Milei angelobt und Kurs gewechselt

12. Dezember 2023von 3,1 Minuten Lesezeit

Ein Ex-Banker der Deutschen Bank wird Zentralbankchef, im Klimaabkommen wird geblieben und die Ministerien werden nur halb abgeschafft. Argentiniens erste Tage unter Javier Milei.

Ein wesentlicher Teil von Javier Mileis Kampagne und ein Grund für seinen Aufstieg war seine grundsätzliche Kritik an der Klimapolitik. Die „Klimakrise“ sei ein großer „Schwindel“ – natürlich von „Sozialisten“. Er hatte angekündigt, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen. Doch diesen Plan hat er verworfen, ebenso wie andere Absichten.

Keine Dollar

Im Wahlkampf erklärte der exzentrische Milei: „All diese Politiker, die den Menschen für den Klimawandel verantwortlich machen, sind falsch und wollen nur Geld sammeln, um sozialistische Schwachköpfe zu finanzieren, die in viertklassigen Zeitungen schreiben.“ Das Pariser Klimaabkommen würde deshalb „fremde Regeln“ aufdrücken. Er wolle mit Argentinien austreten, dann wäre Argentinin das zweite Land neben Syrien, das den Pakt nicht anerkennt. Es war ein zentrales Wahlversprechen Mileis.

Auch die Zentralbank wird nicht geschlossen, zur Einführung des Dollars kommt es also vorerst nicht. Aber Milei hat einen neuen Gouverneur für die Zentralbank parat: Einen Banker von der Deutschen Bank.

Santiago Bausili war zuletzt Partner von Anker, einem in Buenos Aires ansässigen Beratungsunternehmen, an der Seite des neuen Wirtschaftsministers Caputo. Davor war er bei der Deutschen Bank als Debt Origination Director tätig gewesen, zunächst in New York und dann in Buenos Aires. Die umstrittene Deutsche Bank war aber nicht seine erste Station. Bei JPMorgan war er mehr als ein Jahrzehnt lang mit Schwerpunkt auf Kapitalmärkten und Derivatemarketing in Argentinien, Chile und Peru tätig gewesen.

Beobachter erwarten, dass Milei aus der engen Zusammenarbeit mit Russland und China herauslösen wird. Selenskis Besuch bei der Angelobung kann schon als deutliches Zeichen gesehen werden. Zwar ist die Dollar-Währungsreform auch aus realpolitischen Gründen schlicht nicht möglich (Argentinien hat zu wenig Dollar), aber dem Land dürfte eine Privatisierungswelle bevorstehen.

Von der Bildung bis zur Gesundheit dürfte sich das Kapital die Bereiche einverleiben. „Glücklicherweise“ haben Konzerne wie Alphabet (Google) mittlerweile in allen Bereichen ihre Projekte: „Schocktherapie“ wird das genannt werden. So kündigte Milei am Montag bereits die Privatisierung des Öl-Riesen YPG und der öffentlichen Medien an. Das könnte aber nur der Anfang sein.

Klaus Schwab scheint dennoch nicht zufrieden zu sein. Er warnt vor den libertären Newcomern: „Da gibt es – natürlich – ein Antisystem, es wird Libertarismus genannt, was bedeutet, alles einzureißen, was irgendwelche Eingriffe von Regierungen in das Privatleben erzeugt.“

Entlarvend, Schwabs Erklärung. Deutlicher kann er nicht sagen, dass das „Weltwirtschaftsforum“ nicht für die Wirtschaft steht. Das WEF steht mittlerweile für Politik und die Herrschaft d Oligarchie. Für Klima-Feudalismus.

Doch das Beispiel Milei sollte bald zeigen, dass der Staat nicht einfach so aufgelöst werden kann. Wenn er unkontrolliert zurück gebaut wird, krallt sich die herrschende Klasse schlichtweg die frei gewordenen „Investitionsmöglichkeiten“. Für den neuen Feudalismus geradezu optimal. Die Bürger sind den Konzernen dann völlig offen ausgeliefert.

Was Milei tatsächlich umgesetzt hat: Er hat fast mehr als die Hälfte der Ministerien geschlossen. Viele Agenden wurden allerdings in die verbliebenen Ministerien abgeschoben. Ein neues Superministerium „Humankapital“ umfasst nun die vorherigen Ministerien für Bildung, Kultur, Arbeit und soziale Entwicklung, sowie Frauen, Geschlechter und Diversität. Das Gesundheitsministerium wurde  – ebenfalls anders als angekündigt – nicht aufgelöst.

