Bericht eines Deutschen aus dem Exil in Namibia

12. Februar 2023von 19,3 Minuten Lesezeit

Es gibt mehrere Faktoren, die einer Reihe von Menschen das Leben in Deutschland und auch in Österreich so schwer gemacht haben, dass sie das Land verlassen haben. Zum Teil wegen der bei uns besonders extremen Einschränkungen von Grundrechten und Demokratie, zum Teil wegen politischer Verfolgung, die mit dem Fall Michale Ballweg und dem Weimarer Richter wohl neue Höhepunkte erreicht hat.

TKP hat gelegentlich schon über Menschen berichtet, die das Land verlassen haben. Zum Sonntag passend ein Bericht von Jochen Mitschka über

Unser Exil in Namibia

Als im Jahr 2021 die Covid- Genbehandlungspflicht, genannt Impfpflicht drohte, für die Gesundheitsberufe entgegen jeder Vernunft durchgesetzt wurde, und dann für die Allgemeinheit auch noch kommen sollte, und schließlich auch noch eine Regierung an die Macht kam, welche durch die Geschichte bedingt ein deutliches Zeichen in Richtung Krieg gab, reifte dann der bisher undenkbare Gedanke, unser gerade gebautes Haus, die neuen Autos und unsere Existenz aufzugeben und ins Ausland zu gehen. Als meine Frau die offizielle Nachricht erhielt, nach dem 15.03.2022 keine Gehalts-Zahlungen mehr zu erhalten, aber auch nicht gekündigt zu werden, war alles vorbereitet, um Deutschland den Rücken zu kehren. Wir hatten uns Namibia als Fluchtort ausgesucht. Deshalb mal auf Nachfrage und zur Abwechslung ein bisschen Boulevard.

Die Überlegungen

Zuerst hatten wir daran gedacht, zu unserer Familie zu ziehen, welche in Thailand wohnt, von wo aus wir 2009 zurück in die Heimat Deutschland gezogen waren. Aber meine thailändischen Sprachkenntnisse waren in den Kinderschuhen stecken geblieben, und außerdem verhielt sich das Land ähnlich chaotisch und irrational hinsichtlich Corona wie Deutschland. Außerdem hatten wir Thailand 2009 wegen der zunehmenden Gewalt der Militärdiktatur verlassen, eine Situation, die sich bis heute zwar entspannt hat, aber nicht beseitigt wurde.

Also sollte das Ziel nicht nur 365 Tage angenehmes Wetter aufweisen, sondern außerdem eine Sprache als Amtssprache haben, die wir nicht neu lernen mussten. Und so kamen wir auf Namibia. Auf Grund des Klimas, das einem deutschen Sommer, nur ohne Regen, während 360 Tagen im Jahr gleicht, wählten wir Swakopmund als Ziel. Nicht genau den Ort, sondern einen Vorort, der ein paar Kilometer vor der Atlantikküste liegt, und daher im südafrikanischen Winter weniger durch feuchten Nebel bzw. niedrig hängende Wolken, zumindest den Vormittag, manchmal etwas unangenehm macht.

Was uns bei unseren Besuchen überraschte war die Tatsache, dass sehr viele Menschen neben Englisch auch Deutsch verstanden. Die meisten Südafrikaner, von denen es viele in Namibia gibt, sprechen neben ihrer Muttersprache Afrikaans und der Amtssprache Englisch fast immer auch Deutsch. Und dann gab es viele deutschstämmige Menschen, die froh waren, Deutsch zu sprechen, wenn sie bemerkten, dass Deutsche vor ihnen standen. Aber auch einige schwarze Mitglieder der Gesellschaft hatten Deutsch entweder in einer deutschen Schule, oder durch Kontakt mit deutschsprachigen Menschen gelernt.

