Kriegstreiberei und Sprache

19. Mai 2022von 2,5 Minuten Lesezeit

Über welche Merkmale läuft Kriegspropaganda? Wie erklärt man uns medial den Krieg und welche Rolle hat in all diesem Geschrei die Sprache? Oder: Wie verrückt ist Putin?

„Putins Krieg“, „Putins Opfer“, „Was wir über Putin wissen“, „Ist Russlands Präsident Wladimir Putin wahnsinnig?“, „Machen Steroide den Kreml-Chef aggressiv?“, „Wie verrückt ist Wladimir Putin?“ … Dies ist nur eine kleine Auswahl aus einem Meer von stets nach demselben Muster gestrickten Phrasen, die seit Ende Februar tagtäglich auf uns eintrommeln und unsere geistige Erlahmung bewirken sollen.

Denn das effektivste Mittel der Propagandasprache ist die simple Wiederholung. Wie am Fließband müssen die immer gleichen Phrasen und Floskeln repetiert werden, um das kritische Denken zu betäuben. Je öfter uns etwas gesagt wird und je häufiger wir es von verschiedenen Seiten zu hören bekommen, desto eher sind wir geneigt, es für wahr zu halten.

Umso wichtiger für die Propaganda ist es, Widerspruch aus dem Diskurs so weit wie möglich zu eliminieren. Und findet einmal eine abweichende Meinung ihren Durchweg, muss sofort auch sie zum Feind gemacht werden. „Putins Pazifisten“ lautete darum nicht zufällig ein kürzlich veröffentlichter Kommentar. Denn wenn es einmal gelungen ist, Putin sprachlich als ein hitlergleiches Monster zu etablieren, dann braucht man jeden beliebigen anderen Gegner nur mehr mit ihm zu assoziieren, um ihn zu diskreditieren.

Die Frage ist nicht einfach bloß, ob das stimmt, was die Propaganda sagt. Die Frage ist, was ihre Art und Weise, von den Dingen zu reden, zu denken verhindert. Die übergroße Konzentration auf die Person Putins etwa sorgt dafür, dass ein komplexer geopolitischer Konflikt globalen Ausmaßes auf eine einzige Person reduziert und die Ursache dafür nur mehr in ihrer angeblich psychopathologischen Veranlagung gesucht wird. Die ganze komplexe Vorgeschichte: kein Thema mehr. Die Provokationen des Westens: kein Thema mehr. Eine friedliche Lösung: auch kein Thema mehr. Denn mit dem schlechthin Bösen und Wahnsinnigen lässt sich nicht verhandeln.

Faktisch handelt es sich um eine Ausschaltung jedes politischen Diskurses im eigentlichen Sinn. Geht es doch schon längst nur mehr darum, ob bestimmte Personen in den Augen westlicher Alphajournalisten gut oder böse sind. Die Leitmedien haben es geschafft, ein Micky-Maus-Weltbild zu installieren. Putin kommt darin die Rolle des Kater Karlo zu oder die Blofelds. Und das soll die Erklärung des Krieges sein. Die völlige Infantilisierung des öffentlichen Diskurses scheint abgeschlossen. Vielleicht ist das aber die notwendige Voraussetzung für einen großen Krieg.

Bild wikimedia

Ortwin Rosner, geboren 1967 in Wien, Studium der Germanistik und Philosophie, hat seine Diplomarbeit mit dem Titel  „Körper und Diskurs. Zur Thematisierung des Unbewußten in der Literatur anhand von E. T. A. Hoffmanns Der Sandmann“ 2006 bei Peter Lang veröffentlicht und war Gelegenheitsblogger auf standard.at. Der Text erschien zuerst bei keinzustand.at


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9 Kommentare

  1. steffl62 21. Mai 2022 at 12:39Antworten

    ……… frei nach Henry Kissinger, „es geht nicht darum was wahr ist sondern darum was als wahr wahrgenommen wird“ !

  2. Pfeiffer C. 21. Mai 2022 at 9:45Antworten

    Im dahingehenden Artikel „An ihren Worten sollt Ihr sie erkennen“ von Jens Berger in den NachDenkseiten steht ergänzend:

    „Wenn von einem Angriffskrieg die Rede ist, dann ist dieser Begriff so gut wie immer mit dem Attribut „völkerrechtswidrig“ oder „verbrecherisch“ versehen.

