Die wahren Probleme mit der Migration

26. Juni 2018von 4,9 Minuten Lesezeit

Das Flüchtlingsthema ist das derzeit alles überlagernde Thema in der Innen-  und Europapolitik. Häufig wird es aber auch „Migrationsthema“ genannt, was der Sache schon erheblich näher kommt, aber eine ganz andere Problematik aufgreift.

FPÖ Führer Strache näherte sich dem kürzlich von einer anderen Seite. Er kritisierte die Personenfreizügigkeit in der EU, also unter anderem die Möglichkeit jederzeit in jedem Land der EU eine Arbeit annehmen zu können. Da gab es allerdings auch von der türkisen Seite Schelte, da diese Freizügigkeit für die Industriellenvereinigung und generell für Unternehmen vorteilhaft ist, liefert sie doch Arbeitnehmer zu günstigen Bedingungen.

Aber genau diese Migration von Arbeitnehmern stellt ein weit größeres Problem dar, als die Flüchtlinge. Im UK leben und arbeiten etwa 3,5 Millionen EU Bürger, davon etwa 800.000 allein aus Polen. Sie waren bei der Brexit Kampagne ein wesentliches Thema und es ist nachvollziehbare, dass viele Stimmen für das Ausscheiden aus der EU mit der Ablehnung dieser inner-europäischen Migration begründet waren, da dadurch eben Jobs als gefährdet angesehen wurden.

Laut dem aktuellen OECD Migrationsbericht 2018 ist die Zahl der Einwanderer in Österreich und Deutschland zurückgegangen, aber der überwiegende Teil sind Zuwanderer aus anderen EU Ländern. So kamen 2015 71.000 aus der EU, aber nur 16.000 Flüchtlinge und 2016 waren es 60.000 aus der EU und 30.000 Flüchtlinge. Die  Flüchtlings-Migration ist seither rückläufig. Die Migrationsströme innerhalb der EU halten in dieser Größenordnung aber seit Jahrzehnten an, diese Flüchtlingszahlen wurden aber vorher nur so einem kleinem Bruchteil erreicht.

Die unfreiwillige Wirtschaftsmigration innerhalb der Europäischen Union ist die bittere Ernte der Sparpolitik. Die große Mehrheit der Menschen aus Griechenland, Bulgarien, Spanien, Rumänien und Polen tun dies, weil ihnen nichts anderes übrigbleibt. Was sollten sie auch tun, ohne Perspektive bei sich zu Hause und angesichts der großen und immer weiter klaffenden Einkommensunterschiede zwischen den europäischen Ländern?

Die Unterbeschäftigung bzw hohe Arbeitslosigkeit ist der bittere Preis für die Sparmaßnahmen. Das ist die Auswirkung viel zu niedriger Investitionen, des Versäumnisses, bezahlte Arbeit zu schaffen, die Europa zur Befriedigung wirtschaftlicher, sozialer und menschlicher Bedürfnisse braucht, sowie der wirtschaftlichen Stagnation Europas, die die ökonomische Aktivität nur auf wenige Regionen konzentriert und dabei den Rest aussaugt.

Unterschiedliche Wege aus der Krise

Die Rechtspopulisten wie Kurz, Strache, Orban, Salvini und Parteien wie AfD, FrontNational, FPÖ, Lega oder Fidesz schieben die Schuld auf die Flüchtlinge vor Krieg und Hunger, den Islam oder sehen schon ganz offen wieder die jüdische Weltverschwörung (Orban – Soros). Als Allheilmittel wird das Schließen und Bewachen der Grenzen, das Hochziehen von Mauern und Stacheldrahtzäunen genannt.

Der Rechtsruck, das neoliberale Gedankengut und die rassistischen Tendenzen in Europa brauchen ein starkes Gegengewicht, das auch international agiert. Dem wird am besten DiEM25 (Democracy in Europe Movement) gerecht, das 2016 von linken progressiven PolitikerInnen und DenkerInnen ins Leben gerufen wurde und schon in vielen Ländern aktiv ist. So auch in Österreich. Hier einige der Grundsätze für eine linke Europapolitik, wie sie von DiEM25 erarbeitet wurden:

Bereitstellung von Grundgütern

Alle EuropäerInnen sollten in ihren Heimatländern das Recht auf lebensnotwendige Güter (wie z.B. Nahrung, Obdach, Transportmittel, Energie) genießen, zusammen mit dem Recht auf vergütete Beschäftigung zur Erhaltung ihrer Gemeinschaften, und zwar von einem existenzsichernden Einkommen über anständige Sozialwohnungen, hochwertige Gesundheitsversorgung und Bildung bis hin zu einer nachhaltigen Umwelt.