Ein wichtiges Argument war die politische Situation. Die regierende SWAPO-Partei war aus der marxistischen Befreiungsbewegung gleichen Namens hervorgegangen. Zwar stöhnen viele Namibier über die Korruption, die in über 30 Jahren nicht unterbrochener Regierungsdominanz naturgemäß entstehen musste. Aber andererseits erkennen selbst Kritiker an, dass es der Politik der SWAPO zu verdanken war, dass es seit dem Beginn der Demokratie keine Pogrome oder nennenswerte rassistisch bedingten Ausschreitungen gab. Auch die in anderen Ländern Afrikas immer wieder aufflammenden Streitigkeiten zwischen unterschiedlichen Volksgruppen, konnten durch eine robuste Politik, die aber auch die historisch kulturellen Hierarchiegegebenheiten berücksichtigt, verhindert werden, und ein nationales Bewusstsein „NAMIBIA“ geschaffen werden. So hart es für manche Kinder ist, gilt ab dem ersten Schuljahr Deutsch als wichtigste Schulsprache, und die Muttersprache nur noch als Zweitsprache.

Am Beispiel von Namibia kann man erkennen, das ein gesunder Patriotismus, ja Nationalismus durchaus Frieden und gemeinsamen Erfolg in einem Land erschaffen kann. Natürlich gibt es immer viele Unterschiede zwischen Schwarzen und Weißen im Land, aber die werden in der Mehrzahl durch Bildungs- und Einkommensunterschiede erzeugt. Und natürlich gibt es immer noch einen unterschwelligen Rassismus und Misstrauen. Aber an aufstrebenden Oppositionsparteien im Land kann man erkennen, wie sich Schwarz und Weiß immer stärker mit einem gemeinsamen Ziel zusammen finden.

Bei unseren Überlegungen kam hinzu, dass Namibia, mit nur 2,6 Millionen Einwohnern, aber einer Fläche, die doppelt so groß ist wie Deutschland, möglicherweise unter dem Radar der großen Politik bleiben könnte. Wobei sich Namibia stark an der Politik Südafrikas orientiert. Das gilt auch für die Wirtschaft. So ist der Namibische Dollar an den Südafrikanischen Rand gebunden. Und die großen Ambitionen, größter Lieferant von „grünem Wasserstoff“ zu werden, wurde nun sicherheitshalber gemeinsam mit südafrikanischen Bemühungen in die gleiche Richtung koordiniert. In den Jahren 2022 und 2023 wurden erhebliche Rohstofffunde gemeldet, die ausgebeutet werden könnten. Ob und wie das auf die Unabhängigkeit des Landes Einfluss haben wird, muss abgewartet werden.

Natürlich hat das Land erhebliche Probleme. Am Rand von Städten entstehen „informelle Siedlungen“ welche die Verwaltungen vor große Herausforderungen stellen. Der soziale Wohnungsbau hat seine Ziele in keiner Weise nur annähernd erreicht. Viele Projekte leiden unter Interessen lokaler Parteikader. Aber durch den dadurch bestehenden Zulauf zu oppositionellen Parteien wächst der Druck auf die SWAPO, Abhilfe zu schaffen. So entstehen an vielen Orten in diesen Siedlungen kommunale Unterstützungseinrichtungen für Bildung, Kindergarten, Erste-Hilfe-Stelle usw, die großen Anklang bei den Menschen finden.

Anders als in Südafrika, gibt es kein Loadshedding, also Abschaltung der Elektrizität für bis zu 5 Stunden am Tag. Obwohl das Land nicht nur Strom, sondern mangels eigener Raffinerien, auch Treibstoffe weitgehend importieren muss. Aber es gibt Pläne, Namibia zu einem der weltführenden Hersteller von „grünem“ Wasserstoff auszubauen, falls diese Pläne nicht durch internationale „Umweltschutz“-Politik zunichte gemacht werden sollten. Grund: Der gefühlt größte Teil des Landes wurde unter Naturschutz gestellt, als die Idee eines Wirtschaftswachstums durch Tourismus boomte. Während Corona wurde dies nun als falscher Weg erkannt. Aber dadurch sind riesige Gebiete für die wirtschaftliche Nutzung stark eingeschränkt. Ich habe Vertrauen in den gesunden Menschenverstand der Namibier, eine gute Abwägung zwischen Menschenschutz und Umweltschutz zu betreiben.

Es gab einen weiteren Punkt, das müssen wir zugeben, der uns an Namibia fasziniert hatte, bevor wir hier hin zogen. Wir hatten das Gefühl, dass wir in der Geschichte 30 bis 50 Jahre zurückversetzt wurden. Es gibt hier „gesunden Menschenverstand“, und es gibt große Toleranz. Als Beispiel möchte ich das Umgehen mit dem kolonialen Erbe erwähnen.

