Schweden, Italien, Frankreich – so haben sich bisherige Maßnahmen ausgewirkt

16. Oktober 2020von 4,6 Minuten Lesezeit

Es kursieren derzeit allgemein wieder Meldungen über steigende Infektionszahlen in Europa und fast schon stündlich gibt es Gerüchte über neue Maßnahmen. Verordnungen werden mit einer Vorlaufzeit von zwei Stunden in Kraft gesetzt. Allerdings nicht überall, denn in Schweden läuft der Hase wieder einmal anderes. Aber was genau ist anders?

Die Grafik oben zeigt es deutlich: Schweden hat keine Probleme mehr mit dem Coronavirus, die Zahl der Todesfälle liegt ziemlich konstant knapp über der Nulllinie. Italien verzeichnet einen leichten Anstieg, Frankreich einen ziemlich massiven.

Frankreich und Italien hatten im Frühjahr strikte und lange Lockdowns, Schweden hat einen völlig anderen Weg verfolgt, wurde dafür massiv gescholten und ist offenbar nun fein heraus. Nicht nur die Todesfälle auch die Aufnahme von Patienten in Intensivstationen ist seit Ende Juni konstant niedrig geblieben, es gibt weder bei schweren Erkrankungen noch bei den Todesfällen eine Steigerung.

Frankreich: ähnliche Maßnahmen wie im Frühjahr

Vor allem Frankreich hat aber mittlerweile massive Probleme. Die Macron Regierung hat in den vergangenen Tagen die Beschränkungen in den großen Städten sehr zum Ärger der lokalen Behörden massiv hochgefahren. Und nun kommt noch in mehreren Städten eine Ausgangssperre zwischen 21 Uhr abends und 6 Uhr morgens dazu, und zwar ab Ende dieser Woche für mindestens vier, möglicherweise bis zu sechs Wochen. Überwacht werden soll die Ausgangssperre von 12.000 Polizisten. Grund dafür ist die neuerliche Überlastung der Intensivstationen. Macron wiederholt im Grunde genommen, was er schon im Frühjahr gemacht hat – erfolglos.

In zack.zack.at findet sich ein Bericht aus Frankreich, in dem es heißt: „Zu einer Überlastung der Spitäler kann es in Frankreich besonders schnell kommen, denn schon vor Covid-19 arbeitete das Gesundheitssystem meist am Limit ihrer Kapazitäten.“ Frankreich gehört ebenso wie Italien zu den Ländern in denen das Gesundheitssystem privatisiert und kaputt gespart wurde. Keine Wunder, dass die Maßnahmen vor allem den ärmeren Teil der Bevölkerung treffen und die Armen noch ärmer machen.

Der Artikel in zackzack.at schließt mit dem Befund:

Wenn auch das Elend unaufhörlich wächst, steigt die Bereitschaft zu Kontrollieren und zu Strafen seitens des Staates in noch deutlicherem Ausmaß. Eine Redewendung sagt, dass man von Fortschritt dann spricht, wenn man es geschafft hat, die gesamte Opposition auszuschalten. Macron und seine „République en Marche“ schreitet voran.“

Finanzielle Mittel für den Polizeiapparat sind offenbar vorhanden, für das Gesundheitswesen nicht.

Der erfolgreiche Weg in Schweden

Auf die Frage, ob Lockdowns und verordnete Sperren in Schweden einen Unterschied gemacht hätten, sagte der Staatsepidemiologe Anders Tegnell in einem im Juli geführten Interview, über das ich hier berichtet habe, folgendes:

„Es hätte vielleicht einen Unterschied gemacht, wir wissen es nicht. Andererseits wissen wir, dass Sperren auch große andere Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben. Wir wissen, dass die Schließung von Schulen kurz- und langfristig große Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern hat. Wir wissen, dass Menschen, die arbeitslos sind, auch im Bereich der öffentlichen Gesundheit viele Probleme verursachen. Wir müssen uns also auch die negativen Auswirkungen von Sperren ansehen, und das wurde bisher nicht sehr viel getan. “

Tegnell zeigte Optimismus, dass der schwedische Weg eine Begrenzung von Infektion und Krankheiten erleichtern wird:

„Ich denke, es ist wahrscheinlich, dass solche Ausbrüche in Schweden leichter zu begrenzen sind, da die Bevölkerung immun ist. Alle unsere Erfahrungen mit Masern und anderen Krankheiten zeigen, dass… wir wissen, dass es bei einer großen Immunität in der Bevölkerung viel einfacher ist, die Ausbrüche zu kontrollieren, als wenn Sie keine Immunität in der Bevölkerung haben.“

Und die Zahlen zeigen immer deutlicher, dass er recht hat. Schweden konnte schon im Frühjahr den wirtschaftlichen Einbruch auf die Hälfte der anderen EU-Länder einschränken. Und da es für die Maßnahmen, die in Schweden gelten, keinen Anlass zur Verschärfung gibt, wird es weder gesundheitliche noch wirtschaftliche Kollateralschäden geben, so wie das in Ländern wie Frankreich, Italien, Österreich oder Deutschland  und anderen zu erwarten ist, bei denen die Immunität eben noch nicht weit genug verbreitet ist.

Übrigens ist auch das schwedische Gesundheitssystem mangelhaft finanziell ausgestattet. Ärzte in der Region Stockholm haben davor gewarnt, dass die Sicherheit der Patienten gefährdet wird, wenn keine Änderungen vorgenommen werden, um dem Personalmangel, dem Mangel an Krankenhausbetten und den überlasteten Notaufnahmen entgegenzuwirken – die allerdings schon längerr finanziell ausgehungert wurden und am Rand der Möglichkeiten arbeiten, wie sie ausführen:

Während der Coronapandemie gab es eine Diskussion darüber, wie Ärzte sich zwischen verschiedenen Patienten in einer Situation entscheiden sollten, in der unsere Ressourcen nicht ausreichen. Dies hat viele beunruhigt. Was wenige erkennen, ist, dass dieses Dilemma für uns schon vor der Pandemie Realität war und auch weiterhin sein wird, wenn keine größeren Veränderungen stattfinden”, schrieben sie in einem Meinungsartikel.

Schweden hat eine der höchsten Lebenserwartungen in Europa und vor allem ist die gesunde Lebenserwartung am höchsten. Umgekehrt ist die durchschnittliche Aufenthaltszeit in Pflegeheimen mit nur 9 Monaten sehr niedrig. Es gab auch keine Übersterblichkeit im Vergleich zum Schnitt der Vorjahre, wie die folgende Grafik zeigt.

Weiterführende Links:

Vergleich zwischen Israel und Schweden – Auswirkung von Lockdowns

Mit Modell Schweden die Corona Pandemie erfolgreich beenden

Corona Erfolgsmodell Schweden: milde Rezession der Wirtschaft

Schwedens Staatsepidemiologe Anders Tegnell im Interview: Warum in Schweden keine Masken getragen werden

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