
Die Neugestaltung der Beziehungen zwischen Westen und Süden bei G20-Gipfel
Das Ergebnis des eben zu Ende gegangenen G20-Gipfels in Indien gibt beredtes Zeugnis von der bereits eingetretenen Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen den USA und ihrer Gefolgschaft in der EU einerseits und den BRICS-Staaten und dem globalen Süden andererseits. Die gewünschten Verurteilungen und Deklarationen von „Werten“ fanden diesmal keinen Eingang in die Erklärung.
Größeres Unbehagen löste zunächst die Absage von Chinas Xi Jinping aus. Putin war schon im Vorjahr nicht anwesend und somit waren zwei Führungsmächte von BRICS, OPEC und dem globalen Süden nur mehr mit der zweiten Ebene vertreten. Dazu kam, dass sich Indien geweigert hatte, Zelenskyy einzuladen und verhinderte damit, dass die Ukraine zentrales Thema wurde.
Einen guten Einblick in die Besorgnis des Westens, gibt die Financial Times auf ihrer G20-Überblicksseite. Hier sind drei der Überschriften, die einen guten Eindruck über die westliche Enttäuschung geben:
- Xis Brüskierung des G20-Gipfels weckt die Sorge vor einem Rückzug aus der internationalen Diplomatie
- Westliche Nationen akzeptieren “Einlenken” in der Ukraine, um die Bedeutung der G20 zu retten
- Die G20 sind bei “fossilen Brennstoffen untätig”, obwohl sie ihre Ziele für grüne Energie erhöhen
Bezeichnend dass die FT glaubt, Xi sei wegen Differenzen mit Indien nicht gekommen. In Wahrheit wollte er nicht mit Biden zusammentreffen, den er nach dessen Äußerungen für einen unzivilisierten Rüpel hält. Die beiden Hauptthemen des Westens, Ukraine und der für das Finanzkapital so wichtige „Green Deal“ wurden komplett abgeschmettert.
Eine interessante Einschätzung liefert wieder der pensionierte indische Spitzendiplomat M.K. Bhadrakumar in seiner Indian Punchline.
Die drei Sätze über die Ukraine in der Deklaration kommentiert der Diplomat so:
„Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch auch eine quälende Frage: Bedeuten die drei Sätze der Erklärung von Delhi zur Ukraine, die die Position Russlands in dem Konflikt begünstigen, eine Änderung der westlichen Haltung zu den Feindseligkeiten und geben Kiew einen gewissen Anstoß zu Verhandlungen?
In der Tat erleben wir eine seltsame Konstellation: Sowohl Russland als auch die USA haben die G20-Erklärung gelobt, während die Ukraine sich darüber beklagte, dass sie “nichts sei, worauf man stolz sein könne”.“
Allerdings hatten sich diese Verschiebungen bereits im Vorfeld abgezeichnet. Indien hatte klargemacht, dass es sich nicht vor den westlichen Karren spannen lassen würde und seine Freundschaft zu Russland, die seit der Unabhängigkeit im Jahr 1948 besteht, gefährden lassen würde.
Da die USA aber Indien intensiv als potenziell wichtigsten Verbündeten in Asien umwerben, hatten sie schon im August ein Einlenken signalisiert. Bhadrakumar analysiert:
„Es steht außer Frage, dass die USA den G20-Gipfel zu einem großen Erfolg machen und den indischen Premierminister Narendra Modi als Führer der Gruppe auf der geopolitischen Bühne “ermächtigen” wollten, als sich herausstellte, dass Biden während seines viertägigen Besuchs in Delhi keine gleichrangige Gruppe hatte, die um einen Platz auf dem Treffen konkurrierte.
Der Punkt ist, dass die G20 in dem sich schnell verändernden internationalen Umfeld im Kalkül der USA unerwartet als das einzige Forum aufgetaucht ist, das dem Westen (den Mitgliedern der G7) heute zur Verfügung steht, um (wieder) Verbindungen mit China und Russland sowie dem globalen Süden herzustellen. Als die BRICS in riesigen Sprüngen zu wachsen begannen, schwebte plötzlich das Gespenst des Aussterbens über dem Forum.“
China und Russland arbeiten mit den Ländern des Globalen Südens rein wirtschaftlich zum beiderseitigen Vorteil zusammen. Sie investieren seit Jahrzehnten in Infrastrukturprojekte. Trotzdem belehren sie ihre Partner nicht dauernd was sie denken, tun und lassen dürfen. Eine Politik nach der Art von Baerbock oder Leyen ist für sie undenkbar.
Die USA sehen vor allem auch den Aufbau von Handelswegen innerhalb des „Herzlands“ – Eurasien, Mittlerer Osten, Afrika – mit Sorge. Die „Belt and Road Intitiative“ Chinas verbindet und fördert den Handel in den Regionen. Auch Russland hat mit Indien, Iran, arabischen und afrikanischen Staaten neue Handelsrouten geschaffen.