Deutsche Kolonisten haben gelogen, betrogen, gemordet und ausgebeutet. Aber sie hatten auch gewissen Regeln und Möglichkeiten in das Land gebracht, welche Namibier offensichtlich als positiv betrachten. Dazu gehört, dass im Gegensatz zu anderen Ländern, Namibia ausgesprochen sauber und aufgeräumt wirkt. Und, was uns am meisten verblüfft hat, ist das entspannte Umgehen mit der Vergangenheit. Was natürlich etwas weniger gilt in einigen Gebiete, in denen Deutsche Massenmorde begingen, um Aufstände niederzuschlagen, und sich große Farmen die besten Böden angeeignet hatten. Von denen noch viele im Besitz der Familien sind, die sie damals erwarben.

Wie zeigte sich diese Toleranz? Nun, in Swakopmund und in Windhuk zum Beispiel, standen Denkmäler der deutschen Kolonisten an den wichtigsten Stellen der Städte. Und es hat teilweise viele Jahre gedauert, und viele Diskussionen darüber, was mit den Denkmälern geschehen sollte. Schließlich beschloss man, sie nach 30 Jahren vorsichtig in ein Museum zu bringen, als Teil der Geschichte des Landes. Aber dann den Platz zu nutzen, um einen der wichtigen Freiheitskämpfer des Landes zu ehren. Ich kann mir keine liberalere und pragmatischere Lösung vorstellen. Die Geschichte wird gewahrt, aber ergänzt und nicht umgeschrieben. Ein Pragmatismus, der leider in Deutschland mit „Cancel Culture“, immer deutlicher sich entwickelnden modernen „Bilderstürmern“, mal abgesehen vom „Wokismus“, immer unwahrscheinlicher realisieren läßt.

Die Ankunft

Als wir dann alles hinter uns ließen, und mit ein paar Koffern, und ein paar Kisten, die nachgeschickt werden sollten, in Namibia eintrafen, passierte etwas Seltsames. Obwohl ich in verschiedenen Ländern Europas und Asiens gearbeitet und gelebt hatte, war mir noch nie eine solche Freundlichkeit und Offenheit entgegengebracht worden. Es war unglaublich. Man reichte uns von Einem zum Anderen, um es einfach auszudrücken, und jeder war bemüht, uns zu helfen, den richtigen Start zu finden.

Die Immobilienmaklerin zum Beispiel, die nicht von uns, sondern vom Verkäufer, ein Honorar erhalten hatte, das nur ein Bruchteil dessen ausmacht, was deutsche Immobilienmakler berechnen, hat uns geholfen, die bürokratischen Hürden zu meisten, wie ich mir das in Deutschland nie hätte vorstellen können. Die Autoverkäuferin wurde ebenfalls zur Freundin. Und das, obwohl wir zunächst einen relativ preiswerten Gebrauchtwagen gekauft hatten, weil in Südafrika die Toyota-Fabrik wegen Überschwemmung über Monate keine Autos liefern konnte. Und sie uns schließlich beriet, als wir einen Gebrauchtwagen bei einem anderen Händler kauften, und die Anzahlung für das bestellte neue Auto sofort zurückzahlte. Mehr Beispiele würden wohl das Format sprengen.

Und alles und fast jeder, schien tiefenentspannt zu sein. Als ich mein erstes und bisher einziges Bußgeld wegen zu schnellem Fahren kassierte, diskutierte ich mit der Polizistin, die mir das Ticket ausstellte, dass sie an einer falschen Stelle gemessen hätte, was sie nett damit beantwortete, dass ich das am nächsten Tag auf der Wache erklären könne, wenn ich die 380 N$, also rund 20 Euro bezahlte oder eben Einspruch einlegte. Sie fand meinen deutschen Führerschein leichter lesbar als den internationalen, und notierte seine Nummer. Danach unterhielten wir uns nett über ihr Tattoo und das Wetter. Am nächsten Tag auf der Wache das Gleiche. Der Beamte hörte interessiert zu, ließ sich eine Zeichnung von mir machen und fragte dann, ob ich denn zahlen wollte oder Einspruch einlegen würde. Ich zahlte dann. Ein kleiner Verkehrsunfall verlief ähnlich. Wir tauschten weitgehend emotionslos die Adressen aus, am nächsten Tag rief mich die Unfall-„Gegnerin“ an und erklärte, dass wir den Unfall innerhalb 24 Stunden der Polizei melden mussten, wo wir dann den Vorgang erzählten und jeder 50 N$ Bearbeitungsgebühr bezahlten, und dafür ein Protokoll erhielten, das wir bei der Versicherung einreichen konnten.

