
Taiwan ist Teil von China
Auch in Taiwan hat man erkannt, wo die Zukunft liegt, und wird sich sicher nicht als neuen Stellvertreterkriegsschauplatz zur Verfügung stellen.
Als ich vor einigen Monaten auf Twitter erzählte, dass die taiwanesische Frau meines besten Freundes sich um 180° von Unabhängigkeit auf China-Zugehörigkeit in den letzten 2 Jahren geändert hatte, wurde ich ausgelacht mit den üblichen Paulanergarten-Memes. Nun ist genau das Gleiche, eigentlich von mir erwartet, auch in der höchsten Politikelite Taiwans passiert.
Taiwans Oppositionsführerin wandelt sich vom Saulus zum Paulus
Man muss wissen, dass die derzeitige Oppositionspartei aus der Rebellen- und Kriegspartei gegen Mao hervorgegangene ist. Cheng Li-wun, einst eine kämpferische Unabhängigkeitsaktivistin, welche die Kuomintang in jüngeren Jahren als „Unterdrücker“ verurteilte, ist nun Vorsitzende eben dieser immer noch Nationalistischen Partei. Und ihre heutige Botschaft steht im krassen Gegensatz zu der in ihrer Jugend. Heute sagt sie:
- Taiwan muss sein chinesisches Erbe annehmen
- Unabhängigkeit ist unrealistisch und gefährlich
- Annäherung an Peking ist der einzige Weg
Ihr Aufstieg erschüttert natürlich die politische Landschaft Taiwans, welche bisher von US-Interessen maßgeblich beeinflusst wurde. Weil so deutlich war die Haltung der Kuomintang noch nie auf friedliche Wiedervereinigung ausgerichtet worden.
- Mayer, Dr. Peter F.(Autor)
Radikaler Wandel an der Spitze der Kuomintang
Cheng wurde im Oktober zur Kuomintang-Vorsitzenden gewählt, nachdem sie versprochen hatte, „nicht länger zaghaft zu sein“ und sich für eine erneute Annäherung zwischen den beiden Seiten der Taiwanstraße einzusetzen. Sie verneigte sich sogar am Grab von Chiang Kai-shek, dem Mann, den sie einst verunglimpft hatte. Innerhalb der Partei sehen manche in ihr die mutige Querdenkerin, die die Kuomintang brauchte. Andere befürchten, sie sei Peking für die Wähler der taiwanesischen Mitte mittlerweile zu nahe gekommen.
Peking ist natürlich zufrieden
Taiwanische Sicherheitsbehörden berichten von einem starken Anstieg an pro-Cheng-Botschaften in China-nahen sozialen Netzwerken während ihres Wahlkampfs. Sie weist diese Behauptung zurück. Doch am Tag ihres Wahlsiegs gratuliert ihr Xi Jinping persönlich. Allein das zeigt, wie positiv ihre Botschaft jenseits der Taiwanstraße aufgenommen wurde.
Herausforderung für Präsident Lai und die DPP
Nun ist das ganze aber gar nicht im Interesse der US-Rüstungsindustrie. Der amtierende Präsident Lai Ching-te treibt ein 40 Milliarden US-Dollar teures Militärprogramm voran. Aber Cheng stellt infrage, ob Taiwan sich das leisten kann und ob mehr Waffen die Taiwanstraße nicht einfach in ein Pulverfass verwandeln werden. Sie warnt, dass Peking im Falle einer Wiederwahl Lais zu dem Schluss kommen könnte, eine friedliche Wiedervereinigung sei unmöglich.
Ihre Kritiker werfen ihr vor, Pekings 5. Kolonne zu sein. Während insbesondere die Wirtschaftsführer wohlwollend reagieren. Viele haben längst größere Produktionsstätten auf dem Festland um den Platzbeschränkungen der Insel zu entgehen, und bemühen sich intensiv um beste Kontakte zum Mutterland.
