
12 Fragen – Partei Liste GAZA antwortet
Die Liste Gaza hat als zweite Kleinpartei auf unsere Anfrage zu ihren Inhalten für die österreichischen Nationalratswahlen reagiert und ihre Antworten retourniert.
Der Name macht den Eindruck einer Ein-Themenpartei, die Antworten zeigen, dass man sich doch weitergehende Gedanken macht – auch wenn immer wieder der Bezug zum Konflikt in Gaza hergestellt wird. Die Fragen wurden von Irina Vana beantwortet.
1. Warum treten Sie als eigenständige Partei bei Nationalratswahl an?
Der Antritt der Liste GAZA ist eine Protest-Antwort auf die Unterstützung des Völkermordes an den Palästinenser:innen durch die etablierten Parteien Österreichs. Frieden, Demokratie, Gleichheit aller Menschen und soziale Gerechtigkeit sollten Grundwerte unserer Gesellschaft sein, die durch diese Politik gefährdet und mit Füßen getreten werden. Keine Partei hat sich bisher klar für einen sofortigen Waffenstillstand in Palästina ausgesprochen. Statt sich wie einst Kreisky auf die verfassungsmäßige Neutralität Österreichs als mögliches friedenspolitisches Instrument zu besinnen, hat diese Regierung dreimal gegen einen Waffenstillstand gestimmt und auf Zuruf der israelischen Armee die Hilfslieferungen an die UNWRA eingestellt. Damit ist sie mitverantwortlich für den Hungertod von Kindern, Frauen und Männern in Gaza. Und sie vertiefen sogar ihre militärische Zusammenarbeit mit Israel, etwa im Rahmen von „Sky-Shield“, wo israelische Waffensysteme gekauft werden.
Mit der Liste Gaza wollen wir jenen Menschen eine Stimme geben, die sich von diesen Kriegstreiber:innen nicht vertreten fühlen und sich dafür einsetzen, dass Österreich und die Europäische Union die politische, militärische und finanzielle Unterstützung des Massakers in Palästina und die Unterstützung des Apartheidregimes in Israel sofort beenden.
Wir treten auch an, um die demokratischen Grundrechte in Österreich zu verteidigen. Denn wir erleben am Beispiel Palästina die Einschränkung unserer Grundrechte und der Meinungsfreiheit, etwa wenn Demonstrationen quasi grundlos verboten werden und Aussagen wie „From the river tot he sea-Palestine will be free“ verboten werden, weil der Aussage bar jeder historischen Wahrheit eine terroristische, rassistische Absicht unterstellt wird, obwohl sie eine Perspektive auf Gleichberechtigung und Freiheit anspricht.
2. Wie steht Ihre Partei zur EU und zur WHO? Agieren diese Organisationen im Sinne der Bürger, besteht Reformbedarf bzw. sind sie überhaupt reformierbar, sodass Österreich sie besser verlassen sollte?
Seit mehr als einem Jahr rufen gewichtige Repräsentant:innen der EU, dass Europa noch stärker auf einen „Kriegswirtschaftsmodus“ umstellen müsse. In Wirklichkeit hat uns die EU bereits in Krieg hineingeführt. Europaweite Aufrüstung an der Seite der NATO und Sanktionen, als Kriegsmittel, statt Investitionen in Bildung, in Soziales, Investitionen im Sinne der Allgemeinheit, dafür steht die EU. Mit dieser Politik sichert die EU die Profite der Besitzenden, deren Zugewinne zeigen, wessen Interessen die Europäische Union vertritt. Und die Aufrüstungspolitik macht deutlich, dass die EU alles andere als ein Friedensprojekt ist.
Dieser Politik setzen wir die österreichische Neutralität entgegen: gegen die so genannte EU-Beistandspflicht, gegen die Beteiligung an den Kriegen, die, wenn es nach den etablierten Parteien geht, an der Seite der NATO, der USA und der EU durch Österreich geführt werden sollen.
3. Wie soll sich Österreich in den aktuellen Konflikten (Russland/Ukraine, Palästina/Israel) verhalten, wie kann es seine neutrale Rolle wieder sichtbarer machen?