Bhadrakumar ortet ein erhebliches Umdenken bei den US-Geostrategen:
„So zeichnen sich in rascher Folge die Erscheinungsformen eines “neuen Denkens” ab:
- die “Umfassende strategische Partnerschaft zwischen den USA und Vietnam zum Zwecke des Friedens, der Zusammenarbeit und der nachhaltigen Entwicklung”;
- der neue Wirtschaftskorridor Indien-Mittlerer Osten-Europa (hier und hier);
- die Partnerschaft für globale Infrastruktur und Investitionen (bestehend aus den USA, der Europäischen Union, Frankreich, Deutschland, Indien, Italien, Japan, Mauritius, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und der Weltbank);
- der Lobito-Korridor;
- “die neue Initiative mit den G20-Partnern zur grundlegenden Umgestaltung und Vergrößerung der Weltbank, um Armutsbekämpfung und integratives Wirtschaftswachstum effektiver zu gestalten”.
All dies wurde innerhalb von 48 bis 72 Stunden auf den Weg gebracht. Das Gefühl der Dringlichkeit ist deutlich spürbar. Die Botschaft könnte nicht lauter sein: Die USA streben eine Führungsrolle in der Zusammenarbeit mit dem globalen Süden an, und in diesem Paradigmenwechsel sieht Biden in Modi einen wichtigen Verbündeten.
Natürlich ist dies nur möglich geworden, weil Delhi in den letzten Monaten seine Bereitschaft signalisiert hat, die strategische Partnerschaft mit den USA als globalem Verbündeten zu beschleunigen und zu festigen. Dies war zumindest teilweise eine Folge der Spannungen zwischen Indien und China und eine unmittelbare Konsequenz der indischen Einschätzung, dass die indopazifische Strategie der Biden-Administration doch real ist und dass sie das Potenzial hat, den indischen Interessen zu dienen, ohne auf Konfrontation mit China zu gehen.“
Um Indien dafür zu gewinnen, hat Washington eine Kehrtwende offenbar auch in der Ukraine-Frage vollzogen. Der Spitzendiplomat erwartet, dass die sich „abzeichnende russische Offensive muss irgendwie aufgehalten werden, da ihre unausweichliche Folge die “Entmilitarisierung” und “Entnazifizierung” der Ukraine sein wird – die endgültige Vertreibung der NATO von ukrainischem Boden und die Beseitigung der gegenwärtigen, äußerst feindseligen Machtstruktur in Kiew, die als Stellvertreter der USA und der NATO dient.
Oberste Priorität hat daher heute das Einfrieren des Ukraine-Konflikts in der gegenwärtigen Phase…“
Aber die wichtigste Motivation für Biden um mit harten Bandagen zu kämpfen, sieht der Diplomat im Wunsch die Wahl 2024 zu gewinnen. Das ist allerdings alles andere als ein Garant für Kontinuität und Verlässlichkeit in der eingeschlagenen Politik.
Department of Foreign Affairs and Trade website – www.dfat.gov.au, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons
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WHO Erklärung bei G20 Gipfel: Statt Unterstützung der Gesundheit mehr Geld und Macht für Pharma
Theologin Margot Käßmann fordert deutsche Vermittlerrolle im Ukraine-Krieg
https://www.extremnews.com/nachrichten/weltgeschehen/943f193e9d0d69b
“Deutschland würde es gut anstehen, eine Vermittlerrolle zu spielen: gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte des Zweiten Weltkriegs, als Panzer in Richtung Russland und Ukraine gerollt sind”, erklärt die Theologin und Pfarrerin im Ruhestand Margot Käßmann im Gespräch mit der in Berlin erscheinenden Tageszeitung junge Welt (Freitagausgabe 8.9.2023) mit Blick auf den Krieg in der Ukraine.
Nun sei “die Zeit für Militärstrategen vorbei, und die für Friedensstrategen gekommen”.
Die frühere hannoversche Landesbischöfin und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland wird am Sonntag auf der Friedenskundgebung “Stoppt das Töten in der Ukraine” auf dem Stuttgarter Schlossplatz sprechen.
“Unser Anliegen ist, dass nicht ständig über das Liefern von Waffen gesprochen wird, sondern darüber, wie der Krieg zum Stillstand kommen kann”, fasst Käßmann das Anliegen dieser Kundgebung zusammen.
Es sei heute schwieriger geworden, sich gegen Krieg zu engagieren, so die langjährige Friedensaktivistin.
“Die Angriffe auf Pazifisten sind oft diskriminierend in der Wortwahl, man wird ständig in die Nähe der AfD oder der Putin-Versteher gestellt.
Möglicherweise wagen viele Menschen, die für den Frieden sind, sich gar nicht mehr zu äußern.”
Irritiert zeigt sich Käßmann insbesondere über eine Äußerung von Bundeskanzler Olaf Scholz, Friedensaktivisten seien “gefallene Engel, die aus der Hölle kommen”.
“Solche Diffamierungen sind meiner Ansicht nach in einer Demokratie unangemessen”, so die Theologin.
So komplett nicht, eher zaghaft. Der Krieg wird irgendwann für den Westen zum größeren Trauma als der Vietnamkrieg (die verfügbaren Männer bereits verheizt – jetzt werden per internationale Fahndungen Ukro-Männer aus dem Westen geholt – sowie Frauen) – allerdings erst wenn im Westen breit bekannt wird, wie brutal es dort zugeht.
