
„Betrugsbekämpfungsgesetz 2025“ – ein Raubzug in die Taschen der Bürger?
Der österreichischen Regierung fehlen in vielen Bereichen die Mittel zur Budgetsanierung . Das ist nicht mehr bloß ein offenes Geheimnis, sondern eine allgemein bekannte Tatsache.
Um Ihnen zu zeigen, zu welch abenteuerlich-dreisten Geldbeschaffungsaktionen jetzt gegriffen wird, nehme ich Sie mit auf einen kurzen Ausflug ins Insolvenzrecht.
In den am 01.01.2026 in Kraft tretenden, angeblich einer Bekämpfung des Betruges von Bürgern am Staat dienenden Gesetzen
- BBKG 2025-Teil Steuern und
- BBKG 2025 Teil Sozialabgaben
finden sich – siehe da – plötzlich Bestimmungen, die offenkundig weniger mit der Verhinderung von Betrug am Staat zu tun haben, sondern eher nach einem Angriff des Staates auf die Bürger aussehen.
Kkonkret handelt es sich um
- Art. 5 BBKG Steuern, der eine Änderung der Bundesabgabenordnung (BAO) beinhaltet, sowie
- Art. I Z 4 BKG Sozialabgaben, der eine Änderung des § 65 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) enthält.
Die genannten Bestimmungen führen dazu, dass der Staat bzw. die Sozialversicherungsträger in einem Insolvenzverfahren klar gegenüber den anderen Gläubigern des Gemeinschuldners (also etwa den Lieferanten des in Konkurs geratenen Unternehmers) privilegiert werden.
Zum besseren Verständnis dieses Effekts seien hier zunächst einige Grundregeln des Insolvenzrechts kurz skizziert.
Ausgangspunkt ist der Gedanke, dass
- dann, wenn die finanziellen Mittel eines Schuldners nicht mehr zur zeitgerechten Bezahlung aller seiner Schulden ausreichen, die Möglichkeit besteht, dass der Schuldner einzelnen seiner Gläubiger jeweils deren Forderung zur Gänze bezahlt, und die übrigen Gläubiger leer ausgehen,
- aber eine solche privilegierte Zahlung Einzelner als nicht wünschenswert angesehen wird.
Aus diesem Grund ist bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ein gerichtliches Insolvenzverfahren einzuleiten, in dessen Zuge alle vorhandenen Mittel des Schuldners (der jetzt „Gemeinschuldner“ heißt) eingefroren werden; die durch diese Mittel gebildete „Masse“ wird auf alle Gläubiger entsprechend dem Verhältnis ihrer Forderungen aufgeteilt.
Um zu verhindern, dass ein Schuldner bei Erkennbarwerden einer bevorstehenden Zahlungsunfähigkeit (oder auch nach deren Eintritt) einzelne Gläubiger voll bezahlt und damit die Masse schmälert, aus der die anteilsmäßige Bezahlung aller Gläubiger erfolgen soll, enthält die Insolvenzordnung (IO) Anfechtungsinstrumente.
Hat der Schuldner entgegen den gesetzlichen Regeln einen einzelnen Gläubiger bezahlt und damit die Verteilungsmasse für die anderen Gläubiger geschmälert, so kann der gerichtlich bestellte Masseverwalter (der die Gesamtheit der Gläubiger repräsentiert) die Rückzahlung dieses des Geldes durch den Einzelgläubiger an die Masse verlangen).
Konkret sind hier die folgenden Anfechtungsmöglichkeiten von Bedeutung (vereinfachte Darstellung):
Nach § 30 (1) Z1 und 3 IO anfechtbar ist eine nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder in den letzten 60 Tagen davor erfolgte Zahlung an einen Einzelgläubiger,
- wenn der betreffende Gläubiger die Bezahlung zu diesem Zeitpunkt nicht hätte verlangen können (wenn etwa der Schuldner eine noch nicht fällige Forderung bezahlt hat) und den Gläubiger dadurch gegenüber den anderen Gläubigern begünstigt worden ist, oder
- wenn dem betreffenden Gläubiger die Absicht des Schuldners, ihn, den betreffenden Gläubiger, zu begünstigen, bekannt war oder bekannt sein musste.
(Man spricht hier von „Anfechtung wegen Begünstigung“.)
Nach § 31 (1) Z 2 und 3 IO anfechtbar sind unter anderem Zahlungen, bei denen dem Zahlungsempfänger (dem begünstigten Gläubiger) die Zahlungsunfähigkeit respektive der Insolvenz-Eröffnungsantrag des Schuldners bekannt war oder bekannt sein musste.