Österreich sollte sich im Sinne der verfassungsmäßigen Neutralität, die von 80% der österreichischen Bevölkerung befürwortet wird, für einen sofortigen Waffenstillstand in Palästina einsetzen und sich für diplomatische Lösungen mit Russland einsetzen. Noch mehr Waffen bringen uns keinen Frieden. Der Einsatz für einen sofortigen Waffenstillstand ist die einzige humane und menschenrechtskonforme Position. Dass dies von den etablierten Parteien in Österreich nicht eingenommen wird, ist eine Schande.
Israel ist vor dem Menschenrechtsgerichtshof wegen Völkermord angeklagt, der israelische Ministerpräsident ist als Kriegsverbrecher angeklagt und es gibt auch einige europäische Staaten, die die Besatzung Palästinas durch die Anerkennung des Staates Palästinas angreifen. All das scheint an den österreichischen Politiker:innen spurlos vorbei zu gehen. Ein neutraler Staat sollte sich friedenspolitisch engagieren und die Augen öffnen, wenn Völkermord begangen wird.
4. Österreichs Wirtschaft hat in den letzten Jahren mit erheblichen Problemen zu kämpfen, worunter auch die Menschen leiden. Welche Maßnahmen planen Sie im Bereich Wirtschaft und Soziales?
Unterdrückung und Krieg haben immer globale Dimensionen und treffen die sozial Benachteiligten am härtesten. Wir wenden uns daher gegen Investitionen in Aufrüstung und Krieg und setzen uns für Investitionen in Bereiche ein, die allen zugute kommen und das soziale Miteinander in Österreich stärken: Bildung, Sozialstaat, ein stabiles Sicherheitsnetz gegen Armut.
5. Wie stellen Sie sich eine zukünftige Migrations- bzw. Asylpolitik vor?
Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, sei es aufgrund von Unterdrückung, Krieg, Hunger, Dürre, politischer Verfolgung oder aus wirtschaftlichen Gründen, sind oft gezwungen, ihr ganzes Leben, ihre Freund:innen und Familien hinter sich zu lassen. Oft sind sie, wie im Fall von Gaza, durch Gewalt, Unterdrückung und Mord traumatisiert und haben bereits in ihrer Heimat alles verloren. Asyl ist ein international verbrieftes Recht und Österreich muss alles daran setzen, dieses Recht menschenrechtskonform umzusetzen. Gleichzeitig ist es unsere Pflicht, dafür einzutreten, dass Menschen nicht gezwungen werden, ihre Heimat zu verlassen. Dies wird jedoch durch die Machtverhältnisse gegenüber dem globalen Süden und die Kriegspolitik der USA und der EU begünstigt. Der Kolonialismus unserer Länder ist mitverantwortlich dafür, dass Menschen in anderen Ländern keine Lebensperspektive haben. Das wollen wir ändern.
6. Das Schulwesen steht nicht erst seit Corona unter Druck. Die Digitalisierung hält Einzug in die Schulen, Schüler und Lehrer zeigen sich überfordert. Wird Ihre Partei im Bildungswesen Reformen durchführen?
Wir wünschen uns ein Schulsystem, in dem alle Schüler:innen die Möglichkeit haben, sich gleichermaßen zu entfalten und zu lernen. Dazu gehört eine offene Diskussionskultur. Wir erleben jedoch, dass vor allem Schüler:innen mit Migrationserfahrung in der Schule oft mit Vorurteilen begegnet wird. Dass sie Angst haben, über bestimmte Themen und Erfahrungen zu sprechen. Das zeigt sich in letzter Zeit auch im Umgang mit dem Thema Palästina. Die unkritische Haltung von Politik und Medien gegenüber Israel wurde in vielen Schulen einfach reproduziert und andere Perspektiven als „antisemitisch“ gebrandmarkt, anstatt zu reflektieren, wie diese Meinungspolitik Rassismen konstruiert. Selbst nachgewiesene Kriegspropaganda Israels wurde teilweise im Unterricht übernommen. Unsere Kinder können viel voneinander und miteinander lernen. Dazu brauchen wir aber ein angstfreies Lernumfeld für alle und die Förderung einer demokratischen und offenen Diskussion.
7. Nehmen die öffentlich-rechtlichen Medien ihre Aufgaben wahr oder besteht aus Ihrer Sicht hier Handlungsbedarf insbesondere in Anbetracht der zwangsweisen Haushaltsabgabe?
