Die verschiedene Ausprägung von Russophobia bei Protestanten und Katholiken

19. November 2025von 3,7 Minuten Lesezeit

Der französische Historiker Emmanuel Todd über den Zusammenhang zwischen Russophobie und Protestantismus.

Emmanuel Todd ist ein französischer Historiker und Sozialanthropologe, der für seine unkonventionellen Ansichten bekannt ist und zahlreiche hochgelobte Bücher verfasst hat. Das jüngste ist „Der Westen im Niedergang“, das vor einem Jahr veröffentlicht wurde.

In einem seiner Substack Artikel beschreibt er sich selbst so: Ich möchte mich zunächst einmal vorstellen, nicht aus Narzissmus, sondern weil Menschen aus Frankreich oder anderen Ländern, die mit Verständnis oder sogar Sympathie über Russland sprechen, sehr oft ein bestimmtes ideologisches Profil haben. Sehr oft kommen diese Menschen aus dem konservativen rechten Lager oder aus dem Populismus und projizieren ein a priori ideologisches Bild auf Russland. Meiner Meinung nach sind ihre ideologischen Sympathien etwas unrealistisch und fantasievoll. Ich gehöre überhaupt nicht zu dieser Kategorie. ….

Ich muss dennoch zugeben, dass ich eine emotionale Dimension habe, eine echte Sympathie für Russland, was vielleicht meine Fähigkeit erklärt, seinen Argumenten in der aktuellen geopolitischen Konfrontation Gehör zu schenken. Meine Offenheit rührt nicht daher, was Russland in ideologischer Hinsicht ist, sondern aus einem Gefühl der Dankbarkeit dafür, dass es uns vom Nationalsozialismus befreit hat. “

Gerade der Punkt wird gerne übersehen. Ich kann mich erinnern, dass nicht allzulange nach dem Krieg noch viele Menschen gerade das den Russen übel genommen haben. Vermutlich waren viele von diesen auch am 15. März 1938 am Heldenplatz um Hitler zuzujubeln.

Jedenfalls sieht Todd die Befreiung als positiv. Er ist auch sehr mit dem Protestantismus beschäftigt. Und er sieht bei den Protestanten eine erheblich stärkere Russophobie als bei den Katholiken. Hier ein Ausschnitt zitiert nach Thomas Fazi auf X:

„Was wir in letzter Zeit in Europa beobachten können, ist eine spezifisch europäische Russophobie, eine spezifisch europäische Kriegstreiberei, die sich auf Nordeuropa, auf das protestantische Europa konzentriert.

Das protestantische Europa umfasst das Vereinigte Königreich, den größten Teil Deutschlands, Skandinavien und zwei der drei baltischen Staaten. Ich habe nach der Übersetzung meines letzten Buches Kontakt zu mehreren Ländern aufgenommen oder sie sogar besucht, und mir ist aufgefallen, dass Spanien, Italien und katholische Länder im Allgemeinen weder russophob noch kriegstreiberisch sind.

Zum Abschluss dieser Konferenz möchte ich versuchen zu erklären, warum der Protestantismus in seinem Nullzustand gefährlicher ist als der Katholizismus. Der Protestantismus ist eher in der Lage, eine nihilistische Gesellschaft zu hinterlassen.

Der Protestantismus, und dasselbe gilt für das Judentum, war eine sehr anspruchsvolle Religion. Es gab Gott, es gab die Gläubigen, und die Welt war zweitrangig. Die Schönheit der Welt wurde insbesondere abgelehnt, unter anderem durch die Ablehnung von Bildern, die Ablehnung der bildenden Künste. Wenn solche Religionen, die von Transzendenz besessen sind, verschwinden, bleibt nichts übrig. Die Welt selbst ist uninteressant, leer. Diese intensive Leere eröffnet eine besondere Möglichkeit des Nihilismus.