Nun ist die kleine Stadt Swakopmund mit ca. 45.000 Einwohnern aber nicht repräsentativ für die Hauptstadt Windhuk, in der es sogar Verkehrsstaus während der Rush Hour geben kann. Wir waren bei der Ankunft überrascht, dass jeder jeden zu kennen schien, und wenn er selbst nicht weiterhelfen konnte, so auch Verkäufer, dass man uns immer eine mögliche alternative Quelle nannte.

Als ich an einem Donnerstag das erste Mal einkaufte, war es zufällig der Tag, an dem Senioren einen Rabatt in mehreren Geschäften der Stadt bekommen. Ältere Menschen werden übrigens überhaupt viel stärker wertgeschätzt als in Deutschland, hat man das Gefühl. Und dabei spielt die Rasse kaum eine Rolle. So berichtete ein Freund, dass bei der Wahl ein schwarzer Wähler eine ältere weiße Dame von hinten aus der Schlange nach vorne holte mit den Worten: „Komm nach Vorne zum Wählen, Oma, du musst nicht warten“, was niemand in der Schlange unpassend fand.

Und, was anfangs auch überraschte, man konnte locker sechs bis sieben Stellen anfahren und die notwendigen Geschäfte erledigen. Dazu gehört auch die Post. Denn Briefe werden durch die Post nicht zugestellt, sondern in ein Postfach geliefert, das der Kunde jährlich mieten muss. Das gleiche gilt für Päckchen oder Pakete, für die man eine kleine Gebühr bei Abholung bezahlen muss. Für die Tür-zu-Tür Lieferung gibt es mehrere private Organisationen, die naturgemäß nicht billig sind. Aber natürlich gibt es auch Zeiten, in denen man besser bestimmte Orte meidet, weil dann ein zu großer Ansturm dort ansteht. Wie nach Feiertagen, am Monatsende oder -Anfang usw.

Ganz anders als in Deutschland war auch meine Erfahrung mit dem Zoll. Ich hatte ein Paket mit zwei Belegexemplaren meiner Bücher aus Tschechien erhalten, ohne dass eine Wertangabe gemacht worden war. Also erklärte mir der Postbeamte, dass ich zum Zoll müsse. Da ich aber nicht wusste, wo der war, schickte er mir einen Beamten mit, der mich dorthin begleitete und dort sofort, also ohne Wartezeit, beim Chef vorstellte. Der öffnete dann auf meine Bitte das Paket, fragte, welche Sprache das war, und machte nach meiner Erklärung einen Stempel auf ein Papier, gab mir die Bücher und fragte freundlich, ob er die Verpackung entsorgen solle.

Die Infrastruktur

Das staatliche Gesundheitssystem ist leider in einem furchtbaren Zustand. Niemand ohne Krankenversicherung aber mit einem Blinddarmdurchbruch, ein Beispiel, das uns aktuell zugetragen worden war, bleibt unbehandelt. Aber dieser Patient muss damit rechnen, unter für Deutsche schwer vorstellbaren Bedingungen im Krankenhaus zu liegen. Dagegen ist das private Gesundheitssystem auf dem gleichen Stand wie in Deutschland. Die meisten Operationen können entweder in Swakopmund, oder Windhuk durchgeführt werden. Windhuk ist mit dem Krankentransport-Flugzeug in 1-2 Stunde, mit dem Krankenwagen in weniger als 4 Stunden, erreichbar. Sehr anspruchsvolle Operationen auf Weltniveau werden in Kapstadt durchgeführt.

