Fünf unbequeme Fragen für den Iran nach dem Hubschrauberabsturz

21. Mai 2024von 3,5 Minuten Lesezeit

Der Absturz wirft einige ernste Fragen auf, die von den iranischen Behörden im Laufe der Ermittlungen oder zumindest von ihren Medienvertretern bei anstehenden Presseauftritten angesprochen werden sollten.

Der Hubschrauberabsturz vom Sonntag, bei dem der iranische Präsident, der Außenminister, zwei weitere hochrangige Persönlichkeiten und die Besatzung ums Leben kamen, ist von Anfang an Gegenstand von allen möglichen Theorien. Einige unterstellen sogar Aserbaidschan eine Mitschuld, das ist de facto auszuschließen, wie ich hier erklärt habe. Unabhängig davon, was die eingeleitete Untersuchung letztlich als Ursache feststellt, müssen dem Iran noch fünf unangenehme Fragen gestellt werden.

  1. Warum befanden sich zwei VIPs im selben Hubschrauber?

Die üblichen Sicherheitsvorkehrungen sehen vor, dass VIPs im Falle von Unfällen oder Attentatsversuchen getrennt reisen, doch der Iran ließ zu, dass sein Präsident und sein Außenminister im selben Hubschrauber abflogen. Dies ist umso überraschender, da mehrere seiner militärischen VIPs kürzlich ermordet wurden, nachdem Israel das iranische Konsulat in Damaskus bombardiert hatte. Man hätte denken können, dass der Iran danach kein Risiko mehr eingehen würde. Aber dem war nicht so, wie wir jetzt wissen.

  1. Warum reisten die VIPs in Hubschraubern aus amerikanischer Produktion?

Jeder weiß, dass sich die westlichen Sanktionen negativ auf die iranische Wirtschaft ausgewirkt haben, aber nur wenige hätten gedacht, dass der Iran Berichten zufolge immer noch auf jahrzehntealte Hubschrauber aus US-amerikanischer Produktion für den Transport seiner VIPs zurückgreift. Nach Angaben des stellvertretenden Verteidigungsministers hat der Iran bereits im vergangenen Winter ein Geschäft über Kampfhubschrauber und sogar Kampfjets aus russischer Produktion abgeschlossen. Es ist daher unklar, warum das Land nicht reguläre russische Hubschrauber gekauft hat, sei es zu diesem Zeitpunkt oder einige Zeit zuvor, und sich stattdessen immer noch auf diese alten US-Hubschrauber verlässt.

  1. Warum gab es kein Signal von der Absturzstelle?

Der damalige iranische Vizepräsident behauptete, dass mit einem der Passagiere Kontakt aufgenommen wurde, doch aus irgendeinem Grund konnten die Behörden die Absturzstelle danach nicht mehr lokalisieren. Es könnte sich also nur um eine „Notlüge“ gehandelt haben, um die damalige öffentliche Wahrnehmung zu steuern. Auf jeden Fall ist es auch interessant, dass der türkische Verkehrsminister erklärte, sein Land habe bei der Suche kein Transpondersignal finden können, was seiner Vermutung nach entweder ausgeschaltet war oder der alte Hubschrauber einfach keins mehr hatte.

  1. Warum hat der Iran die Türkei überhaupt um Hilfe gebeten?

Auf der Grundlage der obigen Ausführungen bat der Iran die Türkei um Unterstützung bei der Suche nach dem abgestürzten Hubschrauber, insbesondere um ein mit Nachtsichtgeräten ausgestattetes Flugzeug. Das war eine weise Entscheidung, denn schließlich war es eine türkische Drohne, die die Absturzstelle lokalisierte, was jedoch die Frage aufwirft, warum der Iran überhaupt die Hilfe dieses Landes benötigte. Offenbar verfügt der Iran nicht über Flugzeuge mit Nachtsichtgeräten, einschließlich Drohnen, und zwar in vollem Umfang. Wenn das der Fall ist, dann ist dies ein ernsthafter militärtechnischer Mangel, der dringend behoben werden muss.