Der ORF ist beim Thema Palästina ein Paradebeispiel für Desinformation. Er übt nicht einmal Selbstzensur, sondern übernimmt unkritisch die Kriegspropagandalügen Israels. Wenn Flüchtlingslager in Gaza brennen, nachdem Israel sie bombardiert hat, schreibt der ORF, die Hamas sei dafür verantwortlich. Wenn Menschen, die in Gaza bei der Ausgabe von Hilfsgütern anstehen, von der israelischen Besatzungsarmee erschossen werden, schreibt der ORF, dass bewaffnete Palästinenser:innen eine Massenpanik ausgelöst hätten. Diese Propaganda ist unerträglich.
8. Wie stehen Sie zu den Corona-Maßnahmen (Lockdown, Masken, Impfpflicht) und deren Aufarbeitung?
Die Art und Weise, wie während Corona mit Angst und Diffamierung gearbeitet wurde, hat sicherlich einen Nährboden für undemokratisches Verhalten gegenüber verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen geschaffen. Dagegen werden wir uns weiterhin wehren.
9. Welche Rolle spielen für Sie Klimawandel und CO2-Belastung bzw. Umweltschutz?
Friedenspolitik ist auch konkrete Umweltpolitik. Israel hat in den ersten zwei Monaten seines Angriffs auf Gaza so viel Co2 in die Luft geblasen wie 20 Staaten in einem Jahr. Besonders belastet ist auch das Wasser in Gaza, das seit Jahren nicht mehr trinkbar ist. In den besetzten Gebieten kommt hinzu, dass der Zugang zu Trinkwasser für Palästinenser:innen eingeschränkt ist. Der Wassermangel dort ist kein ökologisches Problem, sondern ein Produkt der Besatzung und eines ungerechten Verteilungssystems der natürlichen Ressourcen, die allen zustehen sollten. Wir setzen uns für eine intakte Umwelt und den gleichberechtigten Zugang zu den natürlichen Ressourcen als Lebensgrundlage für alle Menschen ein.
10. Wie positionieren Sie sich zur LGBTQ+-Bewegung?
Wir begrüßen die antikolonialen Kräfte, die im Kontext der LGBTQ+ Bewegung aktiv sind, und die Zusammenarbeit mit ihnen.
11. Viele Bürger haben in den vergangenen Jahren das Vertrauen in unsere Demokratie verloren. Welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht notwendig, um Demokratie & Rechtsstaat zu stärken?
Wenn die etablierten Parteien, nur wenig Nuancen bei zentralen Themen, wie Palästina, Frieden mit Russland oder auch zur Diskussion während Corona zulassen und vom Mainstream abweichende Positionen als „antisemitisch“ – wie im Falle Palästinas, oder „putinfreundlich“, „faschistoid“ oder „rechts“ verunglimpft werden; wenn eine Vielzahl der Österreicher:innen, die hier seit Jahren ihren Lebensmittelpunkt haben, aufgrund ihrer Herkunft nicht wählen können; wenn seit Jahren eine Politik für die Reichsten der Gesellschaft gemacht wird, während jene, die etwa durch die Sanktionen und die Kriegswirtschaft der EU, immer höhere Lebensunterhaltskosten bei gleichbleibend geringen Löhnen bestreiten müssen, an den Rand der Armut gedrängt werden, ist es nicht verwunderlich, dass sich viele von diesen Parteien und diesem politischen System nicht vertreten fühlen. Demokratisch wählen zu können muss bedeuten, tatsächlich eine Wahl zu haben und nicht zwischen der immer gleichen Politik in Türkis, Babyblau oder Rosa wählen zu müssen.
12. Welches Thema, das hier nicht angesprochen wurde, liegt Ihnen noch am Herzen?
k.a.
Hier findet man die Unterstützungserklärung der Liste Gaza
Bekannt ist dass Netanjahu den Anschlag der Hamas genutzt hat, um Israel von Gaza zu befreien.
Er wusste vom geplanten Anschlag Bescheid, hat ihn provoziert (Morde an Hunderten Palästinensern durch Siedler oder Sicherheitskräfte, wurden juristisch nicht verfolgt).
Heute weiß man auch dass während des Überfalls durch die Hamas Israels Sicherheitskräfte die eigenen Zivilisten mit Hubschraubermunition getötet haben (Zeugin:“die schossen auf Alles, auch auf Flüchtende“) .
