
Warum Israel Somaliland anerkennt
Die Anerkennung von Somaliland durch Israel ist weder auf eine ´mögliche Abschiebung von Gazanern noch auf den Konflikt mit den Huthis zurückzuführen. Der Grund liegt bei der Türkei.
Israel ist der erste UN-Mitgliedstaat geworden, der Somaliland offiziell anerkennt. Viele Beobachter sehen darin den Wunsch, eine verbündete Präsenz nahe dem iranisch gestützten, von den Huthis kontrollierten Nordjemen zu schaffen oder sich auf eine mögliche Aufnahme großer Zahlen von Palästinensern aus Gaza in Somaliland vorzubereiten. Beide Erklärungen halten einer genaueren Betrachtung jedoch nicht stand: Israel hat bereits gezeigt, dass es Ziele in Nordjemen problemlos aus der Ferne treffen kann und daher keine regionale Basis benötigt; die zweite Vermutung hat zudem an Aktualität verloren.
Der eigentliche Grund für diesen unerwarteten Schritt Israels zu genau diesem Zeitpunkt liegt vielmehr in der Rivalität mit der Türkei. Vielen Außenstehenden ist nicht bewusst, wie umfassend Ankara heute in Somalia Einfluss nimmt – eine Entwicklung, die aus israelischer Sicht ein hoch alarmierendes Sicherheitsrisiko darstellt. Bevor wir darauf näher eingehen, lohnt ein kurzer Überblick über die türkische Präsenz.
Seit 2011 hat die türkische Entwicklungsagentur TIKA (vergleichbar mit der USAID) über 500 Projekte in Somalia umgesetzt. Seit der Eröffnung der TURKSOM-Basis 2017 – der größten türkischen Militärbasis im Ausland – bildet die Türkei somalische Streitkräfte aus. Anfang 2024 wurde die wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit durch ein Abkommen weiter vertieft: Im Gegenzug für die Modernisierung der somalischen Marine soll Somalia der Türkei Berichten zufolge 90 Prozent seiner Einnahmen aus Offshore-Energiequellen überlassen.
Bis Ende des Jahres bestätigte Somalia zudem den Bau eines Weltraumbahnhofs durch die Türkei auf seinem Territorium. Die Anlage könnte auch als Testgelände für ballistische Raketen dienen– ein Vorteil, den die Türkei im überfüllten östlichen Mittelmeer nicht hätte, wohl aber im offenen westlichen Indischen Ozean. Im Sommer 2024 schloss Pakistan, faktisch enger Partner Ankaras, ein ähnliches Ausbildungsabkommen mit Somalia ab, was eine deutliche militärische Interessenkonvergenz beider Länder in der Region unterstreicht.
All dies mündete Anfang Dezember in einen aufsehenerregenden Artikel der israelischen Zeitung Israel Hayom mit dem Titel „Turkey’s quiet power play in the Red Sea turns Somalia into a proxy“. Darin wurde ein besorgniserregendes Szenario skizziert: Die Türkei schaffe sich in Somalia eine „zweite strategische Geographie“, um unter dem Deckmantel des Weltraumbahnhofs nukleare Waffen und Trägersysteme zu testen – möglich gemacht durch Uran aus Niger und pakistanisches Know-how in Raketen- und Nukleartechnologie.
Manche mögen das für übertrieben halten, doch der ausdrückliche Dank Netanjahus an den Mossad-Chef in seiner Ankündigung der Somaliland-Anerkennung deutet darauf hin, dass die Entscheidung von schwerwiegenden sicherheitspolitischen Erwägungen getragen war – sehr wahrscheinlich genau von den oben genannten Befürchtungen.
Durch die Anerkennung Somalilands verschafft sich Israel nun strategische Tiefe direkt neben den türkischen Anlagen in Somalia, um diese engmaschig zu beobachten und im Ernstfall handlungsfähig zu bleiben, sollte sich der nukleare Verdacht erhärten. Gleichzeitig könnte Israel von Somaliland aus politische Kampagnen starten, um den (nahezu hegemonialen) türkischen Einfluss in Somalia zu schwächen und das Worst-Case-Szenario auf nicht-militärischem Weg zu verhindern – ein Vorgehen, das auch Somalilands eigener Sicherheit zugutekäme.
Fazit: Die Anerkennung Somalilands durch Israel ist weit weniger von der Konfrontation mit dem Iran als vielmehr von der Rivalität mit der Türkei motiviert. Angesichts der hohen Einsätze ist zu erwarten, dass Ankara in naher Zukunft Somalia dazu ermutigen könnte, die Spannungen mit Somaliland erneut zu verschärfen.
Bild „Happy Birthday Somaliland“ by CharlesFred is licensed under CC BY-NC-SA 2.0.
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Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer politischer Analyst, der sich auf den globalen systemischen Übergang zur Multipolarität spezialisiert hat. Er veröffentlicht auf Englisch auf seinem Substack-Blog. Auf Deutsch exklusiv bei TKP.
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