
„Neue“ Normalität oder Rückkehr zur alten dank Herdenimmunität
Die brennendste Frage, die uns derzeit am meisten beschäftigt, ist, wann die Corona Pandemie vorbei sein wird, wann wir wieder zur alten Normalität zurückkehren können. Oder ob wir uns mit einer „neuen Normalität“ mit Maske, Abstand und ständig neuen Zahlen von Infektionen abfinden müssen. Und hier kommt das Wort Herdenimmunität ins Spiel. Die große Frage ist: Wann ist sie erreicht, geht das auf natürlichen Weg oder müssen wir auf eine schnell zusammengeschusterte und wenig getestete Impfung verlassen.
Da das Thema so interessant ist, mehren sich auch die Studien dazu, von denen einige sogar recht freundliche Ausblicke zu bieten in der Lage sind. Aber zunächst zum Grundsätzlichen.
Die Pandemie wird enden, wenn sich die Ausbreitung des Virus verlangsamt und schließlich ganz aufhört, weil genügend Menschen eine Immunität dagegen entwickelt haben. Zu diesem Zeitpunkt hat die Bevölkerung, unabhängig ob die Immunität von einem Impfstoff oder Infektionen stammt, „Herdenimmunität“ entwickelt.
Sobald das Immunitätsniveau eine bestimmte Schwelle überschreitet, beginnt die Epidemie auszusterben, da nicht genügend neue Menschen infiziert werden können. Während die Bestimmung dieses Schwellenwerts für COVID-19 von entscheidender Bedeutung ist, ist eine Menge Informationen erforderlich, um genau zu berechnen, welcher Prozentsatz der Bevölkerung immun sein muss, damit die Herdenimmunität wirksam wird und die Menschen schützt, die nicht immun sind.
Die Berechnung der Herdenimmunität
Auf den ersten Blick scheint es einfach genug. Das einzige, was man wissen muss ist, wie viele Menschen im Durchschnitt von jeder infizierten Person infiziert werden können. Dieser Wert heißt R0. Sobald der Wert bekannt ist, gibt es eine einfache Formel zur Berechnung der Herdenimmunitäts-Schwelle, nämlich: 1 – 1 / R0.
Eine gängige Schätzung von R0 für COVID-19 beträgt 2,5, das heißt, dass jede infizierte Person durchschnittlich zweieinhalb andere Personen infiziert. In diesem Fall beträgt die Herdenimmunitäts-Schwelle für COVID-19 etwa 0,6 oder 60 Prozent. Das bedeutet, dass sich das Virus schneller ausbreitet, bis durchschnittlich 60 Prozent der Bevölkerung an verschiedenen Orten immun werden.
Zu diesem Zeitpunkt verbreitet sich das Virus immer noch, jedoch mit einer Verlangsamung bis es vollständig aufhört. Diese 60 Prozent sind die Schwelle, ab der durch ein Neuauftreten des Virus entstehende Infektionen schnell zum Erliegen kommen.
Von der Theorie zur Praxis
Das bisher gesagte gilt für eine homogene Bevölkerung, wo für alle alles gleich ist. Dem ist aber nicht so und damit setzt sich eine Studie unter der Leitung von M. Gabriela M. Gomes, von der University of Strathclyde in Schottland, auseinander.
Die Dinge werden in der realen Welt schnell kompliziert. Die Schwelle für die Herdenimmunität hängt davon ab, wie viele Personen jede infizierte Person tatsächlich infiziert – eine Zahl, die je nach Standort variieren kann. Die durchschnittliche infizierte Person in einem Wohnhaus kann viel mehr Menschen infizieren als die durchschnittliche infizierte Person in einer ländlichen Umgebung. Während ein R0 von 2,5 für COVID-19 eine vernünftige Zahl für die ganze Welt sein kann, wird sie auf lokaler Ebene mit ziemlicher Sicherheit erheblich variieren und an einigen Stellen im Durchschnitt viel höher und an anderen viel niedriger sein. Dies bedeutet, dass die Herdenimmunitäts-Schwelle an einigen Stellen ebenfalls höher als 60% und an anderen niedriger ist.
Normalerweise denken Forscher nur im Zusammenhang mit Impfkampagnen über die Herdenimmunität nach. Viele von ihnen gehen davon aus, dass jeder gleichermaßen wahrscheinlich an einer Krankheit erkrankt und diese verbreitet. Bei einer sich natürlich ausbreitenden Infektion ist dies jedoch nicht der Fall. Unterschiede im sozialen Verhalten führen dazu, dass manche Menschen einer Krankheit stärker ausgesetzt sind als andere. Biologische Unterschiede spielen auch eine Rolle bei der Wahrscheinlichkeit einer Infektion.