Journalisten vergleichen die israelische Armee mit der Himmlers. Denn es werden wahllos Zivilisten hingerichtet, Hauptsache möglichst viele. Sogar Kinder werden an die Wand gestellt.
Ich denke aber dass Netanjahu sein Land damit langfristig zerstört. Er hält auch die USA für zu stark, deren Politik er mit Hilfe von reichen Oligarchen im Griff hat.
Aber besonders zum schämen sind Diplomaten, die popularistisch mit versammelter Presse KZ’s besuchen, um den armen Opfern zu gedenken. Aber im Anblick dieses Völkermordes ihre Pappn nicht aufbekommen.
Vorbilder sehen anders aus.
nicht, dass mich das, was sich in israel/palästina abspielt, kalt lassen würde, aber es ist nun nicht gerade mein thema nr.1 (oder 2 oder 3).
bei frage 2 geht mir eine antwort auf die teilfrage zur WHO ab und frage 8 ist in meinen augen sehr ausweichend beantwortet (weil gar nicht mal klar ist, welche seite hier für angst und diffamierung verantwortlich gemacht wird).
In diesem Jahr gab es eine internationale Konferenz mit 50 Ländern des Globalen Südens in Moskau, auf der sehr deutlich gesagt wurde, dass gerade diese „LGBTQ+-Bewegung“ eine der neokolonialen Maschen des Westens darstellt – neben Klimagedöns übrigens. Es liefert Woke Vorwände, in weitgehend konservativen Ländern hinein zu regieren. Damit muss man sich aber als westliche Linkende:innen nicht belasten, wenn man mit dem Nachplappern der „Zeitgeist“-Parolen und minimalem Opposition-Vorgaukeln sich im Wettlauf zu den Steuergelder-Trögen befindet. Es werden sicherlich einige AUT-Michels mit ÖRR-Interface im Kopf auf so etwas reinfallen.
@Hasdrubal
16. Juli 2024 at 10:59
„Es liefert … Vorwände, in weitgehend konservativen Ländern hinein zu regieren“ (meine Ergänzung: Länder, Völker, Gesellschaften mit anderen kulturellen Traditionen)
Vielleicht gibt das ja zu denken …
Damit sei „Ökozid“ der „Kriegstreiber:innen“ noch schlimmer als Genozid in Gaza? Noch so eine verwirrte Grün:innen-Bewegung, die etliche Narrative (strikt gegendert!) nachplappert und „echten Ökosozialismus“ anstrebt ähnlich, wie ich im Ostblock ständig hören musste, dass nach diversen Irrwegen jetzt aber der „richtige“ Sozialismus kommt. Je schneller solche Murks-Partei, welche sich als nützliche I… Klimapaniker für westliche Oligarchen betätigt, in Versenkung verschwindet, desto besser.
Die Frage war: „Welche Rolle spielen für Sie Klimawandel und CO2-Belastung bzw. Umweltschutz?“ und nicht, ob der Ökozid noch schlimmer sei als der Genozid.
Für mich geht aus der Beantwortung der Frage nicht unbedingt hervor, ob diese Partei vom „menschengemachten Klimawandel durch CO2-Austoß“ ausgeht. Für mich ist die Antwort, dass Israel in den ersten zwei Monaten seines Angriffs auf Gaza so viel CO2 in die Luft geblasen hat wie 20 Staaten in einem Jahr, der berechtigte Vorwurf, dass stets von Klimaschutz und CO2-Einsparung die Rede ist, aber bei Kriegen diese „CO2-Austoß-Bedrohung“ plötzlich keine Rolle mehr spielen soll.
Viel guter Wille, sogar bezüglich der „Corona-Zeit“ ist ein leichtes Umdenken, eine Abkehr von früheren Verhärtungen erkennbar – aufgrund der eigenen Erfahrungen mit Palästina, Ukraine, Neutralität. Langsam geraten die durch viel Indoktrination in der Tiefe verborgenen grundlegenden Zusammenhänge an die Oberfläche. Das ist gefährlich für die herrschende Klasse …
Österreicher mögen Neutralität befürworten, aber sie haben auch einen Hang zu Koksnasen, die sie hintergehen. Die Liebe zu letzteren ist größer als die Liebe zur Neutralität.