Immunität durch frühere Infektion mit Corona-Erkältungsviren auch von deutschen Forschern bestätigt

29. Juli 2020von 4,2 Minuten Lesezeit

Wie berichtet häufen sich nun die Studienergebnisse über Immunität gegen SARS-Cov-2 durch frühere Infektionen mit anderen Coronaviren. Das tut nun auch eine Studie unter Leitung der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik (MPIMG). Bei gesunden Menschen fanden sich Immunzellen, die auch SARS-CoV-2 erkennen können. Der Grund wird in vorhergehenden Infektionen mit landläufigen Erkältungs-Coronaviren vermutet. Wie sich der Schutz auf den Verlauf einer Infektion mit SARS-CoV-2 auswirkt, soll nun eine weitere Studie zeigen.

Britische Forscher haben kürzlich eine Studie veröffentlicht nach der bei 62 Prozent nicht infizierter Kinder in der Altersgruppe 6 bis 18 Jahre Immunität gegen SARS-Cov-2 in einer Studie nachgewiesen wurde. Gefunden wurden nicht nur T-Zellen, sondern auch neutralisierende IgG Antikörper.

Die niedrige Infektionsrate und niedrige Mortalität in Südostasien – in Vietnam, Laos und Kambodscha gab es bisher überhaupt keine Todesfälle – wird auf häufige Infektionen mit SARS-ähnlichen Coronaviren zurückgeführt. Davon soll es nach Erkenntnissen von Forschen etwa 100 weitere Coronaviren geben.

Verwandtschaft der Coronaviren

Auch die nun in Nature veröffentlichte deutsche Studie verfolgte die Fragestellung woran es liegt, dass manche Menschen am Coronavirus schwer erkranken, während andere kaum Symptome bemerken. Einen möglichen Einflussfaktor hat ein Forschungsteam der Charité und des MPIMG jetzt ebenfalls identifiziert: frühere Infektionen mit harmlosen Erkältungs-Coronaviren.

Darauf deuten Untersuchungen an sogenannten T-Helferzellen hin – spezialisierten weißen Blutkörperchen, die für die Steuerung der Immunantwort essenziell sind. Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beobachteten, verfügt etwa ein Drittel der Menschen, die noch nie mit SARS-CoV-2 in Kontakt gekommen sind, über T-Helfer-Gedächtniszellen, die das neue Virus dennoch erkennen. Der Grund dafür ist vermutlich, dass SARS-CoV-2 eben doch nicht so „neuartig“ ist und daher bestimmte Strukturen ähnlich genug zu den landläufiger Coronaviren sind um erkannt zu werden.

Die Ergebnisse

Für Ihre Untersuchungen gewannen die Forschenden Immunzellen aus dem Blut von 18 COVID-19-Erkrankten, die an der Charité zur Behandlung aufgenommen und per PCR-Test positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden waren. Zusätzlich isolierten sie Immunzellen aus dem Blut von 68 gesunden Personen, die nachweislich noch nie mit dem neuen Coronavirus in Kontakt gekommen waren.

Die Immunzellen stimulierten sie dann mit kleinen, künstlich hergestellten Bruchstücken des sogenannten Spike-Proteins von SARS-CoV-2. Es ist typisch für die Oberfläche der Coronaviren und ermöglicht ihnen den Eintritt in menschliche Zellen. Anschließend überprüfte die Forschungsgruppe, ob die T-Helferzellen durch die Proteinfragmente aktiviert worden waren. Das Ergebnis: Bei 15 der 18 COVID-19-Erkrankten, also 85 Prozent, reagierten die T-Helferzellen auf die Bruchstücke der Virusoberfläche.

Das hatten wir nicht anders erwartet, das Immunsystem der Patientinnen und Patienten bekämpfte das neue Virus ja gerade und reagierte deshalb auch im Reagenzglas darauf“, erklärt Dr. Claudia Giesecke-Thiel, Leiterin der Servicegruppe Durchflusszytometrie am MPIMG und eine der drei leitenden Autorinnen und Autoren der Studie. „Dass die T-Helferzellen nicht bei allen COVID-19-Erkrankten auf die Virusfragmente reagierten, liegt vermutlich daran, dass sich die T-Zellen in einem akuten oder besonders schweren Stadium einer Erkrankung außerhalb des Körpers nicht aktivieren lassen.“

Immunabwehr gegen SARS-Cov-2 bei nicht damit Infizierten

Zur Überraschung des Teams fanden sich aber auch im Blut der Gesunden reaktive T-Helferzellen: Bei 24 der 68 Getesteten (35 Prozent) gab es Gedächtniszellen, die SARS-CoV-2-Fragmente erkannten. Dabei fiel den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf, dass die Immunzellen der COVID-19-Erkrankten und der Gesunden auf unterschiedliche Teilstücke der Virushülle reagierten. Daas hat auch die britische Studie ergeben.

Während die T-Helferzellen der Patienten das Spike-Protein über seine komplette Länge erkannten, wurden die T-Helferzellen der Gesunden vor allem von Abschnitten des Spike-Proteins aktiviert, die entsprechenden Abschnitten des Spike-Proteins von harmloseren Erkältungs-Coronaviren ähneln.

Das deutet darauf hin, dass die T-Helferzellen der Gesunden auf SARS-CoV-2 reagieren, weil sie sich in der Vergangenheit mit heimischen Erkältungs-Coronaviren auseinandersetzen mussten“, sagt Giesecke-Thiel. „Denn eine Eigenschaft der T-Helferzellen ist, dass sie nicht nur von einem exakt ‚passenden‘ Erreger aktiviert werden können, sondern auch von ‚ausreichend ähnlichen‘ Eindringlingen.“ Tatsächlich konnte die Forschungsgruppe nachweisen, dass die T-Helferzellen der gesunden Probanden, die auf SARS-CoV-2 reagierten, auch durch verschiedene Erkältungs-Coronaviren aktiviert wurden – und damit per Definition „kreuzreagierten“.

Um abschließend zu klären, ob in der Vergangenheit durchgestandene Coronavirus-Erkältungen nun tatsächlich vor einer späteren Infektion mit SARS-CoV-2 schützen – und so möglicherweise die unterschiedliche Ausprägung der Symptome erklären –, sind in die Zukunft gerichtete Studien nötig. Eine solche Studie – die Charité-Corona-Cross-Studie – ist jetzt unter Leitung der Charité in Kooperation mit der Technischen Universität Berlin und dem MPIMG gestartet.

Coronaviren verursachen in Deutschland bis zu 30 Prozent der saisonalen Erkältungen. Man schätzt, dass sich ein Erwachsener im Schnitt alle zwei bis drei Jahre mit einem der vier heimischen Coronaviren ansteckt.

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