Südafrika klagt neuerlich bei IGH um Völkermord in Gaza zu stoppen

19. Mai 2024von 5,1 Minuten Lesezeit

Südafrika hat im Laufe des Jahres bereits zwei Anordnungen des Internationalen Gerichtshofes der UNO in Den Haag erreicht, in denen Israel aufgefordert wird, alle Maßnahmen zu setzen um den Völkermord gegen die Palästinenser im Gaza Streifen zu stoppen. Doch offenbar hat Israel jetzt angesetzt die letzte noch verbliebene bewohnbare Zone in Rafah zu zerstören.

Am 16. und 17. Mai fanden deshalb öffentliche Hearings des Gerichts statt, wobei Vertreter von Südafrika und Israel ihre Argumente und Forderungen vorbrachten. In einer Presseerklärung fasste der Gerichtshof die Vorbringen von Südafrika und Israel zusammen.

Südafrika ersucht den IGH laut der Presseerklärung den Staat Israel als Vertragsstaat der Völkermordkonvention anzuweisen

„unverzüglich und zusätzlich zu seinen Verpflichtungen aus den früheren Anordnungen des Gerichtshofs vom 26. Januar 2024 und 28. März 2024 seine militärischen Operationen im Gazastreifen, einschließlich des Gouvernements Rafah, einzustellen und sich vom Rafah-Übergang zurückzuziehen sowie die israelische Armee unverzüglich, vollständig und bedingungslos aus dem gesamten Gazastreifen abzuziehen.“

Südafrika hat in seinem Vorbringen ausgeführt, dass Rafah das letzte Bevölkerungszentrum im Gazastreifen ist, das von Israel noch nicht wesentlich zerstört wurde, und daher die letzte Zuflucht für die Palästinenser im Gazastreifen darstellt.

Die Rechtsanwältin Adila Hassim erläuterte am 16. Mai die Klagspunkte vor dem Gericht:

Hier einige Auszüge aus dem schriftlichen Vorbringen von Südafrika:

7. Nicht nur, dass die 1,5 Millionen Vertriebenen und andere Menschen in Rafah nirgendwohin fliehen können – ein Großteil des Gazastreifens wurde in Schutt und Asche gelegt -, wenn Rafah in ähnlicher Weise zerstört wird, wird von Gaza und den Aussichten auf ein Überleben des palästinensischen Lebens in diesem Gebiet wenig übrig bleiben. In Rafah befinden sich die größten noch teilweise funktionierenden Krankenhäuser des Gazastreifens: Angriffe auf die Krankenhäuser in Rafah, wie sie von Israel gegen Krankenhäuser in anderen Teilen des Streifens durchgeführt wurden, würden daher dem bereits zusammengebrochenen Gesundheitssystem des Gazastreifens einen fatalen Schlag versetzen. Die beiden Grenzübergänge in Rafah, die Israel beschlagnahmt und derzeit geschlossen hat, sind die Hauptzugangsstellen für lebensrettende humanitäre Hilfe und andere Güter, die in den Gazastreifen gelangen, sowie für die Ein- und Ausreise von Menschen, darunter humanitäre Helfer, Mediziner, medizinische Evakuierte und Palästinenser, die vor dem Konflikt fliehen. Durch die Beschlagnahmung dieser Grenzübergänge durch Israel hat Israel die Kontrolle über den gesamten Zugang zum und vom Gazastreifen. Die derzeitige Schließung der Grenzübergänge hat dazu geführt, dass der Gazastreifen hermetisch von der Außenwelt abgeschottet wird, was die Lieferung von Hilfsgütern nach und innerhalb des Gazastreifens weiter behindert. Wenn Rafah als wichtigster Umschlagplatz für humanitäre Hilfe in Gaza fällt, dann fällt auch Gaza. Wie ein Sprecher des Hilfswerks der Vereinten Nationen (UNRWA) am 8. Mai 2024 in Rafah erklärte, „hängt die Bevölkerung [des Gazastreifens] an der Lebenserhaltung, und diese Lebenserhaltung versagt“. Wie dieser Antrag deutlich macht, sind dringende provisorische Maßnahmen erforderlich, um das Überleben der Palästinenser im Gazastreifen sicherzustellen.

9. Am 6. und 7. Mai 2024 begann Israel mit einem militärischen Einmarsch in Rafah, wo über eine Million vertriebene und verängstigte Palästinenser, darunter schätzungsweise 600.000 Palästinenser unter 18 Jahren, von denen viele behindert oder verwaist sind, unter schwerem und anhaltendem israelischen Militärangriff stehen und nirgendwo in Sicherheit sind. Der Einmarsch folgte auf eine zweiwöchige Intensivierung des israelischen Militärbombardements von Rafah, wohin Hunderttausende Palästinenser zuvor von Israel aufgefordert worden waren, zu ihrer Sicherheit zu evakuieren. Schätzungsweise 100.000 Palästinenser im Osten Rafahs, von denen viele bereits neunmal vertrieben worden waren, hatten weniger als 15 Stunden Zeit, um zu evakuieren. Viele waren einfach nicht in der Lage zu fliehen. Keiner hat einen sicheren Ort, an den er gehen kann. Der Gerichtshof wird aus Medienberichten über die extreme Brutalität und den wahllosen Charakter der israelischen Angriffe auf Gebiete in Rafah sowohl innerhalb als auch außerhalb der Evakuierungszone informiert sein. Auf Videos, die von israelischen Soldaten in den sozialen Medien veröffentlicht wurden, ist zu sehen, wie sie direkt auf Gebiete schießen, in denen die vertriebenen Palästinenser ihre Zelte aufgeschlagen haben.