In keinem Fall wird seit Monaten im Gesundheitswesen noch nach einem Covid-Impfstatus oder Maske gefragt. Letztere tragen ausschließlich Ärzte während der OP, oder im Fall der Behandlung von Patienten mit bekannten schweren ansteckenden Infektionen, welche isoliert werden müssen.

In den verschiedenen Geschäften der Stadt gibt es alle Lebensmittel zu vergleichbaren Preisen wie in Deutschland. Fleisch ist noch etwas billiger. Und das Fleisch stammt aus lokaler Produktion, meist von Tieren, die auf riesigen Farmen weitgehend ohne Stallaufenthalt, gezogen werden. Obst und Gemüse wird, wohl aus Bequemlichkeit, zum größten Teil aus Südafrika importiert, soll aber nach dem Willen der Regierung zunehmend auch in Namibia angebaut werden.

Elektrizität ist gesichert, es gibt kein tägliches so genanntes Load-Shedding, also stundenlanger geplanter Stromausfall. Trotzdem gehen immer mehr Menschen dazu über, sich durch Solarzellen Autarkie zu verschaffen. Auch wenn ein wichtiger Lokalpolitiker mir erklärte, man wolle durch Wasserstoffkraftwerke Strom zukünftig günstig und ausreichend produzieren, ist es ein gutes Gefühl, jedweder Entwicklung beruhigt entgegen zu sehen. Gleichzeitig baut man durch Einspeisung von Strom in das Netz gegen eine Gutschrift, die ca. der Hälfte des Strompreises entspricht, ein Guthabenkonto auf. Das erhält man nicht ausbezahlt, sondern kann es bei Engpässen im Winter oder bei Reparaturen an der eigenen Anlage benutzen. Namibia gehört klimatisch zu den am besten geeigneten Ländern für die Erzeugung von Solarstrom, und das Nachbarland Südafrika wurde zu einem interessanten Solarbatterielieferanten.

Internet ist schnell in Namibia, wenn man in Städten oder entlang wichtiger Überlandstraßen lebt. Aber auch teuer. Viel teurer als in Südafrika. Ob das an der geringerer Kundenzahl liegt, oder einfach an der Entwicklungsphase und fehlender Konkurrenz, ist nicht ganz klar. Wir hatten zunächst versucht, einen Glasfaseranschluss vom staatlichen Anbieter zu erhalten, der auch zusagte, dann aber nie installierte. Wie ein Techniker und verriet, hatte die Führung wohl keine Lust, das eigentlich vorgesehene Glasfaserkabel zu legen, weil wir ziemlich am Ende des Versorgungsnetzes lagen. Wir waren dann zu einem privaten, leider teureren Anbieter gewechselt und hatten nach 5 Wochen unseren Glasfaseranschluss bis ins Haus bekommen.

Das Klima

Das südliche Afrika hat viele unterschiedliche Klimabedingungen. Als ich beim Jahreswechsel auf einem Campingplatz in Südafrika an der Grenze zu Namibia stand, gab es Tagestemperaturen im Schatten von 44°C. Und trotzdem arbeiteten die Menschen, und das nicht nur im Schatten. Nach 12 Stunden Fahrt in Richtung Nordwesten an die Atlantikküste von Namibia, waren es nur noch 20°C. Es gibt Gebiete mit viel Wasser ebenso wie Wüsten. Und es gibt Bereiche dazwischen.

Wir finden das ausgeglichene Klima an der Atlantikküste mit den langen Sonnentagen als sehr angenehm. Aber man darf sich nicht täuschen. Im afrikanischen Winter kann es nachts sehr ungemütlich werden. Deshalb haben alle Häuser offene Kamine zum Heizen, oder „moderner“, geschlossene Öfen, die übrigens innerhalb von Stunden installiert werden. Brennholzgewinnung ist ein Nebenprodukt von Farmen, welche gegen die Verholzung ihrer Weiden immer wieder Buschwerk bzw. Hölzer zurückdrängen müssen. Daraus entstand auch ein neuer Exportzweig. Statt das Buschwerk abzubrennen, wie es früher geschah, wird es zu Holzkohle veredelt und weltweit verkauft.