Kapitalerträge teilen

In einer zunehmend digitalisierten Wirtschaft werden Kapitalgüter mehr und mehr von allen produziert, während ihre Renditen aber weiterhin privatisiert werden. Um Stagnation und Unzufriedenheit in einem technologisch weiter voranschreitenden Europa zu vermeiden, müssen Strategien zur Verteilung der Erträge aus Digitalisierung und Automatisation implementiert werden, die allen Bürgern zugute kommen.

Demokratisches makroökonomisches Management

Europas Ökonomien stagnieren, weil ihr Management auf makroökonomischem Niveau zu lange “Technokraten” überlassen wurde, die dafür noch nicht einmal zur Rechenschaft gezogen werden können. Es ist höchste Zeit, das makroökonomische Management grundlegend zu demokratisieren und die Aufsicht der souveränen Bevölkerung zu übergeben.

Bedingungsloses Grundeinkommen

Planung einer post-kapitalistischen Wirtschaft, die authentisch, liberal und offen ist: Demokratisierung der wirtschaftlichen Vorgänge und Einführung der Bedingungslosen Grunddividende.

Im Moment stehen wir einer ernsthaften Herausforderung gegenüber, durch technologische Innovation und künstliche Intelligenz. Wenn Roboter, und allgemein durch künstliche Intelligenz ermächtigte Maschinen den so genannten Turing-Test bestehen, das heißt wir erreichen eine Phase, in der man den Telefonhörer abnimmt, wenn man seine Bank anruft, oder ein Restaurant, um eine Bestellung aufzugeben, und nicht unterscheiden kann, ob es sich beim Gesprächspartner um eine Maschine oder einen Menschen handelt, weil sie ähnlich klingen und auf ähnliche Art mit einem kommunizieren, dann kann man sich plötzlich vorstellen, welche Auswirkungen das auf die Beschäftigung innerhalb des Kapitalismus haben wird.

In den 1970er und 1980er Jahren, fand eine Verlagerung der Beschäftigung von der Industrie in den Dienstleistungssektor statt – zu Banken, Supermärkten, Restaurants – sobald Maschinen den Turing-Test bestehen, werden zum ersten Mal in der Geschichte des Kapitalismus weitaus mehr Arbeitsplätze durch Technologie zerstört als geschaffen. Es wird also eine massive Reduktion der Gesamtnachfrage geben.

Es ist eindeutig, dass die durch Maschinen generierten Einnahmen, verteilt werden müssen. Wir brauchen also ein universelles Grundeinkommen, aber nicht eines, das durch Steuern finanziert wird. Wir müssen die Renditen aus Kapital und Automatisierung effektiv nutzen und in der Gesellschaft verteilen.

Finanzwelt bändigen

Regulierung der Banken und Schaffung einer neuen öffentlichen digitalen Zahlungsplattform, die das Monopol der Banken über Europas Zahlungsverkehr beendet.

Den Euro reparieren

Die Eurozone durch Beendigung der kontraproduktiven Sparpolitik retten und Kosten minimieren, die im Falle ihres Zusammenbruchs entstünden.

Auf der Webseite von DiEM25 findet sich noch viel mehr dazu.

1 Kommentar

  1. Hans 12. Juli 2018 at 15:18

    Leider greift ihr Artikel auch zu kurz. Sie schreiben, dass die innereuropäische Arbeitsmigration schlimmer ist als die Flüchtlings-Migration. Was bitte ist eine „Flüchtlings-Migration“? Entweder man ist Flüchtling (man wird persönlich verfolgt, Asyl gibt es nur auf die Zeit der persönlichen Verfolgung, etc…) oder man ist Migrant (Man wandert aus, weil man sich im Zielland bessere Lebensbedingungen, etc. erwartet).

    Es macht den Eindruck, als wollten sie durch das „größere“ Problem der innereuropäischen Arbeitsmigration das „kleinere“ Problem der „Flüchtlingsmigration“ kleinreden, bzw. das eine durch das andere legitimieren. Beides hat jedoch nicht das Geringste miteinander zu tun. Nur, weil es uns durch eine Sache schlecht geht, ist es egal, wenn es uns durch eine andere Sache noch schlechter geht?

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