Bild „Milei acto“ by El Siete TV is licensed under CC BY 3.0.

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8 Kommentare

  1. Peter Ruzsicska 12. Dezember 2023 at 19:12Antworten

    Dieser motorkettensägende Brachialstexeget,
    gut pharmakaunterfüttert,
    schreiend knappe Befehlsfetzen
    in dröhnenden Konzerten gröhlender Abgesänge
    schneidigster Schwermetallbegleitung
    in verbrauchendste Schindschändgefilde hinab in sämtliche Untergänge:

    Während, wie Brecht es schon erwähnte, unzählige im Herrschaftsmorast versinkende Gospoden nach ihren Sklaven brüllen und gleichzeitig sämtlich verfügbare Reste ihrer vorauseilendst schändbaren Schindbauern ins Feld ohne Wiederkehr hetzen…

    Das Groteske in dessen ständiger Selbstüberbietung verhieß nie Gutes, außer man tut es.

  2. Anonymous 12. Dezember 2023 at 15:55Antworten

    Zu dem Zitat von Klaus Schwab gibts eigentlich nicht viel zu schreiben. Ich kann nicht viel aus solchen Aussagen extrahieren. Daher grundsätzlich und polemisch (ich kann nicht anders, ist meine Art und die ist nicht schön) zu Schwab, seinen Vertrauten / Marionetten und diesem ganz WEF-Zirkus:

    Er hatte eine Büste von Lenin im Bücherregal stehen… „Wir überlassen nichts dem Zufall“. Und ich dachte Klaus Schwab geht zum Lachen in den Keller. Was für eine Aufschneiderei diese ganze Veranstaltung WEF plus Umfeld doch ist. Sicher bin ich mir jedoch immer noch nicht, ob hier Geschäftsleute im Panikmodus agieren oder ob wahrnehmungsgestörten Anhänger des Solipsismus verkorkste (wird dieses Wort ohne oder mit dem Buchstaben R geschrieben?) Visionen ans Flipchart herbei halluzinieren.
    Ich weiß, viele sind gestresst, einige sogar verzweifelt zur Zeit. Aber ganz ehrlich frage ich mich, was ist denn da, wenn ich den Vorhang wegziehe?

    Wenn ich darüber nachdenke, finde ich nicht viel. Dazu passen diese tollen Wortschöpfungen (im Ausmaß oft beeindruckend hohle Oxymora***).
    Religiöse und Bürgerrechtler lieben schließlich den „inklusiven Kapitalismus“, Ökos fühlen sich wie in die 80er-Jahre Umweltbewegungen zurück versetzt bei dem Gerede vom „nachhaltigen Kapitalismus“, Technokraten und Despoten freuen sich über seine Vorstellungen von supranationaler Organisation (doch nicht etwa eine Weltregierung?), Libertäre und Geschäftsleute (aber nur die „Gewinner“, die mit im Gummiboot sitzen, die anderen frotzeln vor sich hin) seine visionären Vorstellung seines „Stakeholder-Kapitalismus“. Und natürlich all diejenigen, die schon Aktiengesellschaften, Gewerkschaften / Betriebsräte und Charity für Kommunismus halten.

    Oppositionelle jeder Art und Befürworter seiner Transphilantopie (ein Wort aus dem Jahre 2030, für Plus-Abonnenten jetzt schon „kostenlos“) verstehen Klaus Schwabs Aussagen. Vakuum. Please Insert your two Cents. Zu Deusch: Murks im Sommerschlussverkauf. Im libertären Sommer. Aber auch unter kommunistischen Schneeflocken. Was das „Klima“ gerade so hergibt. Ob nun zu warmer Schnee vom Himmel piselt oder man im Schwimmbad nach dem Sprung auf zu kaltem Wasser aufprallt. Oder irgendein anderes Thema. Es ist für jeden was dabei.

    Oder kurz:
    Für die einen ist dieses Gerede eine Windel. Für die anderen eine übergroße Wundertüte. Drinnen sind aber nur unsere Projektionen.
    Ob das jetzt genial sein könnte? Dann wäre auch jede Art von Konferenz genial zu nennen, wo die Heißluftgebläse schnell dazu übergehen, ihre Mappen und überteuerten Stifte für Bullshit-Bingo zu benutzen. Mich ärgert die Aufmerksamkeit zu diesem Typen einfach nur noch. Mag sein, dass er „wichtig“ ist, aber was er öffentlich sagt, ist völlig unbedeutend. Da kann man genauso gut in Buchstabensuppen herumrühren.