  1. Warum dauerte es so lange, bis die Absturzstelle erreicht war?

Der Hubschrauber stürzte Berichten zufolge am Sonntag gegen 13.30 Uhr Ortszeit ab, aber die Rettungskräfte trafen erst rund 12 Stunden später, in den frühen Morgenstunden des Montags, an der Absturzstelle ein. Es herrschte dichter Nebel, und die Gegend ist sehr gebirgig und bewaldet, aber das zeigt nur, dass die Behörden auch in Notfällen nicht überall im Land schnell vor Ort sein können. Es ist jetzt viel leichter zu verstehen, warum verschiedene Terrorgruppen weiterhin im Iran operieren können.

Bild „File:Ebrahim Raisi presidential campaign rally in Tehran, 29 April 2017 18.jpg“ by Mahmoud Hosseini is licensed under CC BY 4.0.

Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten spiegeln nicht unbedingt die Ansichten der fixen Autoren von TKP wieder. Rechte und inhaltliche Verantwortung liegen beim Autor.

Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer politischer Analyst, der sich auf den globalen systemischen Übergang zur Multipolarität spezialisiert hat. Er veröffentlicht auf Englisch auf seinem Substack-Blog. Auf Deutsch exklusiv bei TKP.


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12 Kommentare

  1. BoniBonus 23. Mai 2024 at 4:07Antworten

    Er war ja nicht das Oberhaupt, sondern nur der Kampfdackel.
    Fragen über Fragen, die man bestimmt nicht von außen beantworten kann

  2. Henning 22. Mai 2024 at 16:23Antworten

    Vielleicht sind alte US-amerikanische Hubschrauber immer noch die bessere Wahl als moderne US-amerikanische Hubschrauber. Wir erinnern uns an die beiden von deutschen Schiffen abgefeuerten Raketen moderner US-amerikanischer Bauart, die beim Versuch, eine US-amerikanische Drohne zu eliminieren, schlicht ins Wasser geplumpst sind. Ich denke, die Möglichkeiten zur äh Fernwartung sind in neueren Geräten stärker ausgebaut.

  3. Andreas I. 22. Mai 2024 at 6:23Antworten

    Hallo,
    wenn Iran keine Flugzeuge oder Drohnen mit Nachtsichtausrüstung hat und das zeigt, wie viel Nachholbedarf das iranische Militär hat, dann beantworten sich die zwei Fragen, warum die mit so alten Hubschraubern fliegen und warum zwei Regierungsmitglieder in einem, von selbst.
    Nämlich weil Iran erst dann neue Hubschrauber für die Regierungsmitglieder kaufen würde / könnte, wenn die Landesverteidigung gesichert ist.
    Und egal ob sich Iran nur bedroht fühlt oder tatsächlich bedroht ist, aus iranischer Sicht müsste das iranische Militär einem Angriff der USA (mit Proxy Israel) standhalten können. Beim letzten Angriff von USA/Israel ist zwar vergleichsweise wenig passiert, aber Israel hatte eine weiterentwickelte Luft-Boden-Rakete eingesetzt und Berichten zufolge wurde eine Komponente eines S-300 (Luftabwehrsystem russischer Produktion)= zerstört. Also hat Iran dringendere Probleme zu lösen als die Hubschrauber für die Regierungsmitglieder oder bisher, so lange die alten Hubschrauber noch irgendwie funktionierten, die zumindest nicht auf die Aufgabenliste gesetzt. Zumal da auch noch irgendwas mit „Sanktionen“ war …

  4. Johannes Schumann 21. Mai 2024 at 22:52Antworten

    Und an wen sind diese Warum-Fragen adressiert? Welche Antwort wird denn vom Autoren erwartet? Menschen sind nicht perfekt, machen deshalb Fehler. Es kein Grund, bei jeder Geschichte zu raunen.