In vielen Bereichen des Landes ist ein wichtiges Gesprächsthema: der Regen. Entweder weil Überschwemmungen erwartet werden, oder weil Bereiche drohen auszutrocknen. Naturgemäß wird auch über eine Klimakrise gesprochen. Aber längst nicht in der hysterischen Art und Weise, die man von Deutschland kennt. Obwohl doch gerade das südliche Afrika bedroht sein könnte.

Das gleiche gilt für die Mobilität. Diesel und Benzin wurden zeitweise subventioniert, als die Ölpreise auf einem Höhepunkt waren. Die meist gefahrenen Autos sind PickUps, meist mit Allradantrieb. Und sehr viele lassen die Autos für bessere Off-Road-Fähigkeiten, umbauen. Was sinnvoll ist, wenn man, wie viele Namibier, einen großen Teil der Freizeit auf dem Land, in der Natur, zubringt. So konnte ich mich bei plötzlich einsetzenden Regen und über die Ufer treten eines eigentlich ausgetrockneten Flusses nur mit Hilfe einer Seilwinde auf einen sicheren höheren Standpunkt retten.

Im Winter gibt es ab und zu ein seltenes Phänomen an der Küste, wo wir wohnen. Ein heftiger heißer Wind vom Landesinneren bläst in Richtung Atlantik und wirbelt eine Menge Sand in die Städte und Häuser. Die Temperatur steigt auf 30°C und wenn man mit dem Fahrrad gegen den Sturm ankämpft, was kluge Einheimische dann tunlichst vermeiden, ist das eine Herausforderung, und ein Gefühl, als fahre man gegen einen heftigen Haar-Fön an. Autolackierereien und ähnliche Unternehmen schließen dann für wenige Tage im Jahr ihren Betrieb. Über Nacht ist der Zauber wieder vorbei, es wird gefegt, und die umgestürzten Palmen beseitigt.

Die Aufenthaltserlaubnis

Die Anforderungen beim Antrag einer Daueraufenthaltserlaubnis wurden in den letzten Jahren verschärft. Während im Norden und Osten die Grenzen gegenüber Menschen aus angrenzenden Ländern weitgehen offen sind. So dass Menschen aus Nachbarländern, in denen die Versorgungslage kritischer ist, ins Land kommen, sich hier z.B. kostenlos medizinische behandeln lassen können. Es ist eine Reminiszenz an den Freiheitskampf, als SWAPO-Kämpfer über Grenzen vor den südafrikanischen Truppen flüchteten, und Aufnahme in Nachbarländern fanden. Was diesen übrigens Krieg und Bombardierungen brachte.

Der Anwärter für eine Daueraufenthaltserlaubnis muss nun nicht nur beweisen, dass er sich selbst versorgen kann, eine Krankenversicherung hat, relativ gesund ist, und keine kriminelle Vergangenheit, sondern auch, dass er gewisse Investitionen im Land beabsichtigt. Allerdings ist ausdrücklich ausgeschlossen, dass der Anwärter für die Dauer der Entscheidungsfindung ein Aufenthaltsrecht erhält. Er bleibt zunächst auf Touristenvisa angewiesen.

So musste ich nach zweimaliger Verlängerung des Touristenvisums im November letzten Jahres das Land verlassen und nutzte die Zeit für fast 6 Wochen Camping-Trailer Urlaub in Südafrika. Als ich dann am ersten Januar zurückkam, und eigentlich wieder 90 Tage Touristenvisum erhalten konnte, war die Beamtin an der Grenze aber misstrauisch: „Eigenes Auto, eigenen Camping-Trailer, und zwei Mal verlängertes Touristenvisum im letzten Jahr, und am 1. Januar einreisen, da stimmt was nicht. Ich kann Ihnen nur 7 Tage geben.“ Aber wie das in Namibia ist, nach kurzer netter Diskussion einigten wir uns auf 30 Tage. Was für mich kein Problem war, denn im Dezember hatte ich erfahren, dass die Aufenthaltserlaubnis genehmigt worden war, und nur die Papierarbeit beendet werden musste.