Der Katholizismus ist eine weniger anspruchsvolle, humanere Religion, die die Vorstellung akzeptieren kann, dass die Welt an sich schön ist. In der katholischen Welt wurden Bilder nicht abgelehnt, und die katholische Welt ist voller künstlerischer Wunderwerke. Wenn man in einem katholischen Land Gott verliert, bleibt einem das Gefühl für diese Schönheit der Welt. Als Franzose hat man immer noch das Gefühl, im schönsten Land der Welt zu leben – zweifellos eine Illusion. Als Italiener lebt man tatsächlich in dem Land der Welt, in dem es die schönsten Dinge gibt, da Italien selbst zu einem Kunstobjekt geworden ist. In solchen Kontexten ist die Angst vor der metaphysischen Leere weniger intensiv und damit auch das Risiko des Nihilismus geringer.

Meiner Meinung nach ist Italien das Land in Europa, das am wenigsten vom Nihilismus bedroht ist, denn in Italien ist alles schön.

Eine zweifelsohne interessante Analyse.  Recht aufschlussreich in dem Zusammenhang auch dieser Artikel über Hitlerism, Trumpism, Netanyahuism, Le Penism, Macronism.

Auch andere Autoren wie die Trimondis haben dazu einiges beigetragen, insbesondere über die Evangelikalen in den USA: Krieg der Religionen: Politik, Glaube und Terror im Zeichen der Apokalypse.

Bild: Emil Nolde, Masks Still life, 1911

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6 Kommentare

  1. Wolliku 20. November 2025 um 7:24 Uhr - Antworten

    Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein! Und Protestanten glauben eher daran, das sie das dürfen. Liegt das am Gutmenschentum, das sich aus der Trotzhaltung von Luther ableiten lässt, denn ich stehe hier, ich kann nicht anders? Katholiken sehe ich demütiger und gelassener unterwegs. Sie nehmen auch die Schnörkel des Lebens wahr, das sind auch gewisse Harmonien, denn vor Gott sind alle gleich! Und wenn doch nicht ganz gleich, haben die Katholiken zumindest schönere, von Engeln besuchte Gotteshäuser, die selbst für mich mit entsprechender Distanz zu Gott, immer wieder einladend sind. Wer den Petersdom besucht, atmet auch immer pietätvolle und kulturbeladende Luft. Protestanten und Katholiken haben diese merkwürdigen 10 Gebote gemeinsam, über die das Nachdenken lohnt. In den vier ersten Geboten geht es nur um die (interne) „Macht“, bevor es 5-tens zur Sache für den Einzelnen in seinem Verhalten zum Mitmenschen geht: Du sollst nicht Töten! Das erklärt mir immer noch nicht wirklich, warum Protestanten kriegsgeiler und russophober sind als „normal-religiös“ Veranlagte. Ich sehe es aber auch so zumindest in der arealgeographischen Verbreitung. Selbstverständlich nicht ohne Ausnahmen: in den dt. Bundesländern im Osten ist blanke Russophobie weniger verbreitet. Da ist weiterhin auch die Portion Dankbarkeit vorhanden, zu Recht. Die Russen haben uns die friedliche Wiedervereinigung quasi für ’nen Appel und Ei geschenkt (danke Gorbi!). Ich habe nur freundliche Russen in Russland getroffen, ungeachtet deutscher Verbrechen! Unser Dank? Wir haben es zugelassen, dass die Nato sich drohend am Fell des russischen Bären reibt, obwohl Genscher und Baker damals anderes versprochen haben und auch die Charta von Paris Friedenswillen in Europa versprach. Ich bin Putin-Versteher geworden, weil er über Dekaden alles versucht hat, friedlich die russische Sicherheit abzusichern, noch im Dezember 2021 letztmals. Die Transatlantiker um den Joe haben ihn verhöhnt, wollten den Stellvertreterkrieg in der Ukraine. Da bin ich komplett bei den amerikanischen Historikern Jeffrey Sachs, John Mearsheimer et al. Aber religiös? Wenn dann ist da wohl nur die Portion mehr Demütigkeit der Katholiken zu nennen, die Russophobie und auch verachtenswertes Gutmenschentum nicht zulässt. Denn die Gnade Gottes ist entscheidend, nicht der Gutmensch, der in der Person Luthers sogar ein bekannter Antisemit war.

