mit abgerissenen Gliedmaßen.

    Die beste Verteidigung vor Russland wäre, daheim lebende Russen anständig zu behandeln, wo gerade die baltischen Gau-Staaten mächtig sündigen. Erst kürzlich wurden einige Fälle der Rentner-Deportation bekannt – Russen, die jahrzehntelang im Baltikum gelebt haben. Irgendwie marschiert keiner in Buntschland dagegen.
    Die Diskriminierung der um 40% zählenden russischen Minderheit wurde früher öfter der „EU“ gemeldet, die es jedoch nicht kümmert, wenn es um Russen geht.

    • Andreas I. 23. Januar 2024 at 14:12Antworten

      Hallo,
      und gegen Masseneinwanderung zu sein (was ich bei zahlenmäßig so kleinen Völkern wie den baltischen ja noch eher verstehen könnte als bei 80 Mio. Deutschen),, aber gleichzeitig in einem Militärbündnis unter Führung der USA zu sein, welches Flüchtlingswellen auslöst …

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