Wettrennen um ersten Corona Impfstoff: wer gewinnen kann

30. Juli 2020von 4,7 Minuten Lesezeit

Das Rennen um den ersten Corona-Impfstoff geht bereits in die dritte Runde. Man könnte direkt Heinz Prüller als Kommentator dafür reaktivieren oder zumindest Alex Kristan als Stimmenimitator. Die Risikobereitschaft, die von Industrie und Politik an den Tag gelegt wird, erinnert auch stark an die Formel 1 oder das Hahnenkammrennen.

Laut Datenbank der WHO sind 25 Kandidaten in das klinische Stadium eingetreten und weitere 139 befinden sich noch im vorklinischen Bereich. Von den fortgeschrittenen Kandidaten sind insgesamt fünf klassische Totimpfstoffe, wie wir sie von Grippe, Tetanus, Gelbfieber, FSME oder Enzephalitis kennen. Hier sind zumindest die Verfahren grundsätzlich bekannt und erprobt. Vier von diesen fünf Kandidaten kommen von chinesischen Firmen und würden zum Großteil mit dem in Österreich entwickelten Vero Cell Verfahren hergestellt. Die nächste Fabrik dafür befindet sich übrigens bei Prag.

Die gentechnischen Verfahren

Alle anderen Kandidaten setzen nicht auf bewährte Techniken und Impfstoffdesigns, sondern die Biotech-Startups und große Pharmakonzerne nutzen partout die Covid-19-Pandemie dazu, “Strategien der nächsten Generation”, wie es in den Pressemitteilungen so schön heißt, anzuwenden. Es geht dabei um Vektorimpfstoffe, die über Viren und Nukleinsäuren DNA- und RNA-Fragmente in die menschlichen Zellen einschleusen sollen, um sie selbst dazu zu bringen, die Antikörper zu produzieren, mit denen das menschliche Immunsystem das Sars-CoV-2-Virus bekämpfen kann.

Grundsätzlich handelt es sich dabei um gentechnische Verfahren, die bei gesunden Menschen angewendet werden sollen. Neue Technologien und Methoden sind sinnvoll, allerdings nur unter der Bedingung, dass Risiken und Nebenwirkung bekannt und vor allem entsprechend gering sind. Diese werden bei der Entwicklung von Impfstoffen in jahrelangen Verfahren erforscht und geprüft. Diese Hürde hat bisher noch kein einziger gentechnischer Impfstoff geschafft, entweder weil die Wirkung zu gering war oder die Nebenwirkung zu häufig und zu gefährlich.

Aber offenbar fallen schon die Barrieren, die unns schützen sollen. Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat neben der Zuerkennung eines beschleunigten Zulassungsverfahrens für mehrere Kandidaten bereits angekündigt, für eine Zulassung eine Wirksamkeit von mindestens 50 Prozent vorauszusetzen. Von der Gruppe der Geimpften dürfte sich demnach also maximal die Hälfte derer anstecken, die das in der Gruppe der Ungeimpften tut. Die europäische Behörde EMA hat sich dazu bisher noch nicht geäußert.

Keine Abstriche wollen beide Behörden bei den Anforderungen an die Studien machen: Dass Impfstoffe bereits mit den Daten einer Phase-II-Studie zugelassen werden, wie das zuvor gefordert wurde, schließen beide aus. Damit ist auch ausgeschlossen, dass diesen Herbst schon geimpft werden kann, wie das etwa der grüne baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann angekündigt hat.

Die Favoriten im Starterfeld

In der Startaufstellung ganz vorne sehen Medien vor allem die Projekte in die Bill Gates investiert ist, nämlich das von Moderna, die Kooperation von Universität Oxford und Pharmariesen AstraZeneca, sowie BioNTech/Fosun Pharma/Pfizer.

Sieht man sich die Zeitplanung der in Phase 3 befindlichen Firmen an, so ist mit einem Abschluss zwischen Mitte 2021 und 2022 zu rechnen. Der Impfstoffkandidat des chinesischen Biotech-Unternehmens Sinovac trägt den Namen CoronaVac. Die Vakzine besteht aus einem inaktivierten Virus. Sinovac startete am 21. Juli mit einer klinischen Phase-III seines Impfstoffkandidaten in Brasilien, die in Partnerschaft mit dem Instituto Butantan durchgeführt wird. Es ist bereits die dritte Phase-3-Studie, die in Brasilien zugelassen wurde. Als Abschluss der Phase 3 ist September 2021 geplant.

Moderna mit seinem mRNA Impfstoff will Phase 3 erst am 27. Oktober 2022 beenden.

Das Projekt der Universität Oxford will bis Juli 2021 die Phase 3 durchführen. Der Pharmakonzern AstraZeneca, der sich als Partner in das Impfstoffprojekt eingekauft hat, hat bereits konkrete Schritte für die Produktion und den Vertrieb von zwei Milliarden Impfdosen eingeleitet. So sicherte AstraZeneca Großbritannien 100 Millionen Dosen, der Impfallianz rund um Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden 400 Millionen Dosen und den USA 300 Millionen Dosen zu – die USA bezahlten dafür bereits 1,2 Mrd. US$; wohlgemerkt für einen Impfstoff, der zu diesem Zeitpunkt in der frühen klinischen Testphase war und erst vor wenigen Tagen in die dritte Phase ging.

Die Kooperation Wuhan Institute of Biological Products/Sinopharm mit einem Totimpfstoff wie Sinovac will Phase 3 am 15. July 2021 anschließen, ebenso die dritte chinesische Kombination Beijing Institute of Biological Products/Sinopharm mit deaktivierten Viren.

Der fünfte Kandidat derzeit in Phase 3, nämlich BioNTech SE mit Pfizer ebenfalls mit gentechnischen mRNA Methoden möchte schon am 26. Juni 2021 fertig sein.

Eine Abschätzung von Wirkungen und Nebenwirkungen bei den Gentechnik Kandidaten von Moderna, Universität xford und BioNTech SE ist nach Experten in der kurzen geplanten Zeit absolut unmöglich. Bisher galt bei Impfstoffen, die bei gesunden Menschen angewendet werden sollen immer das Vorsorgeprinzip. Wenn dieses auf Druck der Industrie aufgehoben wird, sind Ergebnisse wie bei dem sattsam bekannten Glyphosat nicht unwahrscheinlich. Selbst die geplanten Zeiträume für die klassischen Totimpfstoffe sind schon extrem knapp, obwohl man sich da doch auf vertrautem Terrain bewegt.

Wer mehr darüber wissen möchte, dem sei ein Interview mit dem österreichischen Biowissenschaftler Clemens Arva empfohlen der im Gespräch mit RT-Redakteurin Jasmin Kosubek erklärt was genau hinter der Impfstoffentwicklung steckt und warum er nicht glaubt, dass wir in den nächsten Jahren eine Covid-Impfung haben werden. Er erläutert ausführlich was genbasierte Impfstoffe sind und warnt vor möglichen Gefahren bei einer Verkürzung der klinischen Tests.

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Bild von Belova59 auf Pixabay

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