  2. Daisy 20. November 2025 um 6:00 Uhr - Antworten

    Früher waren die Pf.en nicht 100% Schw.teln, denn sie hatten die Pfarrersköchin. Zwar waren meine Eltern schon nicht sonderlich religiös, aber ich bin in einem katholischen Umfeld aufgewachsen, das mich in meinen Moralvorstellungen auch tief geprägt hat. Ich wurde getauft, ging zur Erstkxmmunion, firmen hams mich nimma lassen. Als ich mein erstes Geld verdiente, trat ich aus. Doch die schönen Sachen, wie Weihnachten und Ostern, mag ich immer noch. Es stimmt, dass die Katholen eine schônere Welt prägten. Und es stimmt, in Italien gibt es viele Schône Dinge.. Mittlerweile sind sie aber ebenso von Gendergaga (weil sie durch den Zölibat selbst betroffen sind) und anderen WEF-Agenden befallen. Die Evangelen nahm ich immer schon als linksradikal wahr. Also Don Camillo hätte mit der heutigen Kirche auch nichts mehr am Hut.

    Was das Kriegstreiberische auslöst, ist vermutlich das Gutmenschliche/Missionarische, ein Urmetier der Religionen. Statt selbst das Wasser zu saufen, predigen sie es nur. Das sind Menschen, die sich immer bei anderen einmischen müssen, indes sich vor der eigenen Tür der größte Misthaufen auftürmt. Kehrte jeder vor seiner eigenen Türe, wäre diese Welt weniger beschissen. Clean up your own backyard! Let the children play…

  3. Jan 20. November 2025 um 4:48 Uhr - Antworten

    Die Sache ist viel einfacher:

    Jetzt, mit Leyen, Merz und Klingbeil, haben die Deutschen endlich ein kompetentes Team zusammen, um die Schmach des Österreichers wieder gut zu machen.

    Erst die Spritzen, dann der Sieg!

  4. Varus 20. November 2025 um 0:44 Uhr - Antworten

    Der Protestantismus, und dasselbe gilt für das Judentum, war eine sehr anspruchsvolle Religion.

    Und deswegen besonders kriegstreiberisch? Glücklicherweise sind gerade protestantische Länder wie England und Schweden dabei, muslimisch zu werden – alles besser als Protestantismus? Das andere besonders kriegstreiberische Problem harrt noch einer Lösung.

    Zufällig brachte Böses Medium gestern ein Interview mit einem SWR-Obersten: „SWR-Oberst: „Europäer sind Raubtiere und verstehen nur das Recht des Stärkeren““. Insbesondere hat er die Angelsachsen beschuldigt – Protestanten eben.

  5. hermine 19. November 2025 um 21:00 Uhr - Antworten

    man muss sich wundern wie sich durch die zeiten die evanglischen werte erniedrigt haben.

    max weber hat den protestantischen werten, die amerika groß gemacht haben, in seiner studie “ die protestantische arbeitsethik“ ein denkmal gesetzt.
    allerdings gab es keine belastungen durch den faschismus welches die schwächliche, untertänige, feige institution zeigt. die bauern, die handwerker, die händler damals waren ohne den druck, der uns heute
    noch unfrei macht. es sollten viele leute, die eine meinung gewonnen haben, austreten aus diesem
    verwaltungsgebilde und steuern sparen. gerade heute.

  6. Pfeiffer C 19. November 2025 um 19:50 Uhr - Antworten

    Das, was namentlich die heutige Evangelische Kirche Deutschlands aktuell unter dem Titel „Welt in Unordnung – Gerechter Friede im Blick“

    https://www.ekd.de/friedensdenkschrift-2025-91393.htm

    veröffentlicht hat, klingt an vielen Stellen so, als stamme die Vorlage direkt aus dem NATO-Hauptquartier. Da ist nichts mehr von Dialog oder Verständigung, bestenfalls noch eingesprenkelt als Lippendienst, aber eine entsetzlich eingeengte Sicht, in der genau all die Dinge klar zu sein scheinen, die aber anzuzweifeln als hochnotwendig zu erachten sind. – Stichwort „Man höre auch die andere Seite“.