“Wir werden anders geboren, und dann häufen sich diese Unterschiede, wenn wir unterschiedliche Erfahrungen machen”, sagt Gabriela Gomes “Dies wirkt sich darauf aus, wie gut Menschen in der Lage sind, ein Virus zu bekämpfen.”
Epidemiologen bezeichnen diese Variationen als „Heterogenität der Anfälligkeit“, das heißt die Unterschiede, die dazu führen, dass manche Menschen mehr oder weniger wahrscheinlich infiziert werden.
Dies ist jedoch zu viel Nuance für Impfkampagnen. Stattdessen verfolgen die staatlichen Gesundheitsbehörden, die WHO und gerne auch die, die den Impfstoff erzeugen, einen maximalistischen Ansatz und impfen im wesentlichen alle. Bill Gates sprach in Interviews immer wieder davon, dass 7 Milliarden Menschen geimpft werden müssen.
Die Auswirkungen der Heterogenität im Pandemiegeschehen
Bei einer aktuellen Pandemie ohne die Garantie, dass ein Impfstoff bald verfügbar sein wird, hat die Heterogenität der Anfälligkeit jedoch echte Auswirkungen auf die Herdenimmunitäts-Schwelle der Infektion.
In einigen Fällen wird der Schwellenwert höher. Dies könnte beispielsweise in Pflegeheimen der Fall sein, in denen die durchschnittliche Person möglicherweise anfälliger für COVID-19 ist als die durchschnittliche Person in der breiteren Bevölkerung.
In größerem Maßstab senkt die Heterogenität jedoch typischerweise die Herdenimmunitäts-Schwelle. Das Virus infiziert zunächst Menschen, die anfälliger sind und sich schnell verbreiten. Aber um sich weiter zu verbreiten, muss das Virus auf Menschen übergehen, die weniger anfällig sind. Dies erschwert die Ausbreitung des Virus und führt dazu, dass die Epidemie langsamer wächst, als Sie es aufgrund der anfänglichen Wachstumsrate erwartet hätten.
Je heterogener desto niedriger die Schwelle
Die Heterogenität ist offenbar schwer abzuschätzen, ist aber ein wichtiger Faktor bei der Bestimmung der tatsächlichen Herdenimmunitäts-Schwelle.
Eine weitere neue Studie verfolgt einen anderen Ansatz zur Schätzung der Unterschiede in der Anfälligkeit für COVID-19 und senkt die Schwelle für die Herdenimmunität noch weiter. Die 10 Autoren des Papiers, darunter auch Gomes, schätzen, dass der Schwellenwert für die natürlich erworbene Herdenimmunität gegen COVID-19 nur 20% der Bevölkerung betragen könnte. In diesem Fall könnten sich die am stärksten betroffenen Orte der Welt dem bereits nähern.
“Wir kommen zu dem Schluss, dass die am stärksten betroffenen Regionen wie Madrid kurz vor dem Erreichen der Herdenimmunität stehen”, sagte Gomes. Eine frühe Version des Papiers wurde im Mai veröffentlicht und die Autoren arbeiten derzeit an einer aktualisierten Version, die sie voraussichtlich bald veröffentlichen werden. Diese Version wird Schätzungen zur Herdenimmunität für Spanien, Portugal, Belgien und England enthalten.
Immunität durch Infektion mit anderen Coronaviren
Abgesehen von diesen Überlegungen zur Heterogenität wäre es noch interessant zu sehen, welchen Einfluss die offenbar in weiten Teilen bestehende Immunität hat, die durch T-Zellen und Antikörper von Infektionen mit anderen Coronaviren entstanden ist. Studien haben nicht unbeträchtliche Prozentsätze der Immunität durch die Corona-Erkältungsviren bei Kindern und Jugendlichen sowie etwas reduzierte bei Erwachsenen festgestellt.
In Südostasien besteht durch Infektionen mit SARS-ähnlichen Coronaviren in einigen Ländern offenbar noch eine viel weitergehende Immunität, da es dort zu sehr geringen Infektionszahlen und wenigen bis gar keinen Todesfällen kommt.
So kann dich eine gewöhnliche Erkältung immun gegen das Coronavirus machen
Corona Rätsel Asien – wenig Infektionen und kaum Todesfälle dank verbreiteter Immunität?
Oxford Studie: niedrige Schwelle für Herdenimmunität wegen vorhandener Abwehr gegen Coronaviren