Beim zweiten Thema gab es wieder mal Lippenbekenntnisse statt Tacheles – anscheinend lauern etliche Länder der Welt von den USA über arabische Welt, die Türkei, China, Indien bis Russland auf unsere Industrien, die der „Green Deal“ zunehmend vertreibt. Russland etwa – wenn ich mich richtig erinnere, das Land kann jetzt mit Düngemittel-Exporten in nichtwestliche Welt richtig durchstarten – auch als Ersatz für die Produktion in Westeuropa, die dort durch Gaspreise letztes Jahr um etwa 70% gesunken ist. Saudi-Arabien will Industrien aufbauen, wie sie einst Europa hatte – die Türkei übernimmt Produktion für Vileroy&Boch aus dem Saarland, wo die Energie zu teuer wurde. Nur einige der vielen Fälle.
Die so von sich überzeugten „Eliten“ Westeuropas kommen nicht auf den einfachen Gedanken – wenn der Kontinent komplett ruiniert wird, wird es nichts mehr zum Abkassieren geben; auch mit CO2-Tributen nicht. Selbst wenn die Nummer nur kurz dauern sollte – jeder Monat bedeutet viele anschließende Jahre, in den wir ruiniert bleiben.
Denken die „Eliten“, man könne Klebe-Expertenden:innen exportieren?
Zur Ergänzung: “Der Westen” handelte bezeichnenderweise aus der G20-Abschlusserklärung eine Formulierung heraus (d.h. sie wurde gestrichen), “nach der alle Staaten von Angriffen auf die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit anderer Staaten Abstand nehmen müssen” (“Der Standard”, 09/09/2023). Muss man noch viel dazusagen?
Kein Problem!
Wenn die USA sich aus dem Ukraine Krieg zurück ziehen sollten, springt die EUdSSR ein.
Mit der Leyen haben wir eine wahre Fachkraft an der Spitze, ehemalige Verteidigungsministerin.
Der Endsieg der Ukraine ist gesichert :)
Das Akronym EUdSSR ist völliger Blödsinn, denn die beiden “S” stehen für sozialistisch und sowjet. Von beidem ist die EU Lichtjahre entfernt. Die Verwendung dieser Abkürzung zeigt nur wieder die politische Ahnungslosigkeit seines Benutzers.
Die Grünen träumen durchaus von Räten, die man noch leichter manipulieren könnte als gewählte Parlamente. Dazu zum Beispiel der TE-Artikel „Deutschland muss eine Räte-Selbsthilfegruppe werden“ vom 11.04.2020.
Vom Ökosozialismus ist auch oft die Rede – damit passen beide „S“ durchaus.
@Hasdrubal
12. September 2023 at 17:08
“Vom Ökosozialismus ist auch oft die Rede – damit passen beide „S“ durchaus”
Vom “Impfen” ist auch oft die Rede – damit passt “Impfung” durchaus, wenn mRNA-Genpräparate injiziert werden, oder? Ist das wirklich Ihr Ernst?
die EUdSSR ist sozialistischer, zentralistischer, undemokratischer als es die Leugner natürlich wahr haben wollen. da können sie sich gerne aufregen solange sie wollen, nicht umsonst heisst es ja:
getroffene Hunden bellen!
@suedtiroler
13. September 2023 at 10:53
Schön, dass Sie mir selbst antworten, von jenseits des Brenners. Von dort führt ja ein Weg nach hier bzw. vice versa, z.B. in der Frage der “Pandemie”-Inszenierung oder auch der EU. Manchsmal trennen uns (politisch) etwas höhere Berge, vergleichbar dem Zentralalpenhauptkamm. Immer aber bewundere ich Ihre Fähigkeit zu sarkastischer Kürze. Was an der EU “sozialistisch” ist, habe ich noch nicht ganz begriffen, wahrscheinlich habe ich eine etwas andere Vorstellung von “Sozialismus” …
@Fritz Madersbacher
das Problem ist eben was man unter “Sozialismus” versteht. sogar im “real existierenden Sozialismus” war man sich da nicht einig. Grundsätzlich gehts den “Sozialisten” aber doch immer um etwas ähnlichem: sie wollen das Geld anderer Leute, weil sie selbst nichts schaffen.
Wenn das nicht auf die EUdSSR zutrifft, dann weiß ich auch nicht mehr ;)
@suedtiroler
14. September 2023 at 9:23
Wollen nicht Kapitalisten das Geld anderer Leute? Die EU unterstützt sie dabei …
@Fritz Madersbacher
natürlich wollen auch Kapitalisten das Geld von anderen Leuten, aber dafür gibt es im Tausch Waren oder Dienstleistungen. Das ist eben der Unterschied zu Sozialisten – die sind einfache Räuber die sich hinter einer angeblichen höheren “Moral” verstecken.
@suedtiroler
14. September 2023 at 10:54
Welche “Sozialisten” kriegen das Geld, das ihnen die EU in die Kassen spült?