    Ein fatalklerikales Polit-Déjà-vu also?

    Tatsache ist, daß große Teile der evangelischen Kirche – und weitaus stärker die evangelische als die katholische – euphemistisch ausgedrückt – damals, in der dunkelsten Zeit Deutschlands, der Naziherrschaft gegenüber sehr aufgeschlossen waren.

    Und es blieb nicht nur dabei, es gab auch aktive Mitwirkung, selbst an den größten Verbrechen – die Mehrzahl der protestantischen Bistümer übergab die Daten jüdischer Konvertiten 1938 an die Staatsmacht, nachdem sie auf eigene Kosten aus den Kirchenbüchern herausgesucht worden waren.

    So begrüßte auch die damalige Leitung der Evangelischen Kirche Deutschlands den Überfall auf die Sowjetunion (bekannt als Unternehmen Barbarossa, begann am 22. Juni 1941) wörtlich so:

    „Der Geistliche Vertrauensrat der Deutschen Evangelischen Kirche versichert Ihnen, mein Führer, in diesen hinreißend bewegten Stunden aufs Neue die unwandelbare Treue und Einsatzbereitschaft der gesamten evangelischen Christenheit des Reiches. Sie haben, mein Führer, die bolschewistische Gefahr im eigenen Land gebannt und rufen nun unser Volk und die Völker Europas zum entscheidenden Waffengange gegen den Todfeind aller Ordnung und aller abendländisch-christlichen Kultur auf.“

    Und heute?
    „Evangelische Friedensethik verknüpft den Vorrang der Friedenstüchtigkeit mit der Notwendigkeit der Verteidigungsfähigkeit“, heißt es heute, und weil die USA sich nicht mehr so engagieren, müsse „Deutschland in enger Abstimmung mit den Staaten der Europäischen Union und der NATO in die sicherheitspolitische, aber auch in die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit investieren.“. Klar hieße das, an anderer Stelle einsparen zu müssen, aber das müsse nun einmal sein.

    Die Kirchen waren mir schon immer suspekt. Es waren und sind schon immer Machtzentren der Unterdrückung gewesen, die sich auf Basis ihrer jeweiligen Glaubensbekenntnisse & Gebote immer mit den jeweils Mächtigen zusammenpackelten: Pfaffen & Adel / Pfaffen & Monarchie / Pfaffen & Diktaturen / Pfaffen & Scheindemokratien – scheixxegal.

    Und – Pfaffen & Pharmakonzerne!

    Man braucht nur in die Zeit des Corona-Wahnsinns zurückgehen, in der die Kirchen ihre ungeimpften «Schäfchen» menschenverachtend ausgrenzten!

    Und der gentechnisch basierten, nicht zugelassenen, nie wirklich abgecheckten Giftspritze das Wort redeten – hier:

    Webseite der Evangelischen Kirche Rheinland 03.02.2022:

    „Deutschlandweit wird fleißig geimpft. Wer auf der Suche nach einem Pieks zum Schutz vor dem Corona-Virus ist, wird vielerorts auf dem Gebiet der rheinischen Kirche auch bei Kirchengemeinden und diakonischen Einrichtungen fündig…Geimpft wird ohne Termin bis der Impfstoff leer ist…Das gilt auch für Kinder“ –

    DAS GILT AUCH FÜR KINDER – hat sich wer dafür entschuldigt?

    Und ich wette:

    Noch gilt in der o.a. evangelischen Denkschrift der Begriff „Gerechter Friede“ – glaubt irgendwer, die hätten irgendwelche Hemmungen, bald auch von einem „Gerechten Krieg“ zu reden?

    Schande über sie…

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