    ***Achtung Fußnote: Die wohligen und schmeichelnden Adjektive beißen sich oft an dem Wort Kapitalismus mit seiner nicht wegzudenkenden Kapitalakkumulation und dessen Rattenschwanz an Verheerungen (Ausbeutung von Bodenschätzen / Energie, Arbeitskraft, einhergehend mit Drang zur Expansion durch Kolonialismus und Imperialismus, schweren Krisen bishin zu dem was wir jetzt erleben). Diese Widersprüche lassen sich wohl nur duch übertriebenen Konsum von Rauschmitteln oder dem esoterischem Glauben an ein Perpetuum Mobile lösen („da, die Weltformel, in der Sonne…… verglüht“). Ein plappernder Taschenrechner wird so zum Glückseligkeit preisenden Wohltäter. Rausch und Extase. Hach wie schön… Erinnert an eine bekannte Zwischenstation von Odysseus (aber eben nur eine Zwischenstation).

  3. Patient Null 12. Dezember 2023 at 13:15Antworten

    Schwabs Videobild – das Diagramm im Hintergrund passte genau zum Kopf. ;)

    • rudifluegl 12. Dezember 2023 at 18:20Antworten

      Ein Videovorbild bezüglich „es sollen die Haare auch glatzköpfigen zu Berge stehen“.

  4. Jan 12. Dezember 2023 at 11:43Antworten

    Es ist unwahrscheinlich, dass Konzerne, die sich Pfründe unter den Nagel reißen wollen, das nur übers linke Eck versuchen. Die Rechten präsentieren sich gerade als Alternative. Sie werden sich dem internationalen Korsett und ubiquitären Bestechungsversuchen kaum entziehen können – der Zwang zur Koalitionsbildung kommt noch dazu.

    Das Problem: Mit dem Scheitern der Rechten und dem Aufstieg der Konzerne haben wir ins Falsche investiert und es bleibt möglicherweise kein Erbe mehr für sinnvollere Investitionen. Außerdem wird das Zwangskorsett noch einmal zunehmen.

    Wenn elementare Tätigkeiten des Staates wie Zahlungssystem oder Passausgabe an Private in den USA ausgelagert werden, wird sich die CIA bei den Firmen schon melden so Österreich nicht spurt. Wenn das nicht von vorneherein kalkuliert war.

    Der Theorie zufolge gehts um die zentrale gerechte Verteilung der letzten Ressourcen. Das ist, wie wir in den letzten Jahren gesehen haben, eine Ausrede.

    • Hasdrubal 12. Dezember 2023 at 12:23Antworten

      Die Kabale ist vor allem in den westlichen Ländern stark, in der übrigen Welt weniger. Ein nichtwestliches Medium berichtet über die Enttäuschung Baerbocks und der „EU“, dass Südamerika, Afrika und Asien sich selbst nicht billige Energie verbieten wollen, was den Pariser Klima-Pakt praktisch aushebeln sollte. Dies sei „Inakzeptabel“ – was will Baerbock dagegen tun, sich in Dubai an etwas ankleben? Sie wird es irgendwie akzeptieren müssen.

      Besonders erfreulich, wenn darüber ein Staatsmedium eines Landes berichtet, bei dem ich öfter grüble, wie ehrlich man dort gegen die Kabale ist. Jeder kritischer Artikel zum Thema beruhigt ein wenig.
      Ich bezweifle, dass gerade in diesem Land jemals Personalausweise von einer CIA-Tarnfirma ausgestellt werden.

  5. Noname 12. Dezember 2023 at 11:27Antworten

    Ein Artikel basierend auf einer Mitteilung von Reuters. Hmmm, war bei Trump ähnlich…

  6. Hasdrubal 12. Dezember 2023 at 11:14Antworten

    @„Die „Klimakrise“ sei ein großer „Schwindel“ – natürlich von „Sozialisten“. Er hatte angekündigt, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen. Doch diesen Plan hat er verworfen“

    Die Gedanken bleiben dennoch in den Köpfen der Argentinier drin. Hoffentlich machen sie ihm ein Tango als Konsequenz des Wahlbetrugs – anders kann man es nicht nennen.

    In Polen kam gestern Tusk anstelle von Morawiecki an die Macht. Schon tobt die erste Affäre im Land – Vorwürfe, das Windräder-Gesetz so zu gestalten, dass Siemens den im Westen kaum verkäuflichen Schrott in Polen loswerden kann. Auch hier könnte es bald zum Tango kommen.

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