Unangenehme Erfahrungen

In dem nun ersten Jahr gab es eigentlich nur wenige unfreundliche Begegnungen. Ganz zu Beginn hatte man uns am Telefon erklärt, dass Bankkonten nur nach Genehmigung einer Aufenthaltserlaubnis vergeben würden, was falsch war, wie wir dann aber wieder durch freundliche Kontakte und eine nette andere Bankangestellte erfuhren.

Eine Krankenversicherung für meine Frau zu bekommen, hatte sich zunächst schwierig gestaltet. Zunächst hatten Versicherungen abgewunken oder nicht geantwortet. Schließlich mussten wir wegen einer eigentlich nicht akuten Vorerkrankung nicht nur die übliche 3-monatige Wartefrist, sondern im Fall der Vorerkrankung 12 Monate Wartefrist hinnehmen. Und letztlich war es dann keine Krankenversicherung, sondern eine kostengedeckelte Zuschussvereinbarung mit komplizierten und komplexen Bedingungen. Allerdings zeigte sich, dass sowohl Arzt als auch Apotheke gerne mit der Organisation direkt abrechnen, wenn man die Versichertenkarte vorlegt.

Dann hatte eine Frau am Schalter der staatlichen Telefongesellschaft sehr unfreundlich bzw. abweisend auf die Frage nach einem Antrag für einen Internetanschluss reagiert, obwohl der gerade beworben wurde. Worauf der nächste Namibier, der davon erfuhr, sofort das Telefon ergriff, und sich darüber beim Vorgesetzten beschwerte.

Fazit

Alles zusammen, überwiegen ganz eindeutig die positiven Eindrücke. Dabei ragen sicher die vielen positiven menschlichen Kontakte, unabhängig von Rasse oder kulturellem Hintergrund, heraus. Noch in keinem Land, in dem wir lebten, war es so einfach, Bekanntschaften und sogar Freundschaften zu schließen.

Interessant erscheint mir auch zu sein, was ein Namibier, welcher auf Grund der Abstammung auch einen deutschen Pass hat, mir erzählte. Die Familie hatte sich, als das Ende der Apartheid in Namibia drohte, aus Angst vor Pogromen, zunächst überlegt nach Südafrika zu gehen. Man nahm an, dass dort die Regierung niemals gestürzt werden könnte. Als jedoch größere Rassenprobleme in Namibia, ausblieben, und im Gegenteil Südafrika sich hinsichtlich Gewalt und Kriminalität unglücklicher entwickelte, hatte man überlegt, Deutschland als möglichen Rückzugsort im Fall einer Krise in Betracht zu ziehen. Und die Familie hatte dafür sogar eine Wohnung in Berlin gekauft. Inzwischen aber, so die Aussage, sehe man Namibia als einzig wirkliche Heimat und sicheren Hafen an.

Und, so wird vielleicht erklärlich, warum ich mich noch nie so entspannt gefühlt habe, seit der Erteilung der Daueraufenthaltserlaubnis in Namibia. Was ursprünglich als Flucht aus einem Land gedacht war, das immer mehr die Ideale und den Geist seines Grundgesetzes verrät, der seine Verpflichtung zu Frieden und die Ideen der liberalen Aufklärung vernichtet, ein Land, das eindeutig auf Kriegskurs ist, das Dissidenten wirtschaftlich und sogar physisch und nun auch juristisch verfolgt, diese Flucht wurde zum Glücksfall. Ein Glücksfall, der die materiellen Verluste und die Verluste der menschlichen Kontakte mehr als ausgleicht. Meine Frau trauert immer noch ihrer Arbeit mit den Kollegen im Krankenhaus in Deutschland nach. Aber ich denke, auch sie wird in den nächsten Monaten durch neue Aufgaben für den Verlust ihrer Arbeit entschädigt. Nächste Woche z.B. werden wir mit einem Lokalpolitiker darüber sprechen, wie sie kostenlose Kurse für einfache Hausangestellte durchführen kann, um ihnen Grundlagen des Umgangs mit alten Menschen zu vermitteln.

Namibia ist ein Land, dessen viele Möglichkeiten an die Zeit in Deutschland in den 1960er und 1970er Jahre erinnert. Ganz anders, als was derzeit in der überregulierten, und dann doch wieder von politischen und ökonomischen Interessen überwältigten deutschen Gesellschaft zu beobachten ist. Ich hoffe, dass ich diesen Aufbruch in Namibia noch lange begleiten darf.