(Man spricht hier von „Anfechtung wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit“.)
Diese Anfechtungsinstrumente waren bisher auch gegen den Staat bzw. die Sozialversicherungsträger anwendbar:
Wenn der Schuldner z. B. nach Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit eine Steuerzahlung an die Abgabenbehörde geleistet hatte, und der Abgabenbehörde diese Zahlungsunfähigkeit bekannt war, dann konnte diese Steuerzahlung bisher genauso angefochten werden wie eine Zahlung an einen Lieferanten.
Durch die eingangs genannten „Betrugsbekämpfungsgesetze“ ist das Anfechtungsrecht der Insolvenzordnung erheblich im Sinne einer Privilegierung des Staates und der Sozialversicherungsträger abgeändert worden:
Durch Art. 5 des BBKG 2025 Teil Steuern ist in die Bundesabgabenordnung ein neuer § 211a BAO eingefügt worden, der die insolvenzrechtliche Anfechtung bestimmter Steuerzahlungen (namentlich der Entrichtung der Umsatzsteuer) ausschließt. Das sei hier an einem einfachen Beispiel erläutert:
Wenn der Steuerschuldner
- im August zahlungsunfähig wird und
- im September Umsatzsteuer abführt,
wobei die Abgabenbehörde bei Entgegennahme des Steuerbetrages die Zahlungsunfähigkeit kennt, dann ist eine Anfechtung der Steuerzahlung nach dem neuen Gesetz nicht möglich, obwohl die Voraussetzungen des § 31 IO für die Anfechtung wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit vorliegen.
Damit aber erlaubt die neue Regelung dem Staat, zu seinen Gunsten die an die Gläubiger zu verteilende Masse zu schmälern, was eine klare Bevorzugung des Staates gegenüber den Bürgern darstellt.
Analog stellt sich das Problem bei den Sozialversicherungsträgern dar:
Mittels Art. I Z 4 BBKG 2025 Teil Sozialabgaben hat der Gesetzgeber in das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) eine Bestimmung (§65 (3) ASVG) eingefügt, durch die eine insolvenzrechtliche Anfechtung der Entrichtung von Beiträgen ausgeschlossen wird. So wie im oben behandelten Fall von Steuerzahlungen erfolgt auch hier eine klare Begünstigung – diesfalls der Sozialversicherungsträger, die ebenso dem staatlichen Bereich zuzuordnen sind.
Betrachtet man die neuen Regelungen in einer Reihe mit anderen verzweifelt-absurden Maßnahmen zur Budgetsanierung (etwa der Streichung der Weihnachtsprämie für Polizisten), dann wird erkennbar, dass der Regierung offensichtlich bereits das letzte Loch fehlt, aus dem sie noch pfeifen könnte!
Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten spiegeln nicht unbedingt die Ansichten der fixen Autoren von TKP wider. Rechte und inhaltliche Verantwortung liegen beim Autor.
Dr. Mag. Georg Prchlik ist Rechtsanwalt und Volkswirt mit eigener Kanzlei in 1090 Wien.
Neben den gängigen Rechtsgebieten ist Dr. Mag. Georg Prchlik auf Markenrecht, Urheberrecht, Medizinrecht und Amtshaftungsrecht spezialisiert. www.rechtsanwalt-prchlik.at
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Neue Ukraine-Kredite: Österreichs Kriegsbeteiligung
Die gesamte ASVG Gesetzgebung ist als Versorgungsgesetz definiert:
Versorgt wird solange wenn überhaupt was da ist, daß in eventu verteilt werden könnte…
Die staatliche Gesetzgebungsorganisation inkl. Verwaltung ist übrigens qua def. dem Leistungsrecht selbstunterworfen, was konkludent heißt, daß staatliche Organisation vorrang hat, völlig gleichgültig ob überhaupt irgendwas da ist oder nicht…
Kelsen hatte offensichtlich recht in seiner Ausführug, daß das Recht eine Illusion sei.
Dabei zeigt sich auch, daß der Staat selbst als formales Konstrukt im Hirn des Subjekts die materialisierteste Illusion im logischen Zirkelschlussgefängnis von sprachlicher Verhaftetheit darstellt…
Fazit:
Der Mensch hat ein Gewaltproblem, nicht bloß ein sprachliches…
Darf man daraus schließen, dass Schwarz-Rot noch viele Insolvenzen erwarten?