Vertrauen in USA erschüttert
Cheng argumentiert, dass die Öffentlichkeit zunehmend an den hehren Werten Washingtons zweifelt. Das hatte tatsächlich zugenommen, nachdem aus den USA die Nachricht bekannt wurde, dass geplant wurde, die taiwanesische Chipindustrie eher zu zerstören, als sie in die Hände Chinas fallen zu lassen.
Cheng verweist verweist aber in erster Linie auf Trumps neue 20% Zoll auf taiwanesische Waren, den Druck die qualitativ höchste Halbleiterproduktion in die USA zu verlagern, (eine andere Art der Vernichtung der Chipindustrie in Taiwan) und das Gefühl, dass Taiwan von den USA wie die Ukraine und die EU als Spielball und nicht als Partner behandelt wird. Damit bricht die neue Parteichefin mit der älteren KMT-Führung, die dezidiert proamerikanisch eingestellt war.
„Ihrer Ansicht nach ist Amerika nicht mehr der Mittelpunkt der Welt„, sagte nun tatsächlich ein hochrangiges KMT-Mitglied.
Das Risikospiel
Nur etwa ein Drittel der Taiwaner identifiziert sich heute noch als Chinesen. Chengs Botschaft birgt daher das Risiko, gemäßigte Wähler zu verprellen, sollte ihre eigene Veränderung sich aber in der Gesellschaft spiegeln, könnte das die politische Landschaft verändern. Sie wird 2028 möglicherweise nicht für das Präsidentenamt kandidieren, aber sie wird das KMT-Programm maßgeblich beeinflussen, insbesondere Taiwans Umgang mit Peking, Washington … und sogar mit Krieg und Frieden.
Von der radikalen Studentin der 1980er Jahre, die die Kuomintang angriff, zum Eintritt in eine gegnerische Partei, einen Austritt wegen interner Korruption, dem Eintritt in die Kuomintang 2005, bis hin zur Rolle der wichtigsten Frau einer Partei, die einst gegen Mao kämpfte. Ihre Entwicklung zählt zu den dramatischsten ideologischen Wendungen in der Geschichte der taiwanesischen Politik. Und sie sagt, sie sei bereit, sich mit Chinas Führungselite zu treffen, denn „jemand muss die Tür offenhalten„.
Die taiwanesische Politik hat gerade eine entscheidende Wendung genommen, und Peking versteht diese Wendung vollkommen. Ob die Wähler zustimmen, ist nun die entscheidende Frage.
Fazit
Bei meinen Reisen, die aber schon fast 20 Jahre zurückliegen, war ich überrascht von dem politischen Wissen, dem Engagement und der Diskussionsoffenheit, die es in Taiwan gab, neben einer großen Gastfreundschaft und Offenheit. Taiwan als Teil von China würde nicht nur für China große Erleichterung bringen, einen Krisenbrennpunkt beseitigen, sondern auch die chinesische Gesellschaft direkt beeinflussen. Hongkong war unter der britischen Führung niemals eine echte Demokratie, auch wenn das so dargestellt wurde. Deshalb war es einfach für China, dieses Gesellschaftssystem zu integrieren. Taiwan aber ist eine Demokratie im sehr westlich liberalen Sinn. Und es wäre das erste Mal, dass China ein solches System innerhalb der eigenen Organisation zulassen würde. Denn nur so wäre eine Integration denkbar. China selbst nennt die Integration von Hongkong „Ein Land, zwei Systeme„. Auch Taiwan bietet Peking das an. Aber die politische Führung Chinas wird daraus „Ein Land, drei Systeme“ machen müssen. Dann könnte es klappen.
Bild: Wikipedia
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Der gemeinsame Nenner könnte sein, dass in beiden Ländern Pragmatismus statt Ideologie das Sagen hat. Einen besseren gemeinsamen Nenner zwischen unterschiedlichen Systemen kann ich mir gar nicht vorstellen. Würde das funktionieren, könnte es beispielhaft und dabei ein Segen für die ganze Welt sein
Halte eine Integration für nicht möglich, dazu sind die Systeme zu unterschiedlich. „China selbst nennt die Integration von Hongkong“ allerdings ist von Hongkongs Autonomie quasi kaum was übriggeblieben.