    Die stetige Nutzung dieser Doppelung beim russischen Angriffskrieg – pardon, ich meine, „Putins verbrecherischem, völkerrechtswidrigem Angriffskrieg“ – gegen die Ukraine ist jedoch sicher kein Zufall. Denn bei den Zuschauern oder Lesern setzt sich so der Trugschluss fest, dass es, …. im konkreten Kontext immer von „völkerrechtswidrigen Angriffskriegen“ sprechen, im Umkehrschluss ja sicher auch Angriffskriege geben muss, die nicht völkerrechtswidrig sind. Auch wenn das schlichtweg falsch ist, werden unsere Haltungsjournalisten das sicher in der Tat so sehen und im Rahmen ihrer Meinungsmache transportieren wollen.

    Oder haben Sie in der Vergangenheit in der Tagesschau jemals den Begriff „völkerrechtswidriger Angriffskrieg“ im Kontext mit den US-Kriegen in Afghanistan, Irak, Libyen oder Syrien gehört? Oder war gar der NATO-Krieg gegen Serbien ein „Angriffskrieg“ und dann auch noch „völkerrechtswidrig“ oder gar „verbrecherisch“? Quod licet Iovi, non licet bovi. Was Bush oder Obama gestattet ist, ist Putin noch lange nicht gestattet.

    Die Angriffskriege des Westens sind schließlich nicht „verbrecherisch“, sondern „humanitär“. Der Westen will Brunnen bauen, Frauen befreien und ein zweites Auschwitz verhindern. Das weiß doch jedes Kind … dank unserer Haltungsjournalisten“.

    Bei dieser Gelegenheit – Haltungsjournalismus – der rosa (Selbstbezeichnung Qualitätsblatt) S-t-ü-r-m-a-r-d betont ihn, den Haltungsjournalismus, ja sogar in seiner Werbung!

    Einst ab Nr.1 Standardleser (einst Spiegelabonnent, einst Frankfurter Rundschauleser, einst tazleser) – alle nur mehr Schundblattgosse, hier eine kurze musikalische Standard-Reminiszenz auf Basis von Fendrichs „Zweierbeziehung“:

    Waun hot dich nua des Hirn valossn
    Du dümpelst in der Schundblattgossn
    Dabei warst du doch immer ois für mi
    I kann ma’s wanen net verbeißen
    Wos warst du für a haßes Eisen
    Und überblieb’n is nur a Havarie…

  3. Andreas I. 19. Mai 2022 at 22:01Antworten

    Hallo,
    „Denn das effektivste Mittel der Propagandasprache ist die simple Wiederholung.“

    Oder auch nicht, denn eine Minderheit der Menschen meidet solche Wiederholer – sich ständig den selben Schwachsinn anzutun bringt nichts, also macht man besser was anderes, z.B. nach Informationen suchen.

  4. Leontinger 19. Mai 2022 at 18:04Antworten

    Herr Ortwin Rosner,
    vielen Dank für Ihre immerwieder sehr gescheiten Analysen! Gerne erinnere ich mich an Ihre Streitgespräche mit Florian Aigner, dem Verleiher des goldenen Bretts für Prof. Bhakdi!
    Ich freue mich auf weitere Beiträge von Ihnen.
    MFG Ihr Leontinger.

  5. Fritz Madersbacher 19. Mai 2022 at 16:59Antworten

    „Die völlige Infantilisierung des öffentlichen Diskurses“ kennzeichnet sowohl den Pandemie-Schwindel wie die Ukraine-Propaganda, hat aber eine jahrzehntelange Vorgeschichte, gekennzeichnet durch Oberflächlichkeit und Doppelmoral mit dem Ergebnis (und der Zielsetzung) Indoktrination. Das Ergebnis ist eine in Nöte geratene Gesellschaft bei hohem Wellengang …
    „Das Groteske ist, dass sich diese Gesellschaft „wissenschaftlich“ und aufgeklärt nennt“ (@Vietato Fumare 19. Mai 2022 at 9:31 im Beitrag „Mögliche Impfschäden häufen sich – wenn man hinschaut“ von heute in diesem Blog)

  6. Taktgefühl 19. Mai 2022 at 14:08Antworten

    Im Grunde ist mir das ganz recht, daß Putin der böse Diktator ist.

    Die Sache ist viel einfacher. Der Kreml wird seine Pläne natürlich nicht offenlegen, das wäre ja auch ziemlich dämlich. Und ich werde keine Bestätigung ablegen. Man sollte aufpassen, daß man nicht auf die russische Propaganda hereinfällt. Sonst wird man zum Putinversteher und blickt genauso wenig.