10. Die Gefahr für die in Rafah verbliebenen Palästinenser ist besonders groß. Viele, darunter zahlreiche palästinensische Kinder, wurden bereits getötet oder verletzt. Kürzlich veröffentlichte Aussagen von israelischen Soldaten, die im Gazastreifen gedient haben, besagen, dass israelische Soldaten Evakuierungszonen als „Vernichtungszonen“ behandeln, in denen alle verbliebenen Palästinenser als legitime Ziele betrachtet werden. Israel stützt sich bei der Auswahl seiner Ziele und „Tötungslisten“ auch weitgehend auf künstliche Intelligenz.

11. Mit dem israelischen Angriff auf Rafah werden den Palästinensern vorsätzlich Lebensbedingungen auferlegt, die auf ihre physische Vernichtung abzielen. Das Al-Najjar-Krankenhaus – eine der letzten verbliebenen medizinischen Einrichtungen im gesamten Gouvernement Rafah und eines der größten noch teilweise funktionierenden Krankenhäuser in Gaza – ist nicht mehr funktionsfähig. Andere Krankenhäuser – darunter eines der letzten teilweise funktionierenden Entbindungskrankenhäuser im gesamten Gazastreifen, in dem bisher fast 50 Prozent der täglichen Geburten im Gazastreifen abgewickelt wurden – sind stark beeinträchtigt. Dies bedeutet eine Veränderung der Situation und einen Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt für das ohnehin schon zerrüttete Gesundheitssystem des Gazastreifens, das in den letzten sieben Monaten von Israel systematisch zerstört wurde und das „nicht in der Lage wäre, einen Anstieg der Opferzahlen und Todesfälle zu bewältigen, den ein Einmarsch in Rafah verursachen würde“.

Tasnim News Agency, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

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9 Kommentare

  1. Samuel Roesen 21. Mai 2024 at 22:00Antworten

    Das Problem dieser mit dem Geld der Arbeitenden finanzierten Karnevalstruppe ist, dass sie sich mit der Verurteilung Putins wegen der Entführung von Kindern, die heute nachweislich in Westeuropa leben, lächerlich gemacht haben. Wenn sie nun Nethanjahu ungeschoren davonkommen lassen, werden auch andere Staaten erkennen, dass dieser Verein nur Werkzeug der Interessen der US Hochfinanz ist. Eine Truppe die keine Anerkennung mehr hat, ist aber auch nichts mehr wert. Sie müssen daher einen Spagat schaffen. Dazu braucht es einen 2. Schurken, wie etwa den Hamas Chef. Man klagt dann alle 2 an und bewirkt in beiden Fällen ein extrem mildes Urteil. Nun, dann braucht man halt noch Milliarden Dumme, die diesen billigen Trick nicht gleich durchschauen.

  2. Gerhard Schreiber 19. Mai 2024 at 23:47Antworten

    Netanjain wird sicher bald Deutschland angreifen, müssen wir uns nicht dagegen schützen und kriegstüchtig werden?

  3. Jurgen 19. Mai 2024 at 19:39Antworten

    Südafrika plagt wahrscheinlich das Gewissen, dass sie den israelischen Zionisten die Atombombe mit entwickelten… 90 Stück sollen das sein…

  4. Everard 19. Mai 2024 at 19:20Antworten

    Faschisten bleiben Faschisten, egal welcher Religion und welcher nationalen Herkunft und auch egal was sie selber als Volk erlitten haben.
    u

  5. Andreas I. 19. Mai 2024 at 11:43Antworten

    Hallo,
    die einzigen, die etwas erwähnenswertes gegen diesen Völkermord tun, wenn auch bisher erfolglos, sind die Hezbollah und die Houtis.

  6. Pierre 19. Mai 2024 at 10:18Antworten

    Je offensichtlicher und größer das Verbrechen, desto eher kommen die Täter unbestraft davon.

    Es ist eine Schande für die Menschheit, was dort passiert. Die noch nicht gehirngewaschenen wissen das auch. Die völlig manipulierten westlichen Bevölkerungsgruppen wollen aber immer noch mehr Gewalt und mehr Waffen, weil die Medien das gutheißen und für die „gerechte Sache“ ist.

    Es ist niemals gerechtfertigt, Zehntausende Frauen und Kinder zu massakrieren. Das ist unmenschlich und barbarisch.

    Es hätte schon längst konkrete Maßnahmen der Weltgemeinschaft gegen Israel geben müssen. Sanktionen, Embargos, Boykotte, ggf. auch militärische Maßnahmen gegen die IDF.

  7. Jan 19. Mai 2024 at 9:48Antworten

    Alles, was dazu führt, dass Kids nicht verstümmelt, traumatisiert und getötet werden, ist begrüßenswert!

  8. Daisy 19. Mai 2024 at 8:11Antworten

    Na, wenn alles erledigt ist, dann hörns auf damit.

  9. Unglaublich 19. Mai 2024 at 8:04Antworten

    Europa mit seinem „We stand with Israel“ wird mit derselben Brutalität vernichtet werden

    Wer bekommt die Millionen österr. Steuergelder, die vor kurzem freigegeben und ans palästinensische Hilfswerk überwiesen wurden? Israel? USA?

    Bei den Menschen in Gaza kommen die großzügigen ö monetären Unterstützungen jedenfalls nicht an

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