  5. Samuel Roesen 21. Mai 2024 at 21:38Antworten

    Ja, warum nahmen sie US Hubschrauber, wo doch jeder Insider weiß dass US Produkte gerne eine elektronische Tür zum CIA haben? Normalerweise steigt auch so eine Deligation in den sichersten der 3 Hubschrauber. Aber nur diese Eine stürzte ab. Vermutlich hat man im Vorfeld dafür gesorgt, dass nur US Hubschrauber zur Verfügung standen. Vielleicht hat man der Deligation auch zu verstehen gegeben, dass nur der eine Hubschrauber sehr sicher ist, um ihn dann mit einem elektrischen Code vom Himmel zu holen. Für mich ist es sehr wahrscheinlich, dass die USA vermutlich mit Israels Unterstützung dahinterstecken, denn die Art des Hergangs beinhaltet viel zu viele Ungereimtheiten.

  6. Fritz Madersbacher 21. Mai 2024 at 20:49Antworten

    „World leaders have been offering their condolences to Iran after the country’s president, Ebrahim Raisi, was announced dead on Monday following a helicopter crash.
    Turkish President Recep Tayyip Erdogan said Turkey stood by Iran at this difficult time. “As a colleague who personally witnessed his efforts for the peace of the Iranian people and our region during his time in power, I remember Mr Raisi with respect and gratitude,” said Erdogan.
    The Russian news agency Tass reported that Russia’s president, Vladimir Putin, had sent a message offering its “deepest condolences in connection with the enormous tragedy that befell the people of the Islamic Republic of Iran – the plane crash that claimed the life of president Ebrahim Raisi, as well as the lives of a number of other prominent statesmen of your country.”
    Adding his voice the European Council president, Charles Michel, said this morning that “the EU expresses its sincere condolences for the death of President Ebrahim Raisi and Foreign Minister Hossein Amir-Abdollahian, as well as other members of their delegation and crew in a helicopter accident.”
    Mohammed bin Zayed Al Nahyan, president of the United Arab Emirates, said his country stood in solidarity with Iran at this “difficult time”, and extended condolences to the Iranian government and the people of Iran.
    Malaysian Prime Minister Anwar Ibrahim in a post on X: “I am deeply saddened by the tragic deaths of President Ebrahim Raisi, Foreign Minister Hossein Amir-Abdollahian and several other officials of the Islamic Republic of Iran.“ Ibrahim went on to add that the Iranian president “exemplified a deep commitment to the welfare of his people and the dignity of his nation, which represents a proud and rich civilisation rooted in the principles of Islam.“
    Lebanon, which has close ties with Iran, announced three days of national mourning for Iran’s president.
    Armenian Prime Minister Nikol Pashinyan, a close ally of Iran, said: „I am shocked by the death of the president of the Islamic Republic of Iran and his accompanying staff as a result of the helicopter crash.“
    Amongst Iran’s non-state allies, Mohammed Ali al-Houthi, the head of Yemen’s Houthi revolutionary committee, said on X: “Our deepest condolences to the Iranian people, the Iranian leadership, and the families of President Raisi. We ask God to grant their families patience and solace. Verily we belong to Allah and to Him we shall return. The Iranian people will remain adhering to the loyal leaders of their people, by God’s will.”
    Hamas, the Palestinian group fighting Israel in Gaza, also issued a statement thanking Raisi and Amir-Abdollahian for their support in its ongoing war that broke out on 7 October. Hamas said of the deceased Iranian leaders that they “supported the legitimate struggle of our people against the Zionist entity, provided valued support to the Palestinian resistance, and made tireless efforts in solidarity and support in all forums and fields for our people in the steadfast Gaza Strip. They also made significant political and diplomatic efforts to stop the Zionist aggression against our Palestinian people.”

    While the president of the European Council offered “sincere condolences” to Iran on the death of Raisi, by contrast Dutch far-right, anti-Islam, politician leader Geert Wilders posted on social media this morning that “I hope Iran will soon become a secular state again, with freedom for the Iranian people, and without an oppressive and barbaric Islamic mullah regime.”