    Im Westen muß alles in der Zeitung gestanden haben und von Maybritt Illner zu Brei getreten worden sein, sonst findet das nicht statt. Der Westen fällt auf sich selber rein, der hält seine öffentliche Meinung mittlerweile für unveröffentlichtes Geheimwissen. Das erkennt man sehr leicht daran, daß er den Krieg nach allen Regeln der Kunst verlängert.

    Auch diese Narrative, Cäsarenwahn, Stalinismus, Hitlerismus, Putinversteher – der Westen wird von kompletten Idioten regiert.

    Damit hat der Kreml gerechnet. Aber nicht, daß sie über die Folgen ihres Handelns nicht nachgedacht haben.

    Russland führt einen Abnutzungskrieg gegen den Westen. Der Plan ist so angelegt, daß Russland mit wenig Einsatz den Westen zu sehr vielen wirtschaftlichen Umstellungen und Unbequemlichkeiten zwingt. Putin foltert den neuralgischen Punkt, die Arroganz des Westens. Der reagiert in der Zeit wirtschaftlichen Niedergangs und Machtverlustes mit Milliardenpaketen, weil er nicht zugeben will, daß er die Ursachen für den Krieg gelegt hat. Die Teuerungswellen sind nur die ersten Ausläufer eines schweren Unwetters.

    Der Westen kämpft um etwas, das er möglicherweise sogar zurück bekommt, wenn er sich genug verausgabt hat; aber dann wird er feststellen, daß das, worum er gekämpft hat, eine Ruine ist, seine Macht verloren ist und seine Wirtschaft havariert.

    Die Waffentechnik ist so weit fortgeschritten, daß alle Seiten in der Lage sind, jeden Ort der Erde zu erreichen und uns alles um die Ohren fliegen zu lassen.

    Der Kreml provoziert den Westen und der muß sich entscheiden, gemeinsamer Untergang oder nachgeben. Verloren hat der Westen in jedem Fall.

    Russland jedenfalls hat gar keinen Grund, nachzugeben. Denn was dann käme, wäre sein Untergang. Da ist die Entscheidung nicht schwer: Dann eben gemeinsam.
    Die Entscheidung liegt beim Westen.

    Ich vertrete mittlerweile den Standpunkt, es ist das beste, wenn es Bomben regnet. Aldous Huxley meinte, die Erde sei wahrscheinlich die Hölle eines anderen Planeten. Dagegen wetten würde ich nicht.
    Ich bin es jedenfalls leid, mich von Idioten regieren zu lassen.

  7. Jo Ne 19. Mai 2022 at 13:28Antworten

    „Eine friedliche Lösung: auch kein Thema mehr“
    Und, wurde in diese Richtung von „unseren“ Politiker am Problembeginn irgend ein Vorstoß gemacht?
    Ein Zurück gibt es deren Meinung nach nicht mehr.
    Als ein „alter weiser Mann“ fühle ich mich von all den „Sonntagsredenhaltern“ der Parteien in Europa schlicht betrogen! Nun wird die Fackel der kriegerischen Auseinandersetzung (wirtschaftlich oder verbal) nach Europa getragen.
    Dies werde ich den Propagandisten nicht mehr verzeihen können!
    Auf unserem Raumschiff „Erde“ haben anscheinen nicht alle aus den kriegerischen Auseinandersetzungen in der Geschichte der Menschheit gelernt.

  8. Slobodan Covjek 19. Mai 2022 at 13:27Antworten

    Die meisten wissen, dass seit 2014 ca. 10.000 Russen im Donbass getötet worden sind. Als Gedankenexperiment stelle ich mir vor, es würden jedes Jahr z.B. 1000 Südtiroler getötet werden, weil sie Autonomie oder Unabhängigkeit anstreben. Wie wäre da die Stimmung in Österreich?

    • Grld 19. Mai 2022 at 15:34Antworten

      Ganz ehrliche Antwort?

      Kommt drauf an wie’s in der Krone, in Heute, in Österreich und den anderen ‚Qualitätsmedien‘ vorgesagt wird (einschließlich Fernsehen).
      Wieviele Leute denken noch selbstständig und haben eine eigene Meinung?

      Die meisten laufen doch ergeben dem Rudelführer nach.

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