Die Lösung für Taiwan seh ich in Neutralität und solange mit China verhandeln bis man Autonomie erreicht und wenns 100 Jahre dauert. Die aktuelle Eskalation hat sich Taiwan selbst zuzuschreiben. Mit dem Kopf durch die Wand funktioniert bei China nicht. Mittlerweile ist China auch stark genug um gegen die USA gegenzuhalten. Um zu verhandeln müsste man von der aktuellen Eskalation erstmal zurück auf normal.
Um Krieg zu vermeiden, kann es eine Möglichkeit sein, die Annektion zu verhandeln.
Ich verstehe nicht, wieso man die China-Taiwan-Thematik immer so plakativ vereinfacht und die Komplexität ausblendet. Daher hier ein paar Fakten:
Taiwan war zwar im 18. und 19.Jh Jahre Teil von Festland-China, aber
– von 1895 bis 1945 unter japanischer Herrschaft;
– und von 1949 bis heute hat Taiwan defacto eine andere Regierungsform.
– Heute wird Taiwan systematisch von China aus den internationalen Institutionen gedrängt, was natürlich ursprünglich auf gegenseitiger Verweigerung beruht, das jeweils andere „China“ anerzuerkennen: offiziell heißt Taiwan „Republik von China“ und ist das Erbe des Kuomingtan-China.
Das Selbstbestimmungsrecht der Völker sollte auch für Taiwan zur Geltung kommen können, zumal China ja das auch als UNO-Mitglied anzuerkennen hat (so scheint mir).
Schließlich sollte auch jeder Österreicher (und allgemein jeder Europäer) verstehen, dass die kulturelle Nähe keine territoriale Schlussfolergungen haben muss: Österreich ist eben nicht Teil von Deutschland, obwohl die kulturelle Nähe unbezweifelbar ist.
So wie Österreich neutral ist und so wie eine neutrale Ukraine eine gute Lösung wäre, so sollte also auch für Taiwan eine solche Lösung denkbar sein: reale Unabhängigkeit im Respekt der geopolitischen Realitäten.
Zusatz: Es gibt auch viele echte, historischer Gründe der Abneigung von Festland-China.
Zunächst hat nach dem 2.WK die Übernahme von Taiwan durch Chiang Kai-shek sehr schlechte Erinnerungen gelassen (cf „1947 uprising“ und „White Terror“). Stattdessen haben die Japaner in Taiwan (im Unterschied zu anderen ost-asiatischen Ländern) eher gute Erinnerungen gelassen: Industrialisierung, gute Verwaltung etc.
Andererseits hat gerade das kommunistische Festland-China horrenden Schaden am chinesischen Kultur-Erbe verursacht, ganz zu schweigen von den Greueltaten an der Bevölkerung (eg „Große Sprung nach vorn“, „Kulturrrevolution“).
Stimme vollumfänglich zu. Das Problem ist, dass sich Taiwan, so wie die Ukraine, zum Vasallen gemacht hat, und daher keine wirklichen eigenen Willen hat. Das hat die neue Chefin der Oppositionspartei erkannt und sieht eher die Möglichkeit einer selbstbestimmten Lebensweise innerhalb einer Gemeinschaft mit China. Aber natürlich wird alles im Westen unternommen, um das zu verhindern.
Taiwan ist im Prinzip das Überbleibsel des Bürgerkrieges, der zur kommunistischen Übernahme geführt hat. Nach dem Krieg hatte sich Taiwan gegen China geglaubt, nur durch die Unterstützung durch den Westen zu retten. Aber dabei übersehen, was diese Abhängigkeit bedeutete. Genau das dämmert den Menschen in Taiwan nun. Sie sehen, dass HongKong blüht und profitiert und sich weitgehend selbst organisieren kann. Warum sollte das für Taiwan nicht möglich sein. Und dann noch mit dem vollkommen unbeschränkten Zugang zum größen Binnenmarkt der Welt?
D.h. Taiwan sollte unterstützt werden darin, sich UNABHÄNGIG vom Einfluss aus dem Westen und aus China selbst zu entscheiden. Aber ob die USA das zulassen werden?