    Reuters reported that an Israeli official has told the news agency it was not involved in the helicopter crash. “It wasn’t us,” said the official, who requested anonymity. There has been no official Israeli reaction to his death. The former Israeli foreign minister, Avigdor Liberman, said: “For us it does not matter, it won’t affect Israel’s attitude [to Iran]. Iran’s policies are set by the supreme leader [Ayatollah Ali Khamenei],” he told the Ynet news site. “However, there was no doubt that the president was a brutal man. We won’t shed a tear.”

    („Middle East Eye“, 20 May 2024)

  7. Fritz Madersbacher 21. Mai 2024 at 20:26Antworten

    „Some Republicans in Congress are celebrating the death of Iranian President Ebrahim Raisi, who was killed in a helicopter crash along with Foreign Minister Hossein Amirabdollahian and seven others in Iran’s mountainous East Azerbaijan province.
    When the news first broke that Raisi was missing, Sen. Rick Scott (R-FL) wrote on X: “If Raisi is dead, the world is now a safer & better place. That evil man was a tyrant & terrorist. He was not loved or respected & he will be missed by no one. If he’s gone, I truly hope the Iranian people have the chance to take their country back from murderous dictators.”
    („Antiwar.com“, May 20, 2024)

    • Andreas I. 22. Mai 2024 at 6:45Antworten

      Hallo,
      dieser Senator Rick Scott hat ja durchaus Recht in einem Punkt, nämlich:
      “ … the Iranian people have the chance to take their country back from murderous dictators.”
      Der letzte iranische Regent, der USA gefallen hatte, war Mohammad Reza Pahlavi und der wurde vom iranischen Volk auf beeindruckende Weise „abgewählt“. :-)

  8. federkiel 21. Mai 2024 at 13:46Antworten

    Einige Antworten:
    Vielleicht haben 40 Jahre alte Helikopter keinen Transponder, wie auch sonst die militärische Ausstattung schlecht ist, vielleicht gar wegen der Sanktionen?
    Wenn ein Hubschrauber in unwegsamen Gelände bei Nebel abstürzt, und man nicht so exakt weiß, wo, dann dauert die Suche bei den selben Bedinungen eben seine Zeit.
    Und man muß jetzt gar nicht erst anfangen, zu munkeln, daß da jemand seine Hände im Spiel hat.
    Raisi, der Bluthund, verantwortlich für Massaker, der sich selbst als Nachfahre des Propheten Mohammend sah, daran ist sein Größenwahn erkennbar, sich etwa gar für „göttlich“ hielt, jedenfalls aber sich irdischer Allmacht bediente, sich als wahrer Freund Russlands erwiesen hat, so Putin, hat jetzt die Zentrifugalkraft zu spüren bekommen. Es ist ein Bild für den Zustand im Iran.
    Es ist nicht schad um ihn.

  9. Ralf Bauer 21. Mai 2024 at 12:44Antworten

    Das einzige was im Iran behoben werden muss ist die Absetzung des Regimes!Der Artikel hört sich an als ob Sie ein Fan des Iran wären.
    Und warum schliessen sie Aserb. aus?Aserb. will einen Teil Irans(so könnte auch dss „Türkische Reich“ verbunden werden) und arbeitet bekanntlich mit Israel zusammen,hört sich nicht gerade nach einem Freund Irans an.Nicht zu vergessen das der Iran gedroht hat einzugreifen falls Aserb. Armenien angreifen und die Grenzen verändern will(wieder gehts um das „Türkische Reich“nur diesmal wäre die Verbindung auf Armeniens kosten).Na,immer noch so klar?

  10. Eispickel 21. Mai 2024 at 11:52Antworten

    Was aus profaner Sicht (grobe) Fahrlässigkeit gewesen ist, könnte natürlich nicht zuletzt daran gelegen haben, dass sich die Verstorbenen im Glauben gewähnt haben, Allah würde seine schützende Hand über sie halten.

    Insoweit das nun gerade nicht passiert ist, würde ich ein „spirituelles“ Erdbeben im Iran nicht ausschließen wollen.

  11. suedtiroler 21. Mai 2024 at 11:02Antworten

    Warum bei so schlechten Bedingungen fliegen?

    aber trauern wir diesen Verbrechern nicht nach, manchmal erwischt es eben doch die Richtigen.

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