Bild von katja auf Pixabay

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7 Kommentare

  1. Dr. med. Veronika Rampold 13. Februar 2023 at 16:51Antworten

    Besserer Umgang mit alten Menschen im Vergleich zu D – wie es anderswo in Europa ist, weiß ich nicht – ist in vielen Ländern der ehemaligen 3. Welt zu beobachten. Sie haben die Grundregel des Respekts vorm Alter, die es in den meisten traditionellen Kulturen gibt, noch nicht wie wie „Modernen“ vergessen.

    Hier in D, glaube ich, gibt es darüber hinaus eine Art Berührungsangst zwischen den Generationen.
    Die hat gute Gründe. Und ist die eigentliche Ursache, dass wir unsere Alten zu leicht in Heime schicken.

    Die jetzt über 65-Jährigen haben weitgehend Enttäuschungen mit ihren Kindern erlebt, oder sie verstehen sie einfach nicht mehr, weil „die Welt“ sprich die Arbeitsweisen in derWirtschaft und die Sprüche in den Medien sich derzeit zu schnell verändern. Viele können mit ihren Kindern nur noch ganz formal reden.

    Und die Generation der Kinder … der jetzt 45- 60 Jährigen…?
    Teils haben sie noch die Erziehungsmanie der 1960-70er erleben müssen, wo die Mütter alle möglichen Ratschläge aus Büchern an ihren Kleinen probierten, statt einfach hinzuschauen, was da für ein kleiner Mensch rumkrabbelt, was ihm liegt, zu ihm passt, und fürchten sich noch mit vierzig davor, dass die Mama ihnen beim Besuch in den Schrank kuckt, ob sie endlich gelernt haben, ordentlich einzuräumen –
    und teils haben sie das Gegenteil erlebt, Vernachlässigung und Unentschlossenheit mangels Weisung unter dem Etikett des „Antiautoritären“ und das Gefühl, selber mit 12 oder 14 schon erwachsener zu empfinden als ihre traumtänzerischen „Alten“.
    Um unter solchen Umständen die alten Eltern ins Haus aufzunehmen und zu pflegen, bräuchte man einen Mediator, der hilft, Kränkungen und Streitigkeiten zu ertragen, die sich dabei zwangsläufig ergeben. Früher ging man mit sowas zum Beichtvater. Heute aber gibts bloß Pschüchelogen, die sind von der Weisheit, v.a. im Umgang mit „dem Kreuz“, oft weiter entfernt als ihre eigenen Klienten, danke sehr!

  2. Fritz 13. Februar 2023 at 11:36Antworten

    Ja, über das Auswandern habe auch ich nachgedacht. Aber das hier ist mein Land. Da stehe ich drauf- und eines Tages liege ich drunter. In fremder Erde möchte ich nicht begraben werden. Und bis es so weit ist, tue ich was ich tun kann.

  3. Jürgen R. 12. Februar 2023 at 18:24Antworten

    Wenn man jung und gesund ist oder alt und gesund mit üppiger Pension kann man fast überall hinziehen. Es soll sogar Deutsche geben, die in Nordkorea leben. Fällt man aus diesem Raster heraus, wird es schwierig.

  4. Stefan 12. Februar 2023 at 16:02Antworten

    Ich war kürzlich in Namibia mit jemanden unterwegs der seit drei Jahrzehnten regelmäßig dort ist und kann den sehr lesenswerten Artikel inhaltlich bestätigen. Absolut authentisch. Herzlichen Dank dafür!

  5. Fritz Madersbacher 12. Februar 2023 at 11:17Antworten

    Interessanter Bericht …

  6. C. WT 12. Februar 2023 at 9:40Antworten

    Chaotisch und irrational ist schon vor Corona da und ist wie ein Virus, dass schwappt überall hin. Solange es Menschen gibt wird es immer wieder solche Situationen geben.

  7. Ing. Oliver Reichl 12. Februar 2023 at 8:32Antworten

    Toller Artikel! Gibt es eine Möglichkeit die Auswanderer direkt zu kontaktieren?
    Mit freundlichen Grüßen
    Oliver Reichl

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